Kongresse

Phytopharmaka bei Atemwegs­erkrankungen

Welche Empfehlung ist evidenzbasiert?

ck | In der Selbstmedikation von Erkältungskrankheiten spielt die Phytotherapie eine zentrale Rolle. Auch in verschiedene ärztliche Leitlinien haben Phytopharmaka Einzug gehalten, wie Prof. Dr. Robert Fürst und Dr. Christian Ude in ihren Vorträgen zeigten.
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Prof. Dr. Robert Fürst

Wichtig sei bei der Auswahl eines pflanzlichen Präparates genau zu schauen, ob es einen gesicherten Wirkungsnachweis aus kontrollierten Studien gibt. Und genau hier liegt ein Problem bei einer evidenzbasierten Auswahl: Phytotherapeutika enthalten in ihrem Vielstoffgemisch eine Reihe von potenziellen Wirkstoffen, der Wirkstoffgehalt und damit die Wirkung hängt von vielen Faktoren ab. Dazu zählen unter anderem die Herkunft der verwendeten Pflanzen, Extraktionsmethoden, Standardisierung und die Herstellungsverfahren. Deshalb sind verschiedene Extrakte untereinander nicht austauschbar, die Ergebnisse aus Studien mit einem Phytopharmakon können nicht für die untersuchte Pflanze verallgemeinert werden, sondern gelten grundsätzlich nur für das getestete Präparat, betonte Prof. Dr. Robert Fürst.

Komplexe Bewertung und Produktauswahl

Durch die unterschiedliche Zusammensetzung pflanzlicher Präparate sind Metaanalysen zu einzelnen pflanzlichen Wirkstoffen methodisch schwierig, wie Fürst anhand der Daten zum Einsatz der Phytotherapie bei Atemwegsinfekten, Rhinosinusitis, Pharyngitis und Bronchitis zeigte. Die Komplexität aus Wirksamkeitsnachweis und Zulassungsstatus wurde schnell deutlich: Zur kurzfristigen Prävention von Atemwegsinfekten steht ein Presssaft aus Purpursonnenhutkraut (z. B. in Echinacin®) zur Verfügung, zugelassen ab vier Jahren. Es gibt zwar auch noch positive Berichte zu Extrakten aus Kapuzinerkressekraut- und Meerrettichwurzel-Pulver, aber das Produkt Angocin® Anti-Infekt N hat für diese Indikation keine Zulassung.

Evidenzbasiert kann bei einer Rhinosinusitis laut S2k-Leitlinie ein (Misch-)Extrakt aus Eisenkraut, Enzianwurzel, Gartensauerampferkraut, Holunderblüten, Schlüsselblumen­blüten mit Kelch (in Sinupret® extract) empfohlen werden. Bei Erwachsenen mit bakterieller Sinusitis konnte ein deut­licher Nutzen auch für einen Pelargonium-sido­ides-Auszug belegt werden, das Präparat Umckaloabo® hat aber keine Zulassung für diese Indikation.

Red Flags beachten

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Dr. Christian Ude

Dr. Christian Ude von der Stern Apotheke in Darmstadt betonte, dass gerade scheinbar „banalen“ Erkrankungen wie Erkältungen immer aufmerksam begegnet werden sollte. Ja, diese Erkrankungen verlaufen meist harmlos, und klingen nach einer bis spätestens zwei Wochen von selbst wieder ab. Aber Symptome von Krankheitsbildern wie Rhinitis (Schnupfen, Katarrh der Nasenschleimhaut), Sinusitis (Entzündung der Nasennebenhöhle) oder Rhinosinusitis (gleichzeitige Entzündung von Nasenschleimhaut und Nasen­nebenhöhe), Halsschmerzen oder Husten schränken die Lebensqualität der Betroffenen stark ein und ihr Wunsch nach einer (rezeptfreien) Hilfe aus der Apotheke sollte Ernst genommen werden.

