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Antibiotika rational und effektiv anwenden

Antibiotic Stewardship heißt mehr Verantwortung bei der Antibiose

jv | Die Situation um Antibiotika­versorgung und -resistenzen ist ernst, das machte Dr. Ulrich Warnke, Chefapotheker am Klinikum Ernst von Bergmann in Potsdam, eindrücklich klar. Auch Prof. Dr. Ulrike Holzgrabe sprach über Probleme und Herausforderungen bei Resistenzen und der Entwicklung neuer Wirkstoffe.

Die Gründe für die aktuelle Situation sind gut bekannt: Zunehmende Resistenzbildung, mangelnde Innovationen bei der Entwicklung und suboptimaler Einsatz der verfügbaren Arzneimittel. Für 2019 lassen sich die Todesfälle durch antibiotikaresistente Erreger auf etwa 1,27 Millionen beziffern.

Foto: DAZ/gg

Dr. Ulrich Warnke

Antibiotic Stewardship, so betonte Dr. Ulrich Warnke mehrfach, das bedeutet Verantwortung. Und Verantwortung übernehmen sollten Apothekerinnen und Apotheker besonders in Bezug auf die Entstehung von Resistenzen. Der unkritische Einsatz von Antibiotika sorgt für einen starken Selektionsdruck. Als „dreckiges Dutzend“ bezeichnete die WHO 2017 zwölf Bakterien-Stämme, für die dringend neue Antiinfektiva gebraucht werden, darunter besonders gramnegative Erreger.

Im April dieses Jahres verabschiedete das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) die neue Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie DART 2030. An verschiedenen Stellen in diesem Programm besteht die Chance und Notwendigkeit für pharmazeutische Verantwortung. Surveillance und Monitoring, sachgerechter Antibiotika­einsatz inklusive Labordiagnostik und Kommunikation und Kooperation: Im Antibiotic Stewardship können diese Aufgaben vereint werden, um die Verordnungs- und damit auch die Ergebnisqualität zu optimieren. Im Kern geht es dabei darum, für die Wirkstoffauswahl, die Dosierung, die Applika­tionsart und die Therapiedauer die richtige Entscheidung zu treffen.

Detaillierter beschreibt die aktuelle S3-Leitlinie „Strategien zur Sicherung rationaler Antibiotika-Anwendung im Krankenhaus“ die Bildung eines Teams bestehend aus einem Infektio­logen und einem Apotheker mit Bereichsweiterbildung Infektiologie oder jeweils mit ABS-Fortbildung sowie einem Facharzt für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie für die mikrobiologische Diagnostik und einem verantwortlichen Arzt für Krankenhaushygiene.

Ausweg Aut-simile-Austausch

Im Rahmen einer Aut-simile-Substitution kann nach Rücksprache mit dem verordnenden Arzt ein pharmakologisch-therapeutisch vergleichbares Arzneimittel abgegeben werden, wenn kein wirkstoffgleiches Präparat verfügbar oder lieferbar ist. Die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) ver­öffentlichte als Hilfestellung zur Umstellung eines Patienten auf einen alternativen Wirkstoff entsprechende Vergleichstabellen zu Äquivalenz- bzw. Tagesdosen zu ausgesuchten Wirkstoffklassen. Geben Sie den Webcode C3HV7 direkt in die Suchmaske auf DAZ.online unter www.deutsche apotheker-zeitung.de ein und Sie gelangen zur Übersicht der Tabellen zum Einsatz von Antibiotika bei Kindern und Erwachsenen.

Pharmazeutische Verantwortung kann hier bei der Surveillance des Antibiotikaverbrauchs übernommen werden. Dabei werden je Fachabteilung und Krankenhaus die Tagesdosen je 100 Pflegetage festgehalten und in nationalen Surveillance-Systemen verglichen. Auf Basis dieser Daten kann die Einhaltung lokaler und überregionaler Leitlinien angepasst an die regionale Erreger- sowie Resistenzlage überwacht werden.

Visiten mit einem Antibiotic-Steward­ship-Team sind ebenfalls Teil der Strategie. Diese sollen regelmäßig die antibiotischen Therapien inklusive Labordiagnostik evaluieren, damit Antibiotika indikationsgerecht eingesetzt werden. Auf Basis dieser Visiten soll das Antibiotic-Stewardship-Team in direktem Kontakt zu den Verordnenden Empfehlungen aussprechen und zur Schulung des Personals diese auch ausführlich erläutern. Diese direkte und kontinuierliche Fortbildung soll als sogenannte behaviour change technique das Verordnungsverhalten nachhaltig verbessern. Wenn der Antibiotikaeinsatz besonders schnell beeinflusst werden muss, sollten restriktive Maßnahmen eingesetzt werden.

Darüber hinaus wurde im April 2023 das EU-Pharmapaket ver­abschiedet. Dieses umfasst unter anderem zusätzliche Vergütungsanreize wie Gutscheine für die Verlängerung der Marktexklusivität eines Arzneimittels bei Einführung eines neuen Antibiotikums. Diese Gutscheine sollen auch handelbar sein. Auch das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungs­gesetz (ALBVVG) sieht Sonderregelungen für neue Reserveantibiotika vor. Dazu gehört weniger Regula­tion bei der Preisbildung.

Foto: DAZ/ck

Prof. Dr. Ulrike Holzgrabe

Trotz der schleppenden Entwicklung sind auch in den letzten Jahren noch Antibiotika auf den Markt gekommen, die zumindest einige Zuversicht erlauben, wie Prof. Dr. Ulrike Holzgrabe am Beispiel Cefiderocol zeigte, ein neues Cephalosporin mit verbesserter Lactamase-Stabilität und Penetrationseigenschaften. Cefiderocol ist wirksam gegen ein breites Spektrum gramnegativer Erreger und kann mithilfe eines komplexierten Eisenions über das Fe3+-Transportsystem in Bakterien eindringen.

Auch Phagen-Therapien könnten dazu beitragen, die Antibiotikalücke zu schließen. Diese sind kein neues Konzept, wurden aber lange vernachlässigt. Auch bei ihnen treten Probleme auf. Phagen sind spezifisch gegen einen Stamm wirksam und können daher nach einem Antibiogramm oder als Cocktail eingesetzt werden. Allerdings ist ihre Überlebensdauer im menschlichen Körper begrenzt, da sie von Immunzellen angegriffen werden. Die wiederholte Anwendung der gleichen Phagenart ist damit besonders schwierig, da das Immunsystem bereits auf sie sensibilisiert ist. Die auch in Phagen vorkommenden Endolysine sind Enzyme, die Bakterienmembranen hydrolysieren. Sie können auch als Einzelsubstanz eingesetzt werden, wie zum Beispiel in Cremes und Gelen aus Endopeptidase und Amidase zur Linderung von Symptomen bei Akne, Rosazea oder Ekzemen, wenn diese durch Staphylococcus aureus hervor­gerufen werden. |

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