Losartan-Engpass in den USA

NMBA-Verunreinigung: FDA erlaubt erhöhten Grenzwert 

Stuttgart - 26.03.2019, 12:15 Uhr

Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA scheint sich derzeit in einer Zwickmühle zu befinden: Verunreinigtes Valsartan und Losartan oder gar kein Valsartan und Losartan? (b/Foto: picture alliance / AP Photo)

Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA scheint sich derzeit in einer Zwickmühle zu befinden: Verunreinigtes Valsartan und Losartan oder gar kein Valsartan und Losartan? (b/Foto: picture alliance / AP Photo)


9,82 ppm statt 0,96 ppm NMBA in Losartan. Diesen neuen, deutlich höheren Grenzwert des wahrscheinlich krebserregenden Nitrosamins toleriert die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA vorübergehend. Das gab sie vergangenen Mittwoch bekannt. So soll den andauernden Lieferengpässen begegnet werden, die als Folge eines weltweiten Rückrufs von Sartan-Arzneimitteln im Sommer 2018 auftreten. Bereits vor Kurzem hatte die FDA deshalb beschleunigt ein neues Valsartan-Generikum zugelassen. Warum umgeht die FDA nun ihren eigenen Grenzwert?

Vor circa zwei Wochen hat die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA beschleunigt ein neues Valsartan-Generikum zugelassen. Schon zu diesem Zeitpunkt war der Pressemitteilung der FDA zu entnehmen, dass auch Losartan-Präparate in den USA rar sind. Man konnte mit weiteren Maßnahmen rechnen, die darauf abzielen, den Lieferengpässen zu begegnen.

Am Mittwoch vergangener Woche hat die FDA nun verkündet, dass sie vorübergehend höhere Grenzwerte in Losartan-Präparaten akzeptieren würde, um den Patienten den Zugang zu Losartan-Präparaten zu sichern. Dazu werde der bislang akzeptierte Grenzwert für die Nitrosaminverunreinigung NMBA von 0,96 ppm auf 9,82 ppm angehoben – so lange, bis die Verunreinigung beseitigt werden könne. Nach Schätzungen der FDA wird es circa sechs Monate dauern, bis die Hersteller den US-Markt wieder mit Losartan, frei von NMBA, versorgen können.  

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Würden die Hersteller NMBA-Werte messen, die 0,96 ppm überschreiten, sollen sie sich an die FDA wenden. Die FDA würde dann von Fall zu Fall entscheiden, ob sie die entsprechenden Chargen freigibt. Wie sie dann genau entscheidet, bleibt wohl zunächst offen.
Die europäische Arzneimittebehörde EMA hat noch keine offiziellen Grenzwerte für NMBA bekannt gegeben. Grundsätzlich ähneln sich die vorübergehenden Grenzwerte der beiden Arzneimittelbehörden aber (Liste ohne NDEA):

EMA

FDA

Menge Wirkstoff pro Tag

NDMA-Limit (ppm)

NDMA-Limit (ppm)

NMBA-Limit (ppm)

Candesartan (32mg)

3,000

3,0

3,0

Irbesartan
(300mg)

0,320

0,32

0,32

Losartan
(FDA: 100mg; EMA: 150 mg)

0,640

0,96

0,96 / 9,82

Die FDA akzeptiert vorübergehend Losartan mit NMBA-Werten unter 9,82 ppm

Olmesartan (40mg)

2,400

2,4

2,4

Valsartan
(320mg)

0,300

0,3

0,3

Azilsartan
(80mg)

-

1,2

1,2

Eprosartan
(800mg)

-

0,12

0,12

Telmisartan
(80mg)

