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Vertraulichkeit von Arzneimittelpreisen
Zwischen Geheimniskrämerei und absoluter Transparenz
Die Preise neuer Arzneimittel sollen in Zukunft geheim bleiben. Diesem Ergebnis des Pharmadialogs dürften auch die Regierungsfraktionen bei einem entsprechenden Gesetz im Bundestag zustimmen. Heftigen Widerstand gegen die Vertraulichkeit kommt allerdings aus den Reihen der Krankenkassen - und der Opposition.
Es ist eines der umstrittensten Ergebnisse des Pharmadialogs: Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat angekündigt, ein Konzept zur vertraulichen Behandlung der Erstattungsbeträge zu erstellen. Nur für die Arzneimittelversorgung wichtige Behörden und Institutionen sollen künftig erfahren, wie viel ein neues Originalpräparat wirklich kostet. Für die Pharmaindustrie geht es in erster Linie um die Referenzpreiswirkung: Man will vermeiden dass niedrige Preise in Deutschland sich negativ auf das Preisgefüge in ganz Europa auswirken.
Bei einer Diskussionsveranstaltung des Bundesverbandes der Arzneimittelhersteller (BAH) in Berlin deutete der Arzneimittel-Experte der Unionsfraktion Michael Hennrich (CDU) an, dass zumindest seine Fraktion sich nicht gegen die Vertraulichkeit versperren werde. „Das soll gesetzlich geregelt werden“, sagte Hennrich. Auf den Verhandlungen mit den Pharmaunternehmen habe ein „enormer Druck“ gelegen, als es um diesen Punkt ging. Die Hersteller hätten immer wieder vor dem „Kellertreppeneffekt“, also der Referenzpreiswirkung gewarnt.
Deutschland das letzte transparente Land
Hennrich wies auch darauf hin, dass Deutschland das einzige europäische Land sei, in dem die Erstattungspreise transparent behandelt würden. „Wir halten hier als letztes Land die Fahne der Transparenz hoch. Warum sollten wir das noch machen?“, erklärte der Berichterstatter für das Thema Arzneimittel der Unionsfraktion.
Weil zuletzt auch die Krankenkassen in diesem Punkt Gesprächsbereitschaft signalisiert hätten, habe man sich dafür entschieden, die Vertraulichkeit der Preise zu beschließen. „Den Krankenkassen zufolge können durch vertrauliche Preise auch Wirtschaftlichkeitsreserven gehoben werden.“
In Person von Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des vdek, reagierten die Kassen prompt – mit Unverständnis. „Es ist schwierig, dass der Arzt bei den Verordnungen nicht mehr weiß, welche Kosten das Medikament für die Solidargemeinschaft verursacht.“ Ohnehin sei nicht geklärt, wie man die Vertraulichkeit überhaupt umsetzen könne.
Wenn das BMG in den kommenden Monaten ein entsprechendes Gesetz mit den Ergebnissen des Pharmadialogs in den Bundestag einbringt, dürfte zumindest die Linksfraktion mit „Nein“ stimmen. Kathrin Vogler, gesundheitspolitische Sprecherin der Linksfraktion, zeigte sich mit Blick auf die geplante Vertraulichkeitsklausel beunruhigt. „Wie wollen wir in der Gesundheitspolitik dann noch Entwicklungen bei Arzneimitteln verfolgen und gegebenenfalls reagieren? Da geht bei mir ein Film los, da fühle ich mich wie in einer Black Box.“ Auch der Patient habe ein Recht auf Transparenz, wenn es um die Kosten seiner Therapie geht.
Streit über Arzt-Informationssysteme
Eine kontroverse Debatte führten die Diskussionsbeteiligten auch über ein weiteres Ergebnis des Pharmadialogs. Die Bundesregierung hat angekündigt, gemeinsam mit der Pharmaindustrie Arzneimittel-Informationssysteme zu entwickeln, mit denen Ärzte über den Zusatznutzen und die Anwendungsgebiete neuer Medikamente informiert werden. Der GKV-Spitzenverband hatte sich bereits massiv darüber beschwert, dass die Pharmaindustrie an der Erstellung dieser Systeme beteiligt werden soll.
In den Regierungsfraktionen ist man sich aber auch in diesem Punkt einig: Die Arzt-Informationen sollen kommen. Sowohl Hennrich als auch Martina Stamm-Fibich, Berichterstatterin Arzneimittel bei der SPD, begrüßten dieses Verhandlungsergebnis. Hennrich sagte, dies sei die „größte Hoffnung“, die er mit den Pharmadialog-Ergebnissen verbinde. „Endlich reden wir in der Arzneimittelversorgung mal nicht mehr nur über Preise, sondern auch über Qualität“, so der CDU-Politiker.
Stamm-Fibich wies darauf hin, dass Ärzte durch die Informationen bei der Auswahl neuer Medikamente künftig mehr Sicherheit hätten. „Nur so können neue Präparate nach dem langen Nutzenbewertungsverfahren auch bei den Patienten ankommen.“ Darüber dass die Pharmaunternehmen bei den Informationssystemen mitwirken dürfen, verloren beide jedoch kein Wort.
Auch in diesem Punkt reagierte jedoch die Oppositions-Politikerin Vogler besorgt. „Wir müssen aufpassen, dass die Arztsoftware nicht von einigen Unternehmen dafür genutzt wird, ihre Marktsituation zu verbessern.“
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