Unwirtschaftlich und überholt

BAH fordert Abschaffung der Importförderklausel

Stuttgart / Berlin - 04.09.2018, 12:30 Uhr

Parallelimporte lassen sich innerhalb der EU nicht einfach abschaffen, die Importförderklausel nach SGB V jedoch schon, meint der BAH: (Foto: BAH)

Parallelimporte lassen sich innerhalb der EU nicht einfach abschaffen, die Importförderklausel nach SGB V jedoch schon, meint der BAH: (Foto: BAH)


Für rege Diskussion sorgte in der vergangenen Woche die Überlegung der Lunapharm-Taskforce, Parallelimporte künftig zu verbieten. Der Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa) sieht darin durchaus eine Möglichkeit, die Arzneimittelsicherheit zu erhöhen, während der Verband der Importeure verständlicherweise dagegen hält. Nun hat sich auch der BAH dazu geäußert.

Öffnet die Möglichkeit des freien Verkehrs von Waren innerhalb der EU und somit auch für Arzneimittel kriminellen Machenschaften Tür und Tor? Jüngster Arzneimittelskandal, bei dem der Parallelimporteur Lunapharm mit die Fäden zog, stößt zumindest diesen Gedankengang an. Auch die mit der Aufklärung des Lunapharm-Skandals betraute Taskforce ist in der vergangenen Woche zu möglichen Vorschlägen gelangt, um künftig derartige Arzneimittelzwischenfälle zu verhindern. Unter anderem stießen die Experten, zu denen auch Professor Martin Schulz (AMK) und Professor Wolf-Dieter Ludwig (AkdÄ) gehörten, an, die Importförderquote abzuschaffen. Auch ein Verbot des Parallelimports war im Gespräch. 

Abschaffung der Importförderklausel sorgt für gemischte Gefühle bei Pharmaverbänden

Dass nicht alle Pharmaverbände diese Überlegung gut finden, ist verständlich. Erachtet der Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa) die Abschaffung der Importförderklausel für längst überholt, begrüßt der Verband der Arzneimittelimporteure Deutschland (VAD) dies verständlicherweise nicht, und schon gar nicht ein Verbot des Parallelimportes.

Auf Nachfrage von DAZ.online hat nun auch Dr. Hermann Kortland, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Arzneimittel-Hersteller (BAH), zur Frage der Abschaffung der Importförderung von Arzneimitteln im Zusammenhang mit dem Fall „Lunapharm“ Stellung genommen. 

Importförderklausel verschärft Lieferengpässe

Auf die Frage, ob der BAH eine Abschaffung sowohl der Importquote für den deutschen Apothekenmarkt als auch der Parallelimporte generell befürwortet, antwortet Kortland: „Der BAH befürwortet seit jeher eine Abschaffung der Importförderklausel (§ 129 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V), also der Förderung von Parallel- und Reimporten, und damit auch der Importquote für Apotheken gemäß der Rahmenvereinbarung nach § 129 Abs. 2 SGB V.“

Er begründet dieses Statement gleich mehrfach: „Zum einen übertreffen die Einsparungen durch andere Steuerungsinstrumente wie Rabattverträge, Festbeträge oder Herstellerzwangsrabatte im Gesundheitssystem die Einsparungen durch Importe um ein Vielfaches. Zum anderen gefährden die gerade bei Importen immer wieder auftretenden Lieferschwierigkeiten die Patientenversorgung“. Hinzu komme, dass der pharmazeutische Unternehmer wegen des freien Warenverkehrs in Europa die Verbreitung seiner Produkte nur schwer steuern kann. Somit entzögen die Importe letztlich gerade den Ländern, deren Gesundheitsversorgung eigentlich von den dort niedrigeren Produktpreisen profitieren sollte, genau diese Produkte wieder.

Allerdings ist eine Abschaffung von parallelimportierten Arzneimitteln nicht einfach möglich – da dies die Rechtsprechung der Europäischen Gerichtshofes nicht zulasse, so Kortland.

Deutschland zunehmend Ausfuhrland für Parallelimporteure

Diesen Aspekt führt auch der vfa an, jedoch sieht der Verband forschender Arzneimittelhersteller hier zunehmend auch Deutschland im Nachsehen. So argumentiert der vfa, dass Deutschland zunehmend Ausfuhrland für Parallelimporteure ist, was wohl eine zuverlässige Verfügbarkeit von Arzneimitteln hierzulande empfindlich trifft.

