Schwerpunkt Reisen

Urlaub in Deutschland

Auch daheim lauern Gesundheitsgefahren

Foto : Jenny Sturm – Fotolia.com
Von Ines Winterhagen | Endlich ist es wieder so weit: Der große Urlaub steht vor der Tür. Warme Temperaturen ­locken die Daheimgebliebenen nach draußen in die freie Natur – zum Picknick im Park, Wandern im Wald oder Sonnen und Baden am Baggersee oder Meer. Doch auch in Deutschland steigt mit den Freuden des Sommers das Risiko, durch Bisse, Stiche und Vergiftungen einer Vielzahl von Tieren, zu erkranken. Je nach Urlaubsort lauern Nesselquallen, Zerkarien, Raupenlarven, Mäuse und – nicht zu vergessen – blutsaugende Insekten auf ihre ­Opfer. Mit den richtigen Verhaltensmaßnahmen lässt sich vielen Gefahren vorbeugen und die erholsamste Zeit des Jahres gesund und unbeschwert genießen.

Brennende Angelegenheit: Quallen

In der Urlaubszeit kommt es immer wieder vor, dass Schwimmer oder Taucher, aber auch Strandwanderer oder spielende Kinder in Kontakt mit Quallen geraten. Beheimatet an der Nord- und Ostsee ist die gelbe Haarqualle, umgangssprachlich auch Feuerqualle genannt. Bei Berührung mit ihren bis zu 30 Meter langen, fadenförmigen Tentakeln brechen die zahlreichen Nesselzellen ab und entleeren ein Gemisch ­höhermolekularer Proteintoxine. Diese verursachen einen sofort einsetzenden scharfen Brennschmerz, der oft mehrere Stunden anhält. Neben Blasenbildung und massivem Juckreiz schwillt die betroffene Hautregion an, und es entwickelt sich ein striemenförmiges Erythem, das normalerweise nach zwei Tagen wieder abklingt. Darüber hinaus reagieren einige Menschen bei wiederholtem Kontakt allergisch auf das Gift, es kann zu Kreislaufversagen und in seltenen Fällen zum anaphylaktischen Schock kommen.

Nach der Berührung einer Qualle gilt als erste Maßnahme, zügig das Wasser zu verlassen. Die an der Haut klebenden Fäden sollten auf keinen Fall abgespült werden, weder mit Meer-, noch mit Leitungswasser, denn dadurch platzen weitere Nesselkapseln auf, sondern ihr Gift ab und verstärken die Beschwerden. Auch Alkohol oder Weinessig sind tabu. In den meisten Fällen hilft es, Sand auf die betroffenen Hautstellen aufzustreuen und die nach dem Antrocknen darin haften bleibenden Tentakeln vorsichtig mit einem stumpfen Gegenstand wie einer Bankkarte oder Kinderschaufel zu entfernen. Auf keinen Fall sollte man versuchen, die Quallen­fäden mit einem Handtuch oder den bloßen Händen abzurubbeln.

Nach dem Entfernen der Nesseln kann die betroffene Haut mit einer Kühlkompresse (z. B. Cold-Hot-PackTM), einem Brand- und Wundgel (z. B. von Fa. Medice, Combudoron® Gel Weleda) oder einem speziellen Kühlgel (z. B. Kühl-Gel Dr. Mann, Fenistil® Kühl-Roll-on) versorgt werden. Lokale Antihistaminika (Soventol®, Fenistil®) lindern den Juckreiz. Bei großflächigen Quallenverbrennungen, sehr starken Schmerzen oder Anzeichen eines allergischen Schocks ist umgehend ärztliche Hilfe aufzusuchen oder der Rettungsdienst zu alarmieren. Ebenso sollten Eltern einen Arzt zu Rate ziehen, wenn Kinder mit Feuerquallen in Kontakt gekommen sind. Generell wird empfohlen, am Urlaubsort auf Warnhinweise bei Giftquallengefahr zu achten und nicht allein an einsamen Stränden zu baden.

