Krankenkassen zum Pharma-Gesetz

Betriebsergebnis von 136.345 Euro reicht für Apotheker

Berlin - 17.08.2016, 07:20 Uhr

Keine 1119 Prozent bei 136.345 Euro: Aus Sicht der Krankenkassen verdienen die Apotheker so gut, dass jeder Mehrverdienst durch Honorar-Absenkungen in anderen Bereichen refinanziert werden müsste. (Foto: Sket)

Keine 1119 Prozent bei 136.345 Euro: Aus Sicht der Krankenkassen verdienen die Apotheker so gut, dass jeder Mehrverdienst durch Honorar-Absenkungen in anderen Bereichen refinanziert werden müsste. (Foto: Sket)


Dass die Krankenkassen gegen die geplanten Honorarsteigerungen für Apotheker protestieren, war klar. In der Stellungnahme des GKV-Spitzenverbandes zeigt sich nun, wie wenig Verständnis die Kassen dafür haben. Ein durchschnittliches Betriebsergebnis von 136.345 Euro rechtfertige kein Honorarplus, so die Kassen. In jedem Fall müsse nun die 3-Prozent-Marge gedeckelt werden.

Ganze 72 Seiten umfasst die Stellungnahme des GKV-Spitzenverbandes zum Referentenentwurf des Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetzes (AM-VSG). Immerhin fünf Seiten davon widmen die Krankenkassen den für die Apotheker geplanten Honorarsteigerungen. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) plant einen neuen Festzuschlag für die Rezepturherstellung, erhöhte Arbeitspreise für Rezepturen sowie eine Erhöhung der Pauschale für die BtM-Abgabe.

Insbesondere die Anpassungen im Rezepturbereich stört die Krankenkassen. Hier die Kritik des GKV-Spitzenverbandes im Einzelnen:

  • Der Kassenverband beklagt weiterhin einen „eklatanten Mangel an objektiven und aussagekräftigen Zahlen“ zum Apothekenhonorar. Es überrasche daher, dass die Anpassung vorgenommen werden soll, bevor die Ergebnisse des BMWi-Gutachtens feststehen. Die Kassen kommen daher zu dem Schluss: „Dies stellt die Sinnhaftigkeit des Forschungsvorhabens insgesamt in Frage, wenn der Gesetzgeber bei Änderungen der AMPreisV auf diese Informationen verzichtet.“

  • Außerdem widerspricht der neue, zusätzliche Festzuschlag für Rezepturen in Höhe von 8,35 Euro aus Sicht des Kassenverbandes der Systematik der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV). Die Kassen verweisen auf den derzeit schon bestehenden Festzuschlag für Rezepturen, der 90 Prozent des Einkaufspreises beträgt. Die Beratungsleistung bei Rezepturen sei in diesem Festzuschlag schon enthalten, argumentiert der GKV-Spitzenverband. Daher nun die Forderung: „Entsprechend müsste überprüft werden, welcher Anteil der Rezeptur- und Substanzzuschläge zur Vergütung der Beratungsleistung vorgesehen ist und eine entsprechende Absenkung dieser Aufschläge vorgenommen werden.“ Blieben beide Honorarkomponenten parallel erhalten, führe dies „zwangsläufig zu einer Doppelvergütung“.

1119 Prozent Honorarplus sind zu viel

  • Weiterhin argumentieren die Kassen, dass die Arbeit und die Ausgaben der Apotheker im Rezepturbereich zwangsläufig durch die Einnahmen mit Fertigarzneimitteln querfinanziert werden müssten. „Die Höhe der Rezepturzuschläge wurde […] so festgelegt, dass der Bereich der Fertigarzneimittel den Bereich der Rezeptur querfinanzieren soll“, heißt es in der Stellungnahme. Gebe es für Rezepturen nun mehr Geld, müsse automatisch das Fixhonorar für Fertigarzneimittel gesenkt werden, fordern die Kassen.

