Heimversorgung

Versorgt, verblistert

Bericht vom Darmstädter Blistersymposium

Foto: DAZ / diz
Von Peter Ditzel | Der Erfahrungsaustausch stand im Mittelpunkt des Darmstädter Blistersymposiums. Pfleger, Ärzte und Apotheker trafen sich auf Einladung der Firma Omnicell am 13. April, um Praxisberichte aus Pflegeheimen, Arztpraxen und Apotheken zu hören. Die Vorträge zeigten: Wenn’s gut werden soll, ist eine gute Kommunikation zwischen Pflegeheim, Arztpraxis und Apotheke das A und O. Das Neuverblistern von Arzneimitteln kann die Arzneimittelsicherheit verbessern.

Verblistern für den ambulanten Pflegedienst

Wie die Zusammenarbeit zwischen einem Pflegedienst und einer Apotheke ablaufen kann, stellte Maria Scharnik vom Pflegeteam Marienhöhe, Darmstadt, vor. Für einen ambulanten Pflegedienst ist der Umgang mit Arzneimitteln eine besondere Herausforderung. Als Stichworte nannte die Geschäftsführerin des Pflegedienstes das Thema Sicherheit, Zeitprobleme (Auffinden der Arzneimittel, Überprüfung der Haltbarkeit), das Richten der Arzneimittel, die Aktualität der Arzneimittelpläne und die Lagerung der Arzneimittel.

Wie sieht es mit der Wirtschaftlichkeit dieser Aufgaben aus? Für das Richten von Arzneimitteln erhält der Pflegedienst 5,83 Euro, hinzu kommt die Anfahrtspauschale von 5,62 Euro, macht zusammen 11,45 Euro. Werden die Arzneimittel zu Hause nur verabreicht, darf der Pflegedienst nur 3,37 Euro plus Anfahrtspauschale 5,62 Euro abrechnen.

Um die Wirtschaftlichkeit zu erhöhen, insbesondere um mehr Zeit für andere Tätigkeiten zu haben, kann die Kooperation mit einer Apotheke für den Pflegedienst von Vorteil sein, so Scharnik. Den Ablauf der Zusammenarbeit stellte die Pflegerin wie folgt dar: Der Pflegedienst erhält eine Verordnung für häusliche Krankenpflege über Medikamentengabe und das Richten von Medikamenten vom behandelnden Arzt. Der Pflegedienst leitet die Daten/Informationen für den Patienten an die Apotheke weiter. Der behandelnde Arzt schickt das Rezept und den Medikamentenplan direkt an die Apotheke. Die Apotheke richtet die Medikamente im Blister nach dem Plan des Arztes in der Regel für eine Woche. Die Apotheke liefert den Blister (und andere Medikamente) an den Pflegedienst, der die verblisterten Medikamente zum Patienten bringt und für die ordentliche Einnahme sorgt. Der Arzt unterrichtet die Apotheke über Änderungen, die Apotheke blistert die Änderungen nach. Die Apotheke rechnet am Ende des Monats mit dem Pflegedienst ab. Für das Erstellen des Blisters erhält die Apotheke einen vereinbarten Betrag (hier 4 Euro pro Woche pro Patient).

Einmal monatlich rechnet die Apotheke alle Rezepte von allen Patienten mit dem Pflegedienst ab. Hierfür erstellt die Apotheke eine Gesamtrechnung, die der Pflegedienst verauslagt, und für jeden Patienten eine Monatsabrechnung. Die Apotheke erhält die Rezeptgebühr und den vereinbarten Betrag für das Verblistern vom Pflegedienst. Der Pflegedienst gibt die Monatsabrechnung der Apotheke an den Patienten weiter und erhält von diesem die Gebühr. Der Pflegedienst rechnet das Richten der Medikamente und das Verabreichen der Medikamente mit der Krankenkasse ab.

Die Vorteile für die Apotheke liegen darin, dass die Apo­theke alle Rezepte des Kunden bekommt. Durch den Pflegedienst hat die Apotheke einen Multiplikator für neue Kunden. Die Vorteile für den Pflegedienst liegen in der Zeitersparnis, da das gesamte Medikamentenmanagement entfällt. Die Arzneimittelsicherheit ist durch die Apotheke professionell gewährleistet.

Foto: Omnicell

Das Darmstädter Blistersymposium bot einen Erfahrungsaustausch rund um die Arzneimittelversorgung im Heim.

Kommunikation ist Kooperation

Wie eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Arzt, Apotheke und Pflegepersonal aussehen kann, zeigte der Arzt Dr. Markus Jaeger-Rosiny. Die Herausforderungen sind hoch: Nicht selten ist die Arzneimittelapplikation in Pflegeheimen aufwendig (besondere Zubereitungen, Tropfen, Suppositorien, Infusionen), die Patienten sind „schwierig“ (Demenzpatienten, Palliativpatienten, Schluckstörungen, multimorbide Patienten), die Therapieschemata sind kompliziert (viele Arzneimittel über den Tag verteilt), häufige Bedarfsmedikation, BtM, hinzu kommen besondere Therapien wie Marcumartherapie, Insulintherapie, Sondenversorgung.