Getrübter Badespaß wegen Wurmlarven

Nicht nur in den Tropen, sondern auch in Deutschland finden sich Zerkarien, Larven von Saugwürmern der Gattung Trichobilharzia, in stehenden Gewässern und damit vor allem in Badeseen, mitunter aber auch in Schwimmbädern oder Gartenteichen. Meist im Frühsommer, besonders nach Schönwetterperioden und bei Wassertemperaturen über 20 °C, bohren sich die Parasiten beim Schwimmen in die menschliche Haut, wo sie absterben. Denn der Mensch ist eigentlich ein Fehlwirt für die Saugwurmlarven, Endwirte sind normalerweise Wasservögel, vor allem Enten.

Bei einem Erstbefall treten an den Stellen, an denen die Larven eingedrungen sind, lediglich kleine, etwa 2 mm große gerötete Hautschwellungen und leichter Juckreiz auf. Nur nach wiederholter Zerkarieninfektion kommt es bei sensibilisierten Menschen zur eigentlichen Badedermatitis, bekannt auch unter den Namen Hundsblattern und Wasser- oder Weiherhippeln. Zehn bis 25 Stunden nach dem Eindringen der Larven entstehen erythemartige, ödematöse Quaddeln, die extrem jucken. Diese gehen später zunächst in kleine, derbe Papeln über und heilen im Verlauf von zwei bis drei Wochen folgenlos ab. Mitunter treten auch Fieber- und Schockzustände auf.

Im Akutstadium kann eine Behandlung mit juckreizstillenden Gelen oder Lotionen, lokal wirksamen Steroiden (z. B. Soventol® Hydrocort, FeniHydrocort®) und systemischen Antihistaminika erfolgen. Bereits sensibilisierte Personen sollten eventuell verseuchte Badestellen meiden, besonders die Uferzonen, wo sich Wasserschnecken aufhalten, die als Zwischenwirt für die Parasiten dienen. Es ist also sicherer, von einem Steg aus ins Wasser zu springen. Nach dem Schwimmen empfiehlt es sich, die nasse Badekleidung schnell abzulegen, sich zu duschen und die Haut kräftig abzureiben, um möglicherweise vorhandene Zerkarien zu entfernen.

Stechende und blutsaugende Insekten: Bienen, Wespen und Mücken

Mücken-, Bienen- oder Wespenstiche lösen lokale Reaktionen aus: Der Körper reagiert auf Fremdeiweiße aus dem Speichelsekret oder dem Insektengift. An der Einstichstelle bilden sich juckende Rötungen und schmerzhafte Schwellungen in Form von Papeln oder Quaddeln. Sehr selten führt die Reaktion auf einen Stich im Mund- und Rachenraum zur Obstruktion und damit zur Erstickungsgefahr. Zudem können schwere allergische Reaktionen auftreten wie ein anaphylaktischer Schock. Dieser äußert sich durch Kribbeln, Hitzegefühl an der Zunge und im Rachen, an den Handtellern und Fußsohlen, Nesselsucht, Schwellung der Lippen, Engegefühl in der Brust, Schweißausbruch und Bewusstlosigkeit. In diesem Notfall muss rasch medizinische Hilfe angefordert werden, denn Atemnot und Kreislaufbeschwerden sind lebensgefährlich.

Bei einem Bienenstich bleiben Stachel und Giftapparat fast immer in der Haut zurück und setzen weiter Gift frei. Als erste Maßnahme sollte daher der Stachel behutsam mit einer Pinzette entfernt oder mit einem scharfen Rasiermesser weggeschnitten werden. Alternativ ist er mit dem Fingernagel wegzukratzen, nicht aber mit den Fingern herauszuziehen, um nicht versehentlich die Giftblase auszudrücken. Bei Mücken- und Bremsenstichen sollte die juckende Einstichstelle nicht aufgekratzt oder durch reibende Kleidung mechanisch gereizt werden.