  • Der Referentenentwurf sieht vor, dass für den neuen Rezepturzuschlag auch der Kassenabschlag von 1,77 Euro gilt. Der bisher gültige fünfprozentige Rabatt auf alle Rezepturen soll abgeschafft werden. Der Wegfall des prozentualen Kassenabschlages koste die Versicherten mehr als 8 Millionen Euro pro Jahr, so der GKV-Spitzenverband. Auch der neue, fixe Kassenabschlag könne dies nicht kompensieren. Der Kassenverband hat aber einen Vorschlag zur Kompensation parat: Sollte es höhere Rezepturzuschläge geben, müsste gleichzeitig die 3-Prozent-Marge für Fertigarzneimittel gedeckelt werden. Eine ähnliche Rechnung hatten die Regierungsfraktionen von Union und SPD in einem Positionspapier vorgeschlagen. Erstmals bringen die Kassen jedoch eine konkrete Zahl ins Spiel: Der GKV-Spitzenverband sieht den Margendeckel bei 36,70 Euro. Mehr sollen die Apotheker mit ihrer Marge nicht verdienen.

Abschließend warnt der Kassenverband davor, die Versicherten finanziell zu belasten, um den Apothekern mehr Geld zukommen zu lassen. „Die Mehrausgaben durch die geplanten Honorierungserhöhungen von insgesamt mehr als 80 Millionen Euro pro Jahr müssen über höhere Zusatzbeiträge der Versicherten finanziert werden“, heißt es in dem Papier. Und weiter: „Ob es sinnvoll ist, diese Gruppe finanziell erneut zu belasten um den Forderungen der Apothekerschaft nach höheren Gewinnen nachzukommen, erscheint aus Sicht des GKV-Spitzenverbandes fragwürdig. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Betriebsergebnis einer durchschnittlichen Apothekenbetriebsstätte in Deutschland nach Angaben des Deutschen Apothekerverbandes im Jahr 2015 bei 136.345 Euro lag.“

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Doch damit noch nicht genug. Denn der GKV-Spitzenverband lehnt auch die vom BMG geplante Erhöhung der BtM-Gebühr strikt ab. „Der richtige Rahmen für eine Überprüfung der Angemessenheit wäre das Forschungsvorgaben des BMWi“, schreibt der Kassenverband. Auch hier müssten alle Mehrausgaben durch Absenkungen des Apothekenhonorars in anderen Bereichen refinanziert werden, so die Forderung. „Nicht nachvollziehbar ist eine Steigerung dieser Gebühr um 1119%“, heißt es abschließend.

Kassen kritisieren auch Pharma-Regelungen

Den Rest seiner Stellungnahme widmet der GKV-Spitzenverband einer ebenso scharfen Kritik an den vom BMG geplanten Änderungen im Pharma-Bereich. Der GKV-Spitzenverband lehnt die vertrauliche Listung der Arzneimittelpreise gänzlich ab. Er ist überzeugt, dass dieses Vorhaben unausweichlich zu Mehrausgaben für die Versichertengemeinschaft und zu einem starken Bürokratiezuwachs bei den Krankenkassen führen wird.

Wenn der Erstattungsbetrag nicht allen Akteuren zugänglich sei, die preisgebundene gesetzliche Aufgaben wahrnehmen, werde „die Funktionsfähigkeit zentraler Steuerungsinstrumente grundlegend eingeschränkt“, heißt es in dem Papier.

Der Kassenverband weist auch auf Auswirkungen auf den Apothekenmarkt hin: Ist der Erstattungsbetrag nicht öffentlich, stelle sich die Frage, auf welcher Grundlage Apotheker den Arzneimittelabgabepreis berechnen sollen, die Finanzämter die Umsatzsteuer, die Patienten ihre Zuzahlung. „Insofern stellen sich fundamental andere Probleme, wenn man einen bundesweiten Preis geheim hält und im Nachhinein abwickeln muss", bemängelt der GKV-Spitzenverband. 

