Arzneimittelversorgungs-Stärkungsgesetz

Union und SPD schaffen Impfstoff-Ausschreibungen ab

Berlin - 06.03.2017, 19:15 Uhr

Nicht mehr im Rabattvertrag: Die Gesundheitspolitiker haben heute den Weg für das Arzneimittelversorgungs-Stärkungsgesetz frei gemacht und in letzter Minute ine Abschaffung der Impfstoff-Ausschreibungen beschlossen. Es bleibt aber dabei, dass Apotheker in den Bereichen BtM-Abgabe und Rezepturvergütung künftig etwa 100 Millionen Euro mehr bekommen sollen. (Foto: fotolia / Eisenhans)

Nicht mehr im Rabattvertrag: Die Gesundheitspolitiker haben heute den Weg für das Arzneimittelversorgungs-Stärkungsgesetz frei gemacht und in letzter Minute ine Abschaffung der Impfstoff-Ausschreibungen beschlossen. Es bleibt aber dabei, dass Apotheker in den Bereichen BtM-Abgabe und Rezepturvergütung künftig etwa 100 Millionen Euro mehr bekommen sollen. (Foto: fotolia / Eisenhans)


Die Gesundheitspolitiker von Union und SPD haben sich darauf verständigt, mit dem Arzneimittelversorgungs-Stärkungsgesetz die Impfstoff-Ausschreibungen abzuschaffen. Nach langwierigen Verhandlungen konnte sie dich Große Koalition heute zudem darauf verständigen, dass Arzneimittelpreise nicht vertraulich behandelt werden und dass die ursprünglich anvisierte „Umsatzschwelle“ für Pharmaunternehmen nicht kommen soll.

Die Gesundheitspolitiker der Großen Koalition haben sich am heutigen Montag auf letzte, teils überraschende Änderungen am Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetz (AMVSG) geeinigt. Für die Apotheker gibt es zunächst die gute Nachricht, dass sich an den Plänen der Bundesregierung, ein neues Fixhonorar für Rezepturen einzuführen und die BtM-Abgabe besser zu vergüten, nichts mehr getan hat. Das AMVSG ist nach den heutigen Einigungen der Koalitionäre auf der Zielgeraden und kann schon am kommenden Donnerstag vom Bundestagsplenum beschlossen werden. Die Apotheker könnten also schon bald von Honoraranpassungen in Höhe von etwa 100 Millionen Euro profitieren.

Das neue Apothekenhonorar

Bis zuletzt hatten sich Union und SPD allerdings über mehrere andere Regelungen im Gesetz gestritten. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hatte das AMVSG auf den Weg gebracht, um die Vereinbarungen aus dem Pharmadialog zwischen Bundesregierung und Pharmaindustrie umzusetzen. Auf den letzten Metern haben die Gesundheitspolitiker am heutigen Montag allerdings noch mehrere Änderungen an diesen Ergebnissen vorgenommen.

Einmal contra Pharma, einmal pro Pharma

Somit entfällt eine ganz wesentliche Forderung der Pharmaindustrie: die Preisvertraulichkeit. Ein Ergebnis des Pharmadialoges war es, dass die Preise neuer Arzneimittel künftig geheim bleiben sollen. Die Hersteller wollten damit vermeiden, dass sich die vermeintlich niedrigen deutschen Preise auf die Preisbildung anderer Länder auswirken. Die SPD hatte bis zuletzt vehement gegen diese Abmachung protestiert – und hat sich nun durchgesetzt. Informationen von DAZ.online zufolge sollen Arzneimittelpreise auch in Zukunft nicht vertraulich behandelt werden. Die Preisvertraulichkeit wird aus dem Gesetz gestrichen.