Generell können alle akuten, lokalen Stichreaktionen mit einem topischen Glucocorticoid oder Antihistaminikum (z. B. Fenistil®, Systral®, Soventol®, Azaron®) in Creme- oder Gelgrundlage behandelt werden. Über die Verdunstungskälte wirken bestimmte Medizinprodukte (Fenistil® Kühl-Roll-on, Systral® Kühl Gel oder Soventol® Stift Roll on Gel). Auch kaltes Wasser, Eiswürfel oder Kühlkompressen kühlen die Einstichstelle und helfen, die Schwellung zu begrenzen. Für Kleinkinder eignen sich besonders Produkte auf pflanzlicher oder homöopathischer Basis (z. B. Nurofen® Kühlstick, Insectolin® Gel, Coolakut® Stick & Sun Pflege-Gel). Zur Unterstützung der lokalen Therapie kann der Patient ein orales H1 -Antihistaminikum (z. B. Loratadin, Cetirizin) nehmen.

Bei Insektenstichen in Mund und Zunge heißt es in erster Linie, Ruhe zu bewahren. Gegen Schmerzen und Schwellungen können Eiswürfel oder Speiseeis gelutscht und Eiswickel um den Hals gelegt werden. Hat eine Biene oder Wespe jedoch in den tiefen Rachenraum gestochen, ist eine ärztliche Behandlung dringend erforderlich. Allergiker oder Patienten, die schon einmal einen anaphylaktischen Schock erlitten haben, sollten immer ein Notfallset (bestehend aus einem oralen Glucocorticoid, einem oralen Antihist­aminikum sowie einem Adrenalin-Autoinjektor) mit sich führen, besonders im Urlaub in abgelegenen Gebieten, wenn nicht sofort ärztliche Hilfe zur Verfügung steht. Patienten mit Asthma oder deutlicher Bronchialobstruktion bei früherer Anaphylaxie müssen zudem ständig ein rasch wirkendes, inhalatives β2 -Sympathomimetikum in greifbarer Nähe haben. Mit bestimmten Vorsichtsmaßnahmen kann man Insektenstichen vorbeugen (s. Kästen). 


Schutz vor Bienen- und Wespenstichen

  • Im Freien kein Fleisch, keine Süßspeisen, Bier und gezuckerte Getränke verzehren. Nicht direkt aus offenen Flaschen oder Getränkedosen trinken, weil ein Insekt hineingeklettert sein kann. Trinkgläser mit einem Bierdeckel o. ä. abdecken.
  • Mülleimer und Abfallkörbe meiden.
  • In der freien Natur nicht barfuß laufen.
  • Auffallende Gerüche am eigenen Körper vermeiden: Parfüm, Haarspray, Rasierwasser.
  • Insekten nicht reizen, keine hektischen, schlagenden Bewegungen machen.

Schutz vor Mückenstichen

  • Helle, geschlossene Kleidung tragen, die möglichst viel Haut bedeckt. Füße mit Socken schützen.
  • Feuchtgebiete bei Dämmerung meiden: Mücken sind besonders zu dieser Zeit aktiv.
  • Anwendung von Repellenzien auf freien Hautstellen (z. B. Nobite®, Autan®, Doctan®, Anti Brumm®); Wirkstoff und Konzentration nach Alter und Aufenthaltsort wählen; lückenlos über dem Sonnenschutz auftragen, Anwendung alle 4 - 8 Stunden wiederholen.

FSME

Zecken lauern überall in der Natur auf ihre Opfer: im Unterholz im Wald und an Waldrändern sowie im hohen Gras oder in Büschen von Parks und Gärten. Schon bei Temperaturen ab 7°C werden die Parasiten aktiv und begeben sich auf die Suche nach einem Wirt. Mit dem Stich saugen Zecken nicht nur Blut, sondern sie können dabei auch die Krankheits­erreger der Borreliose und der Frühsommer-Meningo­enzephalitis (FSME) übertragen.