Umsatzschwelle: Fehlanreize bleiben bestehen

Das BMG plant für neue Arzneimittel in Zukunft eine Umsatzschwelle in Höhe von 250 Millionen Euro. Überschreiten Pharmaunternehmen diese Schwelle, soll der zwischen Kassen und Hersteller ausgehandelte Erstattungsbetrag rückwirkend gelten.

Eine solche Umsatzschwelle hätte im Jahr 2015 nur für drei Arzneimittel Wirkung entfaltet und damit nur eine Spitze der hochpreisigen Medikamente abgefangen, argumentiert der Kassenverband. „Für einen Großteil der pharmazeutischen Unternehmer verbleibt damit der systematische Fehlanreiz, die Preisfreiheit im ersten Jahr gewinnbringend auszunutzen“, so der GKV-Spitzenverband. Sein Alternativvorschlag lautet: Der Erstattungsbetrag muss rückwirkend ab dem ersten Tag des Inverkehrbringens gelten.

Positiv sieht der GKV-Spitzenverband, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) künftig seine Beschlüsse über die Nutzenbewertung so aufzubereiten hat, dass sie für Ärzte im Praxisalltag einfacher und schneller zugänglich sind – und zwar in einer maschinenlesbaren Fassung zur Abbildung in der Praxissoftware. Die Regelung schaffe ein höchstmögliches Maß an Transparenz und Rechtssicherheit. Eine weitergehende Beteiligung der Dialogpartner – sprich der Pharmaverbände – bei der Erarbeitung einer Ärzteinformation lehnt der GKV-Spitzenverband strikt ab. „Die Industrieunabhängigkeit muss gewahrt werden“.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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5 Kommentare

Kassenfunktionärsbezüge in Höhe von 100.000 Euro sind ausreichend

von Thomas Luft am 17.08.2016 um 19:10 Uhr

Liebe Kassenfunktionäre,

ich tue es euch gleich und mache mir jetzt auch mal die Welt wie sie mir gefällt. Deshalb fordere ich eine Deckelung der Vorstandsbezüge von Angestellten der Krankenkassen auf maximal 100.000 Euro p.a. (inkl. 13. und 14. Monatsgehalt). Ich begründe das mit der geringen Verantwortung, die ein solcher Posten mit sich bringt, denn die Kassenchefs selbst schaffen keine wohnortnahen Arbeitsplätze für zahlreiche Teilzeitkräftige. Sie tragen keine große Verantwortung, denn wenn Sie Fehler machen hat das für sie keine persönlichen Konsequenzen, sie haften nicht mit allem was sie besitzen, sondern erhalten -wenn überhaupt- eine Kündigung.

Soweit die Polemik, die man dieser Kassenpolemik leider entgegensetzen muss.

Daher gleich die Frage an den DAV: wo bleibt das Gegenstatement? Sitzen "wir" das wieder mal auf, denn "es hätte schlimmer kommen können"? Oder wollen wir das Thema wie so oft medial nicht angehen, weil man damit Aufmerksamkeit erzeugt? Wenn nicht jetzt, wann dann?! Derzeit ist Sommerloch und wenn Herr Dr. Kern wirklich so gut vernetzt ist, wäre es doch ein Leichtes eine sachlich fundierte Replik auf diese Kassenforderung zu lancieren.

Bitte, bitte, lieber Fritz Becker, lass diese Kassenäußerung nicht so im Raum stehen!

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"Betriebsergebnis" - Kassen argumentieren oberflächlich!!

von Uwe Hansmann am 17.08.2016 um 14:36 Uhr

Die gleiche, unsaubere Nummer seitens der Kassen bezüglich unserer angeblich nicht vorhandenen "Sauberen Zahlen" hatten wir in 2013 schon einmal. damals ging es um das Schiedsverfahren zum Abschlag.

Ich zitiere aus einem seinerzeitigen DAZ-Artikel aus Nr.45/13:

"Hansmann appelliert an Fairness der Kassen

Unterstützung erhielt Becker vom stellvertretenden Vorsitzenden des Apothekerverbandes Niedersachsen, Uwe Hansmann. Er forderte die Kassenvertreter zu größerer Fairness auf: "Seien Sie ein fairer Vertragspartner!", so Hansmann in einer Erklärung. "Wenn Sie es mit dem Wort ‚Verhandlung‘ ernst meinen, dann erkennen Sie den durch ein gesetzlich bestelltes Schiedsverfahren seinerzeit festgelegten Basiswert von 1,75 Euro für den Abschlag endlich an."