Zur Bewältigung dieser Herausforderung gründete Jaeger-Rosiny mit anderen Ärzten das Ärztenetz elan, ein „Heimarzt“-Projekt. Das Ärztenetz elan ist ein kollegialer Zusammenschluss von ca. 50 Haus- und Fachärzten in der Region Elbe, Luhe und Nordheide und dem Krankenhaus Winsen-Luhe. Ziel des Ärztenetzes ist es, trotz immer komplexer werdender Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen, eine menschliche und qualitativ hochwertige Versorgung sicherzustellen. Im Vordergrund steht dabei der Erhalt einer wohnortnahen und persönlichen haus- und fachärztlichen Versorgung. Zu diesem Ärztenetz gehören beispielsweise regelmäßige Qualitätszirkel (Pfleger, Ärzte, Apotheke). Alle relevanten Unterlagen werden patientenbezogen dokumentiert, die Ärzte informieren sich gegenseitig bei Änderung der Medikation. In der ambulanten Pflege unternimmt der Arzt regelmäßig (alle vier bis sechs Wochen) Hausbesuche. Dazwischen führen bedarfsabhängig Medizinische Fachangestellte (MFA) Visiten durch für Wund- und Medikationschecks. Auch für die Zusammenarbeit zwischen Pflegedienst, Arztpraxis und Apotheke erarbeitete das Ärztenetz routinierte Kommunikationswege, so dass die Versorgung der Patienten effektiv und effizient erfolgt. Wie Jaeger-Rosiny betonte, ist es wichtig, verbindliche Kommunikationswege festzulegen, ein regelmäßiges Feedback (Qualitätszirkel) durchzuführen und Zuständigkeiten zu definieren. Erleichtert wird die Kommunikation durch Einrichtung „smarter“ Kommunikationswege wie VPN-Tunnel zur sicheren Datenübertragung, für E-Mail und Messengersysteme. Und, ganz wichtig: Der Umgang aller Beteiligten „auf Augenhöhe“, die Wertschätzung der Kompetenzen untereinander.

Verblistern für Patienten zu Hause

Apotheker Guido Adler von der Kolping-Apotheke in Mechernich verblistert seit über acht Jahren. Zurzeit stellt er pro Woche für über 300 Patienten Blister her (System fill 2 light von Omnicell), davon für 34 Patienten, die zu Hause mit einem Blister versorgt werden. Um diesen Geschäftszweig erfolgreich zu betreiben, ist es wichtig, alle Mitarbeiter im HV zu schulen, um potenzielle Patienten für die Verblisterung zu gewinnen (Generation 60 plus, Patienten mit Polymedikation, schlechter Compliance) und pflegende Angehörige auf diese Dienstleistung aufmerksam zu machen. Als Vorteil für den Patienten wird die Erleichterung im Alltag angeführt: Verwechslungen sind ausgeschlossen, keine Reichweitenprobleme und ggf. eine Reduktion der vorhandenen Medikation. Die Adler-Apotheke hält für diese Infos Musterblisterkarten bereit und Infoflyer. Außerdem werden die Ärzte darauf angesprochen.

Ist der Patient von der Verblisterung überzeugt und nimmt er diese Dienstleistung in Anspruch, schließt die Apotheke eine schriftliche Vereinbarung, die u. a. eine Regelung für den Urlaub des Patienten enthält und den Hinweis an den Patienten, die Apotheke zu informieren, falls ein Krankenhaus-, Reha- oder Kuraufenthalt ansteht. Außerdem verpflichtet sich der Patient, seine Rezepte nur noch in dieser Apotheke einzulösen. Und er wird darauf hingewiesen, dass nicht alle Arzneimittel (BtM, Tropfen, Zäpfchen, Salben, Cremes, akute Medikation usw.) verblistert werden können. Der Patient zahlt pro Wochenblister 2,50 Euro.

Nach Einschätzung von Apotheker Adler bietet die Blisterversorgung große Vorteile für Patient, Arzt und Apotheke; sie ist ein starkes Alleinstellungsmerkmal und öffnet neue Versorgungsmärkte. Allerdings bedarf diese Dienstleistung einer detaillierten Planung im Vorfeld.

WestGem-Studie

Apotheker Olaf Rose, Elefanten-Apotheken Steinfurt, stellte die WestGem-Studie vor. Ziel der Studie war es, nationale Daten zu Medikationsanalysen zu erheben. Im Mittelpunkt des Projekts, das vom Land Nordrhein-Westfalen und der Europäischen Union gefördert wird, steht die Ausgestaltung eines professionsübergreifenden Medikationsmanagements für ältere Menschen. Erstmals wurde in zwei Modellregionen ein Casemanagement eingerichtet, das durch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, Pharmazeutinnen und Pharmazeuten sowie durch die örtliche Pflege- und Wohnberatung getragen wurde und den Patienten eine verbesserte und somit sicherere Arzneimittelversorgung bieten sollte.