Seit 2001 müssen FSME-Fälle in Deutschland an das zuständige Gesundheitsamt gemeldet werden. Auf dieser Basis veröffentlicht das Robert Koch-Institut (RKI) jährlich aktualisierte Karten zu den FSME-Risikogebieten in Deutschland. Die Hauptverbreitungsgebiete liegen in Baden-Württemberg und Bayern sowie in Südhessen und im südöstlichen Thüringen. Einzelne Risikogebiete befinden sich zudem in Mittelhessen, im Saarland, in Rheinland-Pfalz und in Sachsen. Aktuell sind 146 Kreise als FSME-Risikogebiete definiert. Bundesweit wurden 2015 insgesamt 220 FSME-Fälle gemeldet, etwas weniger als im Jahr davor (265). Je nach Region tragen 0,1 bis 5 Prozent der Zecken das FSME-Virus, lokal wurden auch höhere Durchseuchungsraten gefunden.

Der Stich einer infizierten Zecke führt nur bei etwa jeder dritten Person zu einer Erkrankung, die in zwei Phasen verläuft. 70 Prozent der Patienten zeigen nach durchschnittlich zehn Tagen zunächst Symptome wie bei einer leichten Sommergrippe mit allgemeinem Krankheitsgefühl, Kopfschmerzen und Fieber. Nach vorübergehender Besserung markiert ein erneuter Fieberanstieg wenige Tage später den Beginn der zweiten Krankheitsphase, die mit einem Befall des Nervensystems einhergeht. Jeder zweite Patient entwickelt eine isolierte Meningitis mit Kopfschmerzen, hohem Fieber, Übelkeit, gelegentlich auch Nackensteifigkeit. Rund 40 Prozent erleiden eine Meningoenzephalitis mit Bewusstseinsstörungen und Paresen. Dabei kann es zu Gesichtslähmungen, Sprech- und Schluckstörungen kommen. Weil es bisher keine kausale Therapie gibt, ist die FSME-Schutzimpfung für gefährdete Personen besonders wichtig.

Durch Freizeitaktivitäten im Grünen, wie Joggen, Wandern, Radfahren oder Zelten, sind Urlauber in Risikogebieten besonders gefährdet. Bei kurzfristig geplanten Aufenthalten können sie sich durch eine Schnellimpfung schützen. Hier erfolgt die zweite Impfung sieben (Encepur®) bzw. 14 Tage (FSME-Immun®) nach der ersten Impfung. Danach besteht bei 98 Prozent der Geimpften ein Schutz, der etwa ein Jahr anhält. Für einen längerfristigen Impfschutz sind drei Impfungen erforderlich. Idealerweise sollten die ersten beiden Impfungen in den Wintermonaten vorgenommen werden, damit im Frühjahr zu Beginn der Zeckensaison bereits ein wirksamer Schutz besteht. Auf die erste Dosis folgt ein bis drei Monate später die zweite; die dritte schließt sich nach neun bis zwölf Monaten an und komplettiert die Grundimmunisierung. Nach drei Jahren sollte die erste Auffrischimpfung stattfinden, weitere Booster sind bei Personen über 50 Jahre alle drei, ansonsten alle fünf Jahre fällig. Längere Impfpausen oder irreguläre Impfabstände erfordern keine erneute Grundimmunisierung.

Die FSME-Impfung ist allgemein gut verträglich. Vor allem jüngere Kinder reagieren häufig mit Fieber und grippe­ähnlichen Beschwerden. Daher ist bei Kindern unter drei Jahren die Notwendigkeit der Impfung sorgfältig zu prüfen, ebenso bei Personen mit Vorerkrankungen des ZNS, Autoimmunerkrankungen oder Allergien sowie (mangels vorliegender Erfahrungen) bei schwangeren und stillenden Frauen. Neben der Immunisierung schützt auch die Expositions­prophylaxe (s. Kasten „Schutz vor Zeckenstichen“).

