Interview Michael Scheffler (NRW-SPD)

„Wir sind geschlossen für das Rx-Versandverbot“

Berlin - 06.02.2017, 07:00 Uhr

"Ich würde dem Gesetz zustimmen", sagt NRW-SPD-Gesundheitsexperte Michael Scheffler auf die Frage hin, ob er Versandapotheken mit dem Rx-Versandverbot einen Strich durch die Rechnung machen würde. (Foto: Scheffler)

"Ich würde dem Gesetz zustimmen", sagt NRW-SPD-Gesundheitsexperte Michael Scheffler auf die Frage hin, ob er Versandapotheken mit dem Rx-Versandverbot einen Strich durch die Rechnung machen würde. (Foto: Scheffler)


Auf Bundesebene leistet die SPD-Bundestagsfraktion Widerstand gegen das Rx-Versandverbot. Im bevölkerungsreichsten Bundesland sieht das anders aus: Im Interview mit DAZ.online erklärt der sozialpolitische Sprecher der NRW-SPD-Landtagsfraktion, Michael Scheffler, warum er einiges unternehmen würde, um Apotheken vor der Versand-Konkurrenz zu schützen. Dass das nur ein Wahlkampf-Manöver ist, schließt Scheffler aus.

Gesundheitspolitik wird im Bund gemacht. Bis auf den Krankenhausbereich ist es der Bundestag, der in Deutschland Gesetze beschließt, die die Gesundheitsversorgung betreffen. Dass Gesundheit für die Länder kein großes Thema ist, merkt man auch daran, dass die meisten Länder gar kein Gesundheitsministerium haben.

Ein Bundesthema erregt in den Bundesländern aber derzeit die Gemüter der Sozial- und Gesundheitspolitiker: der Arzneimittel-Versandhandel. Kurz nach dem EuGH-Urteil sprachen sich die Bundesländer im Bundesrat dafür aus, den Rx-Versand zu verbieten. Ganz vorne mit dabei: Nordrhein-Westfalen. Wiederholt sprach sich NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) entschieden gegen mehr Freiheiten für den Versandhandel und für das Rx-Versandverbot aus. Nun legt sogar die NRW-SPD nach und stellt sich öffentlich gegen die Meinung der Bundestagsfraktion.

DAZ.online: Sehr geehrter Herr Scheffler, auf Bundesebene kämpft Ihre Partei gerade dagegen, den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu verbieten. Man hört, dass die SPD in Nordrhein-Westfalen anderer Meinung ist. Stimmt das?

Scheffler: Ja, das ist richtig. Ich kann natürlich nicht für die ganze NRW-SPD sprechen. Aber in der Fraktion haben wir eine geschlossene Meinung zu diesem Thema. Wir unterstützen die Bemühungen des Bundesgesundheitsministeriums, nach dem EuGH-Urteil die Apotheke vor Ort zu schützen und den Rx-Versandhandel zu verbieten.

DAZ.online: Warum?

Scheffler: Weil wir denken, dass der Versand von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln nicht richtig und zielführend ist. Es gibt zwei wichtige Punkte, die dagegen sprechen: Erstens ist die Arzneimittelberatung bei Rx-Medikamenten noch wichtiger als im OTC-Bereich. Im Versandhandel ist diese Beratung aus unserer Sicht schlichtweg nicht gewährleistet. Gerade ältere Menschen, die mehrere Medikamente gleichzeitig einnehmen, sind auf die stetige Beobachtung und Betreuung eines Apothekers angewiesen. Apotheker geben den Kunden Sicherheit. Zweitens ist jede Apotheke vor Ort ein wichtiger Bestandteil der Infrastruktur. Apotheker bieten Notdienste an, liefern Medikamente auch nach Ladenschluss im Notfall per Botendienst aus. Eine solche Präsenz kann der Versandhandel niemals zeigen. Wir müssen die Apotheker daher vor einer Wettbewerbsverzerrung schützen.

Landespolitiker wollen die Versorgung erhalten

DAZ.online: Im Mai wird in Ihrem Bundesland gewählt. Einige Player in der Branche werfen Ihnen vor, sich jetzt schützend vor die Apotheker zu stellen, um im Wahlkampf keine Kampagne der Pharmazeuten in den Straßen Nordrhein-Westfalens zu haben…

Scheffler: Man kann eigentlich immer jedes Thema mit dem Wahlkampf in Verbindung bringen. Fest steht, dass wir diese Meinung schon im Oktober, also kurz nach dem EuGH-Urteil, festgestellt haben. Als Landespolitiker ist es unsere Aufgabe, insbesondere die Versorgung im ländlichen Raum sicherzustellen und keine Versorgungsprobleme aufkommen zu lassen. Um das zu erreichen, können wir natürlich klar unsere Meinung sagen. Was die angeblichen Kampagnendrohungen der Apotheker betrifft, kann ich Ihnen nur sagen, dass ich keine Angst vor Streit und Diskussionen habe. Aber wenn jemand die besseren Argumente vorlegt, so wie die Apotheker in diesem Fall, folge ich natürlich den Argumenten.