-

1,2

1,2

NMBA war erst zu Beginn des Jahres als eine weitere Nitrosaminverunreinigung entdeckt worden: Nitroso-N-methyl-4-Aminobuttersäure (NMBA). Zunächst hatten im Sommer 2018 die wahrscheinlich krebserregenden Verunreinigungen N-Nitrosodimethylamin (NDMA) und Diethylnitrosamin (NDEA) zu weltweiten Sartan-Rückrufen geführt. In Deutschland hatte Heumann aufgrund von NMBA bereits am 19. Februar 2019 (nur) vier Chargen losartanhaltiger Präparate zurückgerufen.
In den USA wurden durch Camber Pharmaceuticals zunächst 87 Chargen Losartan zurückgerufen, am 1. März folgte Torrent Pharmaceuticals mit einem Losartan-Rückruf über 114 Chargen. Heumann weitete daraufhin seinen Rückruf vom 19. Februar für Deutschland noch deutlich aus. Doch das sollte offenbar nicht das Ende von NMBA in Losartan sein: In den USA wurden vergangenen Freitag wiederum erneut umverpackte Losartan-Präparate zurückgerufen.

Warum hält die FDA den neuen Grenzwert für akzeptabel?

Wissenschaftler haben laut FDA das Risiko einer NMBA-Exposition in Höhe von 9,82 ppm evaluiert. Demnach solle sich das Krebsrisiko nicht bedeutend erhöhen, wenn die NMBA-Werte über sechs Monate in Mengen von 9,82 ppm aufgenommen werden – zumindest im Vergleich zu einer Lebenslangen Exposition in Höhe von 0,96 ppm.
Dass die FDA so die Patienten-Versorgung sichern möchte, kann löblich erscheinen. Gleichzeitig drängt sich aber doch die Frage auf, welcher Patient freiwillig ein Losartan-Präparat mit solchen erhöhten Werten einnehmen wird – auch wenn die FDA betont, wie wichtig es ist, seine Blutdruck-Therapie nicht abzusetzen oder zu unterbrechen. 

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Anfang März hatte es von Seiten der FDA zum zunächst niedrigeren tolerierten NMBA-Grenzwert noch geheißen, dass dieser Grenzwert von 0,96 ppm dem bereits früheren zu NDMA entspreche. Wohlgemerkt wurden auch die vorherigen Grenzwerte nur festgelegt, um Versorgungsengpässe zu vermeiden. Langfristig sollen Sartane gar keine Nitrosamine mehr enthalten (<0,03 ppm). 

NMBA so gefährlich wie NDMA?

In einer Pressemitteilung der FDA vom 1.März hieß es, dass NMBA ein bekanntes Kanzerogen bei Tieren und ein potenzielles Kanzerogen beim Menschen darstellt. „Das Vorhandensein einer dritten Verunreinigung in bestimmten Angiotensin-Rezeptorblockern besorgt uns zutiefst“, wird Noch-FDA-Chef Scott Gottlieb in der Pressemitteilung zitiert. Jedoch sei es basierend auf der ersten Bewertung durch die FDA wichtig, zu betonen, dass das von NMBA ausgehende kanzerogene Risiko dem von NDMA zu entsprechen scheint. Somit wäre es geringer als das Risiko, das von NDEA ausgeht. Jedoch sei jedes Vorhandensein solcher Verunreinigungen in Arzneimitteln nicht akzeptabel.

Auch in der Pressemitteilung der europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) zum abgeschlossenen Risikobewertungsverfahren war angekündigt worden, dass weiterhin das Vorhandensein von Nitrosaminverunreinigungen in Arzneimitteln untersucht werden soll – auch von Verunreinigungen wie N-Nitrosoethylisopropylamin (EIPNA), N-Nitrosodiisopropylamin (DIPNA) und N-Nitroso-N-methylamino-Buttersäure (NMBA). Die EU-Behörden würden abwägen, was insgesamt aus dem Risikobewertungsverfahren gelernt werden könne, um die Handhabung von Verunreinigungen in Arzneimitteln zu verbessern, hieß es Anfang Februar.

Die neueste Risikobewertung in Deutschland zum Thema wurde übrigens am 13.03.2019 von der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft veröffentlicht: „Bewertung der krebsauslösenden Verunreinigung in sartanhaltigen Arzneimitteln“. Daraus geht hervor, dass die Rückrufe der verunreinigten Präparte durchaus gerechtfertigt waren. Dennoch sei das Risiko für den einzelnen Patienten, an Krebs zu erkranken, nur sehr geringfügig erhöht. 



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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