Schutz vor Zeckenstichen

  • Zeckenvegetationen wie hohe Gräser, Sträucher und Unterholz meiden.
  • Helle, geschlossene Kleidung mit langen Ärmeln und lange Hosen tragen, Socken über die Hosenbeine ziehen.
  • Repellents (z. B. Autan® protection plus: Wirkstoff Icaridin 20%, ab 2 Jahren; Anti Brumm® forte: Wirkstoff DEET 30%, ab 12 Jahren) auf die Haut auftragen. Sie halten Zecken durch ihren Geruch fern, bieten allerdings nur für ca. vier Stunden einen gewissen Schutz.
  • Nach Aufenthalt in der Natur den ganzen Körper inklusive des behaarten Kopfes sorgfältig nach Zecken absuchen.
  • Auch Vierbeiner auf Blutsauger inspizieren. Zudem kann man Kontakt-Antiparasitika anwenden (Spot-on-Präparate: z. B. Exspot®, Frontline®; zeckenabweisende Halsbänder: z. B. Bolfo®, Preventic® Rp!) und Hunde gegen Borreliose impfen.

Was tun nach Zeckenstich?

  • Die Zecke möglichst rasch mit einer Pinzette oder einem speziellen Zeckenentfernungsinstrument wie Zeckenzange, Zeckenkarte oder Zeckenlasso entfernen.
  • Die Zecke im Kopfbereich so nah wie möglich an der Haut fassen (niemals am vollgesogenen Körper!) und vorsichtig und mit gleichmäßigem Zug gerade herausziehen. Alternativ kann die Zecke mit 2 - 3 Bewegungen nach rechts oder links herausgedreht werden.
  • Zecke nicht quetschen; auf keinen Fall mit Nagellackentferner, Öl oder Sekundenkleber ersticken.
  • Nach dem Entfernen der Zecke die Stichwunde gut mit Alkohol desinfizieren und während der nächsten Tage beobachten. Bei Auftreten einer kreisrunden Rötung oder allgemeinen Krankheitszeichen wie Fieber, Kopf- und Muskelschmerzen sowie Abgeschlagenheit unbedingt den Arzt konsultieren.
  • An den regelmäßigen FSME-Impfschutz denken (Gegen Borreliose gibt es keine Impfung für den Menschen!).

Lyme-Borreliose

Neben FSME-Viren werden auch Borrelien, die Erreger der Lyme-Borreliose, durch Zeckenstiche übertragen. Infektionen können in allen Teilen Deutschlands auftreten, wobei der Prozentsatz der Durchseuchung je nach Region sehr stark variiert. Laut RKI sind bis zu 30 Prozent aller Zecken mit Borrelien infiziert.

Symptomatisch äußert sich die Borreliose insbesondere über die Haut, das Nervensystem, die Gelenke und das Herz. Etwa drei bis 20 Tage nach einer Infektion tritt in der Umgebung des Stiches ein ringförmiges, randbetontes Erythem auf, das sich zentrifugal ausbreitet: die Wanderröte. Der Patient sollte dann unbedingt zum Arzt gehen. Die Therapie erfolgt mit verschiedenen Antibiotika, wobei Doxycyclin als Mittel der Wahl gilt. Kinder unter acht Jahren sowie Schwangere und Stillende erhalten meistens Amoxicillin. Eine Schutzimpfung gegen die Lyme-Borreliose steht für Menschen zurzeit nicht zur Verfügung (aber für Hunde).