Parallelimporte wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll

Jedoch könnte nach Ansicht des BAH allein ein Zurücknehmen der Importklausel die Lage entschärfen: „Eine Abschaffung der Importförderklausel würde sicherlich positiv zum Fälschungsschutz beitragen.“ Die bei Importen oft langen Lieferketten und komplexen Transportwege über Zwischenhändler und Ländergrenzen hinweg böten ein relativ großes Einfallstor für Arzneimittelfälscher, weil die beteiligten nationalen Behörden diese Ketten und Wege oft nicht mehr nachvollziehen und kontrollieren könnten, so der BAH.

Rabattverträge sparen mehr als Importe

Wie auch der vfa sieht der BAH eigentlich keinen wirtschaftlichen Nutzen von Parallelimporten seit Einführung des AMNOG (Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz) im Januar 2011:


Reimporte und Parallelimporte von Arzneimitteln haben per se keinen nachhaltigen wirtschaftlichen Nutzen."

BAH-Vizechef Dr. Hermann Kortland


Die Importeure profitierten lediglich von dem unterschiedlichen Preisniveau, das innerhalb der EU-Staaten bestehe. Und weiter: „Im Zeitraum von Juli 2017 bis Juni 2018 lag der Gesamtumsatz der AMNOG-Präparate, welche die Frühe Nutzenbewertung abschließend durchlaufen haben, bei etwa sieben Milliarden Euro (AVP). Arzneimittelimporte hatten daran nur einen Anteil von etwa 2 Prozent.“

Auch der vfa führt Zahlen an, die seiner Ansicht nach untermauern, dass wirtschaftlich gesehen, Parallelimporte überholt sind. So seien 2016 mit Hilfe von Parallelimporten Einsparungen von 66,9 Millionen Euro erzielt worden. Zum Vergleich: Durch ein anderes Kostendämpfungsinstrument, nämlich Einzelverträge zwischen Herstellern und Krankenkassen, seien im gleichen Jahr jedoch 3,9 Milliarden Euro gespart worden.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

volle Zustimmung zu Beitrag von Herrn Jörg Geller

von Chris am 05.09.2018 um 11:59 Uhr

Herr Geller beleuchtet in der Breite worum es im Kern geht.
Wer dabei auf der Strecke bleibt sind die betroffenen Patienten, um deren Befindlichkeiten (Unsicherheit) sich niemand kümmert. Die Patienten die das gesamte fragile Gesundheitssystem, oder Krankheitssystem ? finanzieren sind in jeder Hinsicht Opfer. Daran wird sich auch durch Skandale kein Jota ändern.

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BAH

von Jörg Geller am 04.09.2018 um 17:42 Uhr

Es liegt in der Natur der Sache, dass Unternehmen kein Interesse an Wettbewerb mit ihren eigenen Marken haben. Seit über 40 Jahren hindert sie dieser Wettbewerb an einer monopolistischen Preisbildung und bringt erhebliche direkte und indirekte Einsparungen für unser Gesundheitssystem. Sicherlich gibt viele Einsparinstrumente. Herstellerrabatte zahlen auch die Importeure und die Einsparungen durch Rabattverträge sind völlig intransparent. Ob diese Verträge letztlich dem Patientenwohl dienen, darf nach dem Valsartan-Skandal durchaus bezweifelt werden.
Wir sehr man sich bemüht, Argumente gegen Importe an den Haaren herbeizuziehen zeigt die Behauptung, die nicht immer vollständige Lieferfähigkeit der Importeure gefährde die Patientenversorgung. Ein Import kann abgegeben werden, wenn er verfügbar ist. Mangelnde Verfügbarkeit sollte doch im Interesse des BAH liegen! Denn immer dann, wenn ein Import nicht verfügbar ist, kommt das entsprechende deutsche Original zum Einsatz, das doch lieferbar sein sollte. Auch das letzte Argument ist schlicht falsch. Arzneimittelhersteller sind keine Wohltäter, sondern gewinnorientierte Wirtschaftsunternehmen. Wenn Märkte nicht den Preis hergeben, den die Unternehmen erwarten, nehmen sie das Präparat vom Markt. Von dieser Möglichkeit wurde auch in Deutschland bereits Gebrauch gemacht. Umso mehr ist das gängige Praxis in Ländern wie zum Beispiel Rumänien oder Bulgarien. Dort bieten zur Zeit Parallelimporteure an, bestimmte dringend benötigte Präparate ohne Profit in europäischen Märkten einzukaufen, die die Hersteller nicht zu liefern bereit sind.

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