An einem anderen, ebenso zentralen Punkt des „Pharma-Gesetzes“ kommt die Bundesregierung der Pharmaindustrie allerdings deutlich entgegen. Laut dem heutigen Beschluss soll nämlich auch die sogenannte Umsatzschwelle aus dem Gesetzentwurf fliegen. Um die Preise neuer Arzneimittel künftig auch schon im ersten „preisfreien“ Jahr nach Marktzulassung zu drosseln, hatte das BMG im AMVSG-Entwurf festgehalten, dass die Hersteller ihre Preise zwar weiterhin frei festlegen dürfen. Ab einem bestimmten Umsatz sollte dann aber eigentlich eine „Bremse“ greifen – der Preis wäre dann automatisch auf den Erstattungsbetrag reduziert worden, den Hersteller und Kassen aushandeln. 

Keine Impfstoff- und Zyto-Verträge mehr

Eine ebenso wichtige Last-Minute-Änderung betrifft die Impfstoff-Versorgung. Insbesondere die Apotheker hatten sich in den vergangenen Jahren immer wieder über Probleme mit Ausschreibungen der Krankenkassen im Impfstoff-Bereich beschwert. Dem Vernehmen nach hat sich am heutigen Montag die Union damit durchgesetzt, solche Ausschreibungen künftig zu untersagen. Die Union wollte offenbar vermeiden, dass Versorgungsengpässe bestehen, weil an vielen Vertragsmodellen jeweils nur ein Hersteller beteiligt ist.

Mit dem AMVSG will die Bundesregierung noch eine weitere Ausschreibungs-Praxis der Kassen abschaffen. Exklusive Verträge zwischen Krankenkassen und Apothekern über die Zytostatika-Versorgung soll es in Zukunft nicht mehr geben. Das BMG hatte bereits in einem der ersten Entwürfe festgehalten, dass die Kassen künftig Rabattverträge über die Zytostatika mit den Herstellern abschließen. Um einen Teil der Einsparungen zu sichern, sollen Apotheker und Kassen in der Hilfstaxe neue Preise vereinbaren. An diesen Regelungen haben die Gesundheitsexperten am heutigen Montag keine Änderungen mehr vorgenommen. Die derzeit noch laufenden Verträge müssen innerhalb von drei Monaten aufgelöst sein.

Hennrich (CDU) hofft auf mehr Versorgungsqualität

Michael Hennrich, Arzneimittelexperte der Unionsfraktion, war an den abschließenden Gesprächen mit der SPD beteiligt und äußerte sich gegenüber DAZ.online zufrieden: „Wir haben eine pragmatische Lösung gefunden und uns auf einen klugen, vernünftigen Kompromiss geeinigt. Mir ist besonders wichtig, dass wir mit dem AMVSG die Versorgungsqualität im Arzneimittelbereich verbessern. Mit dem Arzneimittel-Informationssystem in Arztpraxen sowie der Abschaffung der exklusiven Zyto-Verträge und dem Ende der Impfstoff-Ausschreibungen verbessert sich die Qualität in der Arzneimittelversorgung. Dass die Preisvertraulichkeit nun aus dem Gesetz gefallen ist, damit kann ich leben. Es ist im 21. Jahrhundert nur schwer vorstellbar, dass man Transparenz einschränkt anstatt sie zu erhöhen.“

Zur Erklärung: Im AMVSG ist außerdem vorgehen, dass Ärzte künftig besser und schneller über den Nutzen und die Wirksamkeit neuer Arzneimittel erfahren. Insbesondere die Krankenkassen hatten moniert, dass viele Mediziner nicht den Mehrwert und das Kosten-Nutzen-Verhältnis neuer Präparate kannten. Laut AMVSG soll der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) ermächtigt werden, Vorgaben für ein Informationssystem für die Praxissoftware zu entwerfen, in dem sich die Ärzte über neue Arzneimittel belesen können.

In den vergangenen Wochen hatte es beim AMVSG so viele Konfliktpunkte zwischen Union und SPD gegeben, dass viele Beobachter davon ausgegangen waren, dass das Gesetz im Koalitionsausschuss landet. Mit der heutigen Einigung steht nun aber fest, dass dem Bundestag am kommenden Donnerstag ein „beschlussfertiges“ Gesetz vorgelegt wird.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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