Vorsicht, reizend: Eichenprozessionsspinner

Menschen sind nicht nur durch Stiche, sondern auch durch andere Arten von Insektenkontakten gefährdet. So können in Deutschland u. a. die feinen Gifthärchen von Raupen des Eichenprozessionsspinners (Thaumetopoea processinea) körperliche Reaktionen hervorrufen. Aufgrund des Klimawandels mit wärmeren Frühjahren hat sich der zuvor mehr in Süddeutschland heimische Eichenprozessionsspinner auch im Norden rasant vermehrt. Nach Angaben des Julius Kühn-Instituts in Braunschweig sind bereits zwölf Bundesländer betroffen. Die fünf Zentimeter langen, grauen Raupen bevorzugen lichte Eichenwälder, Waldränder und Einzelbäume. Auf Nahrungssuche wandern sie von Mai bis Juli in langen Reihen von ihren Nestern in die Astspitzen der Eichen. Dieser prozessionsartige Marsch gab den Insekten ihren Namen.

Ab dem dritten Larvenstadium tragen die Raupen dichte Büschel sogenannter Spiegelhaare. Diese mit Stacheln versehenen Gifthärchen werden mit dem Wind oder beim Passieren befallener Bäume auf den Menschen übertragen. Beim Eindringen in die Haut brechen sie ab und entlassen das in ihnen gespeicherte Gift Thaumetopoein, das vor allem aus Proteinen besteht. Nachfolgend wird Histamin freigesetzt, bei Folgekontakten auch eine IgE-vermittelte Typ-1-Reaktion ausgelöst. Es entsteht eine Dermatitis mit starkem Juckreiz, Rötung, Quaddeln und Bläschen. Sie tritt vor allem an unbedeckten Stellen wie Hals und Gesicht auf. Manchmal bilden sich insektenstichähnliche Knötchen oder Papeln. Die Hautveränderungen heilen unbehandelt nach etwa zwei Wochen wieder ab.

Als Sofortmaßnahme hilft unverzügliches Duschen mit Kopfwäsche, um die Härchen zu entfernen (nicht kratzen, da die Härchen dadurch noch tiefer in die Haut dringen). Die Behandlung erfolgt symptomatisch mit cortisonhaltigen Externa sowie mit systemischen Antihistaminika.

Gelangen die Härchen ins Auge, kommt es dort zu einer akuten Bindehautentzündung mit Rötung, Lichtscheu und starker Schwellung der Augenlider. Dann sollte ein Arzt konsultiert werden, ebenso bei einer Beteiligung des Respirationstraktes, weil hier mitunter der Einsatz inhalativer Beta­mimetika und inhalativer Corticoide erforderlich ist.

Prophylaktisch ist jeglicher Kontakt mit den Raupen zu vermeiden, auch mit deren leeren Nestern, weil sich dort meist noch Härchen oder Häutungsreste befinden. Die Härchen können bis zu 200 Meter weit fliegen und sich im Unterholz ablagern. Sie bleiben über mehrere Jahre giftig. Somit besteht die Gefahr einer Kontakturtikaria noch lange nach ­Ende Juli.

Hantaviren

Hantaviren kommen weltweit vor und lösen unterschiedlich schwere Krankheitsformen aus. Die Erreger werden über Nagetiere wie Mäuse und Ratten auf den Menschen übertragen, in Süd- und Westdeutschland hauptsächlich über die Rötelmaus, im Norden des Landes über die Brandmaus. Die Anzahl der Krankheitsfälle beim Menschen variiert von Jahr zu Jahr und ist abhängig von der Dichte und der Durchseuchung der lokalen Nagetierpopulation. Laut RKI leiden im Durchschnitt 500 Menschen jährlich an einer Hanta­virus-Infektion. Diese zählt in Deutschland zu den fünf häufigsten, meldepflichtigen Viruserkrankungen – neben Hepatitis C, Influenza sowie Norovirus- und Rotavirus-Infektion. 2012 wurden 2824 Fälle berichtet, die höchste Zahl seit Einführung der Meldepflicht 2001. Zu den Risikogebieten ge­hören die Schwäbische und Fränkische Alb, der Raum Osnabrück, Unterfranken, der Odenwald, Oberschwaben, der Bayerische Wald sowie Ost-Hessen und West-Thüringen.