Für die Studie rekrutierte man 180 Patienten über 65 Jahre, die fünf oder mehr systemisch verfügbare Arzneimittel erhalten, an drei oder mehr chronischen Krankheiten leiden, davon eine kardiovaskuläre Diagnose. Im Mittelpunkt der Studie stand u. a. die interprofessionelle Zusammenarbeit der Heilberufe, Stichwort Medikationsmanagement: Lösen und vermeiden von arzneimittelbezogenen Problemen in interdisziplinären Teams, Förderung der interdisziplinären Zusammenarbeit, Verbesserung der Patienten-Compliance. Die vorgestellten Ergebnisse zeigten, dass die Patienten davon profitierten, wenn Studienpharmazeuten Vorschläge zur Therapieoptimierung an Hausärzte weitergaben.

Mitarbeiter gezielt auswählen

Je besser die Mitarbeiter, umso besser geht’s der Apotheke – davon ist Beatrix Mannel, Stadion-Apotheke in Bad Salzungen, überzeugt. Sie stellte ihre Maßnahmen vor, wie sie Mitarbeiter auswählt. Beim Vorstellungsgespräch achtet sie besonders auf das Wissen, die Erfahrung und die Ausbildung. Sie fragt nach der Bereitschaft sich weiterentwickeln zu wollen, versucht die Kreativität auszuloten, die Flexibilität und die Belastbarkeit. Dabei geht sie mithilfe einer Checkliste vor. Da der Arbeitsmarkt für pharmazeutisches Fachpersonal sehr angespannt ist, schaltet sie ganzjährig Anzeigen auf kostenlosen Plattformen. Von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die nicht ins Team passen, hat sie sich getrennt. Während sie früher 33 Mitarbeiter beschäftigte, kommt sie heute mit 25 aus – „ich schaffe mit weniger Mitarbeitern mehr, weil es die richtigen sind“.

So fängt man mit dem Verblistern an

Als die Heimleitung auf seine Apotheke zukam, die Arzneimittellieferungen so schnell wie möglich auf eine Verblisterung umzustellen, war dies eine große Herausforderung, wie Hans-Albert Henz, Apotheke St. Barbara in Friedrichsthal, berichtete. Um das Heim nicht zu verlieren, entschloss er sich nach Rücksprache mit seinen Mitarbeitern, diese Herausforderung anzunehmen: „Was andere können, können wir auch!“ Bei der Auswahl nach einem geeigneten Blisterkonzept entschied er sich für den Kartenblister von Omnicell.

Er richtete einen Blisterraum in seiner Apotheke ein nach den Vorschriften der Apothekenbetriebsordnung und bestückte ihn mit einer Regalwand für die Medikamentenkästen, mit Kästchen für die Arzneimittel der jeweiligen Heimbewohner, farblich nach Stationen sortiert, und einem Computerarbeitsplatz. Zu den konkreten Vorbereitungen gehörten die Schulung für das Computerprogramm, die Personaleinsatzplanung, die Planung des zeitlichen Ablaufs, die Information der versorgenden Ärzte und eine Infoveranstaltung im Pflegeheim für die Pflegekräfte.

Der Start erfolgte arztweise, was den Vorteil hatte, so Henz, das die Stationen nicht überfordert waren. Es wurden die erhaltenen Daten (Patientendaten, Arzneimittel, Dosierungen, Bestände) ins System eingepflegt, der Einnahmeplan fürs Heim gedruckt. Nach etwa zwei Monaten konnten alle 150 Heimbewohner über die Verblisterung versorgt werden. Anfängliche Startschwierigkeiten mit Ärzten und Pflegern konnten nach persönlichen Gesprächen und Erläuterungen darüber, wie das Blistersystem funktioniert, aus dem Weg geräumt werden.

Der Arbeitsaufwand pro Woche beläuft sich für die Blisterherstellung auf 13 Stunden, für weitere Arbeiten wie Bestellfaxe, Blisterkontrolle und Fahrten fallen weitere sieben Stunden an, so dass sich für die Apotheke insgesamt ein Aufwand von 20 Stunden ergibt.

Die patientenindividuelle Verblisterung auch anderen Apothekenkunden anzubieten, stieß in seiner Apotheker bisher nur auf geringe Nachfrage, wie er resümierte. Seit etwa fünf Jahren verblistert er für zehn bis 15 Patienten, die mit dieser Dienstleistung allerdings sehr zufrieden sind und 25 Euro/Monat hierfür bezahlen.

(Ein Vortrag von Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas, Freiburg, befasste sich auf dem Blistersymposium mit der Frage, wie die Heimversorgung durch Apotheken unter den Vorzeichen des Antikorruptionsgesetzes zu sehen ist. Siehe hierzu den Beitrag „Gesetz mit Abschreckungspotenzial“ von Dr. Douglas in dieser DAZ-Ausgabe.) |

Autor

Apotheker Peter Ditzel, Herausgeber Deutsche Apotheker Zeitung

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