DAZ.online: Sie kommen aus der Stadt Iserlohn im Sauerland. Gibt es denn da schon die von Ihnen angesprochenen Versorgungsprobleme?

Scheffler: Richtige Versorgungsprobleme gibt es bei uns noch nicht. Aber auch wir mussten in unserem Landkreis schon feststellen, dass die Apothekenzahl rückläufig ist. Bei uns mussten in den vergangenen zwei Jahren zwei Apotheken aufgeben, eine davon, weil kein Nachfolger gefunden wurde. Auch wenn die anderen Apotheken das noch gut abdecken können, geht damit Ortsnähe verloren, insbesondere für Menschen, die nicht mobil sind, ist das nicht schön.

„Wenn Apotheken schließen, geht die Ortsnähe verloren“

DAZ.online: Die Versandapotheken argumentieren ja, dass es den Rx-Versand nun länger als zehn Jahre gebe und dass deswegen keine Versorgungsprobleme entstanden seien. Außerdem sehen sie sich in ihrer Berufsfreiheit eingeschränkt und kündigen Verfassungsklagen an. Warum ist das Rx-Versandverbot trotzdem richtig?

Scheffler: Die Welt bleibt ja nicht so, wie sie war, durch das EuGH-Urteil hat sich die Marktlage verändert. Und auch in der Vergangenheit haben wir den Versandhandel nicht immer nur positiv betrachtet. Dass die Versandapotheken das Verbot nicht begrüßen, ist uns klar. Der Versandhandelsmarkt ist aber auch auf einige wenige Anbieter verteilt. Man kann von diesen Anbietern erwarten, dass sie sich dann andere Umsatzfelder erschließen. Und nochmal: Für mich als Landespolitiker hat die örtliche Daseinsvorsorge absoluten Vorrang. Jetzt gerade während einer Grippewelle will ich zum Beispiel einfach eine Apotheke in der Nähe haben, die nicht wegen des Konkurrenzdrucks zum Versandhandel schließt.

„Ich und meine Fraktionskollegen würden Gröhes Entwurf zustimmen“

DAZ.online: Nicht alle Sozialdemokraten stellen sich so klar hinter die Apotheker. Die gesamte Bundestagsfraktion der SPD kämpft derzeit dafür, den Rx-Versand zu erhalten…

Scheffler: Karl Lauterbach hat inzwischen aber auch schon Wege aufgezeigt, wie wir das Verbot trotzdem auf den Weg bringen könnten. Ich glaube, da ist jetzt Bewegung drin. Wir stehen im regen Meinungsaustausch mit unseren Kollegen in Berlin. Eine unterschiedliche Meinung zu haben, ist auch kein Beinbruch. Schon bald kommen wieder alle SPD-Gesundheitspolitiker zu einer Tagung zusammen. Wir werden unsere Position zum Versandhandel dann klar vertreten.

DAZ.online: Auch in anderen Bundesländern will man ja die Apotheker schützen…

Scheffler: Richtig. Ich bin beispielsweise sehr dankbar, dass auch die Gesundheitsministerin Niedersachsens, Cornelia Rundt, für das Rx-Versandverbot ist. Und Sie dürfen nicht vergessen, dass die Mehrheit der Bundesländer sich im Bundesrat klar gegen den Rx-Versand ausgesprochen haben. Unsere Landesregierung hat dort deutlich gemacht, dass wir die Apothekenstruktur erhalten wollen.

Hannelore Kraft hat sich noch nicht geäußert

DAZ.online: Haben Sie denn mit Ihrer Ministerpräsidentin über dieses Thema gesprochen?

Scheffler: Nein, sie hat sich noch nicht dazu geäußert. Sie dürfen aber davon ausgehen, dass Frau Kraft hinter unserer Meinung steht, wenn die Landesregierung im Bundesrat ein solches Vorhaben unterstützt.

DAZ.online: Kurz gefragt: Wenn Sie in Berlin mitabstimmen dürften, würden Sie dem Referentenentwurf von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) also zustimmen?

Scheffler: Ja, ich und meine Kollegen in der Fraktion würden uns für dieses Vorhaben aussprechen.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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2 Kommentare

Wahlaussagen der NRW SPD?

von Heiko Barz am 06.02.2017 um 11:39 Uhr

Bin mal gespannt auf die Meinung vom Euro-Martin und SPD- "Messias" Schulz, der ja in diesem Fall seine stringenten, eurospezifischen Grundsätze aufgeben müßte.
Der wird sich bis zur NRW Wahl zurückhalten, um der Diskussion des RX Versandverbots zu entgehen.

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Analoge-Lebensqualität ist einfach g e s ü n d e r.

von Christian Timme am 06.02.2017 um 8:06 Uhr

Ich gebe meine Gesundheit ungerne in die Hände von Politikern die gestern uneingeschränkt für die Zentralisierung, dann für die Globalisierung und jetzt in der Digitalisierung ihr Heil suchen. Veränderungen können auch etwas mit l e r n e n zu tun haben oder aber es bleibt was es schon zu lange ist, selber denken unerwünscht. Eigeninitiative scheint ein Fremdwort geworden zu sein. Denn unter Digitaler-Lebensqualität kann ich mir beim besten Willen nichts vorstellen.

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