Die Übertragung der Hantaviren auf den Menschen erfolgt durch Inhalation von Ausscheidungen (Speichel, Kot oder Urin) der infizierten Nager. Seltener findet eine Ansteckung durch den Biss eines infizierten Tieres statt. Die Inkubationszeit beträgt normalerweise zwei bis vier Wochen. Oft verläuft die Infektion symptomlos. Bei einem Teil der Infizierten tritt plötzlich einsetzendes Fieber auf, das über drei bis vier Tage anhält, begleitet von Kopf-, Gelenk- und Rückenschmerzen, Schüttelfrost, Husten sowie ausgeprägten gastrointestinalen Beschwerden. Im weiteren Verlauf kann es zu Kreislaufstörungen und Einschränkungen der Nierenfunktion mit Hämaturie und Proteinurie bis hin zu dialysepflichtiger Niereninsuffizienz kommen. Bei Infektionen mit in Deutschland vorkommenden Virustypen (Puumala- und Dobrava-Belgrad-Virus) steht diese Verlaufsform mit grippeähnlichen Symptomen und Nierenbeteiligung im Vordergrund. Hämorrhagische Verläufe sind sehr selten, eine zum Schock führende schwere Hypotension fehlt meist.

Behandelt werden ausschließlich die Symptome. In schweren Fällen muss die Nieren- und Lungenfunktion unterstützt werden. Für die Gabe des Virustatikums Ribavirin liegen aufgrund einer unklaren Studienlage keine Empfehlungen vor. Da es weder eine Schutzimpfung noch eine gezielte Therapie gibt, ist die Prophylaxe umso wichtiger:

  • Kontakte mit Nagern vermeiden,
  • nach dem Aufenthalt im Freien oder in Kellern, Schuppen und auf Dachböden sorgfältig die Hände waschen,
  • Lebensmittel und Tierfutter sicher und fest verschlossen aufbewahren sowie
  • Abfall in verschließbaren Mülltonnen entsorgen.

Q-Fieber

Milde Winter haben auch zur Verbreitung des Q-Fieber-Erregers in Deutschland beigetragen, woraufhin die Infektionszahlen in den letzten Jahren rasant angestiegen sind. Aktuell mehren sich die Fälle besonders in Baden-Württemberg. Beim Gesundheitsamt Esslingen sind im Januar 2016 bereits 20 Infektionen gemeldet worden, mehr als im Gesamtjahr 2015 mit 17 Erkrankungsfällen.

Das Q-Fieber wird durch das hochkontagiöse, gramnegative Bakterium Coxiella burnetii ausgelöst, schon ein einzelner Erreger kann zur Infektion führen. Wirtstiere sind vor allem Paarhufer wie Rinder, Schafe und Ziegen, aber auch Heim- und Wildtiere. Die Infektion des Menschen erfolgt hauptsächlich aerogen durch Inhalation kontaminierten Staubes eingetrockneter Ausscheidungen oder durch direkten Kontakt zu infizierten Tieren. Ebenso kann das Verarbeiten von Fleisch oder anderen tierischen Produkten zu Infektionen führen, eine Übertragung durch fertige Nahrungsmittel (Rohmilch, Rohkäse) spielt hingegen eine eher untergeordnete Rolle.

Große Erregermengen werden von infizierten Tieren mit der Nachgeburt und dem Fruchtwasser ausgeschieden. Sie können mit dem Wind über kilometerweite Strecken verbreitet werden. Neben Personen in der Landwirtschaft und Tierzucht sind vor allem Camper in der Nähe von Nutztierstallungen gefährdet.