Alle Zahlen zur wirtschaftlichen Entwicklung lägen von branchenkundigen Steuerberatern testiert vor, so Hansmann weiter: "Man muss sie nur auch lesen wollen. Und eben genau hier fängt die Pflicht für die GKV-Vertreter an, aus der wir sie nicht herauslassen werden!" Man habe die Reaktion der GKV auf die berechtigten und mit validen Zahlen gut begründete Forderungen der deutschen Apothekerinnen und Apotheker zur Absenkung des Abschlages – angesichts des bisherigen Umgangs der GKV-Vertreter mit unserem Berufsstand – erwarten können. "Dass es aber so niveaulos und unkorrekt seitens der Kassen abläuft, zeigt einmal mehr, welch Geistes Kind hinter dieser aus Mitgliedsbeiträgen gespeisten Führungskaste steckt", versteckte Hansmann seinen Ärger über die festgefahrenen Verhandlungen nicht hinter diplomatischen Formulierungen."

Zitatende.

Es ist dem auch aus heutiger Sicht nicht hinzuzufügen!

Wo bleibt die angemessene Reaktion unserer Standesvertreter? Oder gibt es wieder einen Maulkorberlass?

Hier muß dringend eine öffentliche Reaktion erfolgen!

Und lasst den Fritz Becker nicht im Regen stehen!

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GKV Postille

von Dr.Diefenbach am 17.08.2016 um 8:29 Uhr

Es reicht einfach.Was sind das für sozialistische Dinge?Ich brauche höchstens eine Seite um festzustellen,dass Kassenfunktionäre mit 200-300 TE Jahresgehalt völlig überdosiert sind,wenn ich die hier vorgegebenen Sachverhalte analysiere.Ich frage mich:WO bleibt Herr Dr.Kern mit einer Antwort.Diese Papiere kommen ja nicht ohne Vorwarnung auf den Markt.WELCHE Antwort gibt der DAV .Dass bei diesen Zahlenangaben ein für die andere Seite opportuner Sachverhalt gezimmert wurde,ist ohnehin klar.Auf jeden Fall :Hände weg von den 3 Prozent!!!

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AW: Vertreten

von T. La Roche am 17.08.2016 um 8:41 Uhr

Der Herr Kern ist nicht für die Apothekers da, auch nicht unbedingt für öffentliche Stellungnahmen, er macht Pressearbeit...das ist so etwas wie Internes Schweigen.

AW: unglaublich

von Gerrit Linnemann am 17.08.2016 um 9:26 Uhr

Die Art der "Argumentation" der GKV kann ich nur als widerlich bezeichnen:

eine Steigerung einer Gebühr von 1978 von 50 Pfennig (damals waren Btm sehr selten, da spielte der Dokumentationsaufwand keine Rolle, im Gegensatz zu heute) auf einen heute immer noch nicht angemessenen Betrag mit der Bermerkung „Nicht nachvollziehbar ist eine Steigerung dieser Gebühr um 1119%“ zu kommentieren ist einfach nur unterste Schublade, peinlich!

Wir reden von einem Betrag von 26 Cent, der erhöht werden soll, da wird einem noch nicht mal der Dreck unterm Fingernagel gegönnt...

Und tolle Leistung der ABDA, die Statistik von der typischen Apotheke auf einen mathematischen Durschschnitt unzustellen, der nur ein total verzerrtes Bild abgibt... wer und wieviele haben bitte so ein Betriebsergbnis?

Wo ist der Pressesprecher, wo ist die ABDA, wie immer nichts. Wenn man die ABDA abschaffen würde, bräuchte es aber tatsächlich mal eine Pressemeldung, es würde sonst keiner merken...

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