Unterschätzter Honig

Sowohl Prof. Dr. Robert Fürst als auch Dr. Christian Ude kamen bei der Frage nach rezeptfreier Hilfe bei Husten und Halsschmerzen auf Honig zu sprechen. Aus kleineren Untersuchungen sind positive Ergebnisse bekannt, die zeigen, dass durch Honig die Symptomatik gebessert und die Hustenfrequenz ähnlich wie durch Dextro­methorphan reduziert werden kann. Die Referenten schätzten Honig als einen sehr interessanten Ansatz ein, fraglich sei nur, wie man aus diesem komplexen Vielstoffgemisch ein Präparat in reproduzierbarer Arzneimittel­qualität herstellen will? Auch die Gefahr von unerwünschten Beimischungen müsse bedacht werden.

An erster Stelle gilt es im Beratungsgespräch zu prüfen, ob sogenannte Red Flags existieren, Hinweise darauf, dass die Grenzen der Selbstmedika­tion erreicht sind und dringend zu einem Arztbesuch geraten werden sollte. Bei Erwachsenen mit Husten zählen laut der Leitlinie neben Immundefizienz, akuter Herzinsuffizienz oder Verdacht auf Pneumonie auch blutiger Auswurf, Atemnot, Fieber über 38,5 °C und Heiserkeit dazu.

Häufiger nasal Glucocorticoide applizieren

Eine Möglichkeit der Selbstmedikation werde nach Ansicht von Ude leider zu selten eingesetzt. Wenn für eine verstopfte Nase eine Allergie ursächlich ist und diese Diagnose ursprünglich von einem Arzt gestellt wurde, ist bei Patienten ab 18 Jahren auch die nasale Applikation von Glucocorticoiden wie Mometason, Beclometason und Fluticason möglich. Die entsprechenden OTC-Arzneimittel wirken antiallergisch, entzündungshemmend, immunsuppressiv und abschwellend und gehen im Vergleich zu oralen Glucocorticoiden mit weniger unerwünschten Wirkungen einher. Sie könnten aus Udes Sicht noch häufiger aktiv empfohlen werden, als das momentan der Fall ist. Je „chronischer“ die allergische Rhinitis desto höher sei der Empfehlungsgrad innerhalb der Leit­linie. Die Wirkung tritt erst nach etwa zwölf bis 48 Stunden ein, daher kann eine Kombination mit H1-Antihist­aminika überlegt werden. In der Beratung sollten die Patienten darauf hingewiesen werden, dass die Sprays vor Gebrauch geschüttelt werden müssen, da die schlecht wasserlöslichen Wirkstoffe in einer Suspension vorliegen, und dass es als unerwünschte Wirkungen zu lokalen Reizungen und Nasenbluten kommen kann. Insgesamt schätzen die Leitlinien aber die Nutzen-Risiko-Bewertung nasaler Glucocorticoide als positiv ein.

Ja zu den pharmazeutischen Dienstleistungen

Ude schloss mit dem Hinweis, dass die Apotheke ganz eindeutig den Auftrag hat, im Rahmen der Selbst­medikation die Patientinnen und Patienten bei Atemwegsbeschwerden evidenzbasiert und leitlinienorientiert zu beraten und Arzneimittel zu empfehlen bzw. davon abzuraten. Einen wirklichen weiteren Mehrwert gerade bei Atemwegs­erkrankungen kann die Apotheke aber vor allem durch das Anbieten der pharmazeutischen Dienstleistungen für Patienten mit COPD, Asthma oder Mukoviszidose leisten. Sein aufforderndes Fazit dazu: „Nicht planen, überlegen oder abwägen – sondern machen!“ |

Meran gedenkt der Corona-Opfer

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Am 18. März wird italienweit der Gedenktag für die Verstorbenen der Corona-Pandemie begangen. Die Meraner Stadtverwaltung hat auf der Kurpromenade unter einer prächtigen Tulpen-Magnolie in Nähe der Postbrücke eine Stele aufstellen lassen, um die Erinnerung an die Verstorbenen lebendig zu halten. Die dreisprachige Inschrift auf der Stele erinnert an den traurigen Tag, an dem eine Kolonne von Lastwagen der italienischen Armee mit Hunderten von Särgen die von der ersten Corona-Welle besonders hart getroffene Stadt Bergamo verließ, um die Opfer der Pandemie aus der völlig überlasteten Stadt zur Einäscherung an einen anderen Ort zu bringen.

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