Die Inkubationszeit beträgt in der Regel zwei bis drei Wochen, bei massiver Exposition nur wenige Tage. Ungefähr die Hälfte aller Infektionen verläuft asymptomatisch oder mit milden grippeähnlichen Beschwerden, die nach ein bis zwei Wochen wieder abklingen. Bei den übrigen Betroffenen beginnt die Infektion meist mit hohem Fieber, Schüttelfrost, Muskelschmerzen und ausgeprägten Stirnkopfschmerzen. Im weiteren Verlauf kann die Erkrankung zu einer atypischen Pneumonie und granulomatösen Hepatitis sowie selten auch zu einer Myokarditis, Perikarditis oder Meningoenzephalitis führen. Bei Infektionen oder reaktivierten Erkrankungen in der Schwangerschaft drohen Abort oder Frühgeburt. In ein bis zwei Prozent der Fälle entwickelt sich eine chronische Infektion. Der Erreger kann in vielen Organen persistieren. Die häufigste Organmanifestation ist die Q-Fieber-Endokarditis, die vor allem bei Patienten mit vor­geschädigten Herzklappen oder einer bestehenden Immunsuppression entsteht.

Aufgrund der möglichen Chronifizierung sind eine frühzeitige Behandlung von Erkrankten und die serologische Nachuntersuchung der Infizierten wichtig. Mittel der Wahl bei akutem Q-Fieber ist das Antibiotikum Doxycyclin über einen Zeitraum von zwei bis drei Wochen. Es kann in speziellen Fällen mit Clarithromycin oder einem Fluorochinolon der Gruppe 3 oder 4 kombiniert werden. Bei einer Meningoenzephalitis kommen alternativ Chinolone oder Chloramphenicol in Betracht.

Die Behandlung der chronischen Infektion gestaltet sich schwierig und sollte von erfahrenen Infektiologen durch­geführt werden. Für infizierte Schwangere eignet sich Trimethoprim-Sulfamethoxazol. Vom Stillen wird abgeraten, da C. burnetii in die Muttermilch übertreten kann.

Präventive Maßnahmen liegen primär im Verantwortungsbereich der Veterinärmedizin, doch auch der einzelne Mensch kann sich vor der Infektion schützen. Er muss den direkten Kontakt zu infizierten Tieren und deren Ausscheidungsprodukten meiden, auf äußerste Hygiene achten und Milch vor dem Trinken erhitzen. |

Quellen

www.rki.de

CRM Handbuch Reisemedizin. Düsseldorf 2016

Mebs D. Gifttiere: Ein Handbuch für Biologen, Toxikologen, Ärzte und Apotheker. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2000

Reisemedizin: Was bei Kontakt mit Quallen zu beachten ist. Dtsch ­Arztebl 2009;106(28-29):A-1438/B-1226/C-1194

Stock I. Frühsommer-Meningoenzephalitis – Virale Erkrankung ohne ­spezifische Therapieoptionen. MMP 2016;39(5)

Winterhagen I. Die Zeckensaison ist eröffnet – Tipps gegen die Gefahr aus dem Freien. DAZ 2015;155(17)

Winterhagen I. Sie hat gestochen! – Prophylaxe und Behandlung von ­Insektenstichen. DAZ 2014;154(25)

Przybilla B, Rueff F. Insektenstiche – Klinisches Bild und Management. Dtsch Arztebl Int 2012;109(13):238-48

Krüger DH, Ulrich RG, Hofmann J. Hantaviren als zoonotische Krankheitserreger in Deutschland. Dtsch Arztebl Int 2013;110(27-28): 461-7

Buchholz U. Rickettsiose – Q-Fieber: Wie man Risikopersonen vor Sekundärfolgen schützt. Dtsch Arztebl 2003;100(30):A-1990/B-1652/C-1557

Autorin

Ines Winterhagen hat in Marburg Pharmazie studiert und ist seit der Approbation 2003 in der öffentlichen Apotheke tätig. Sie ist Fachapothekerin für Offizinpharmazie, Homöopathie und Naturheilkunde. In der Reihe „Beratungspraxis“, die im Deutschen Apotheker Verlag erscheint, schrieb sie die Bücher „Neurodermitis“ und „Psoriasis“. Sie ist Referentin und Mitglied im Weiter­bildungsausschuss der LAK Baden-Württemberg.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.