Heimversorgung

Bis zum eigenen Ruin?

Ein Kommentar zur Altenheim-Belieferung von Andreas Willmann

Foto: Willmann

Andreas Willmann

Vielen Apotheken gilt die Belieferung von Altenheimen als erstrebenswert. Sie verspricht eine hohe Anzahl günstiger Packungen, wodurch verhindert werden kann, in einen Handelsspannenausgleich beim Großhandel zu geraten. Für Manche dürfte auch ein Umsatzgewinn interessant sein. Wieder anderen bietet die Heimbelieferung Chancen, sich pharmazeutisch dem zu widmen, was sie ursprünglich gelernt haben wie AMTS und gerontologische Pharmazie. Zudem treten in vielen Heimen Fachkräftemangel und Strukturprobleme auf, die aus eigener Kraft nicht zu beheben sind.

Seit einigen Jahren wird die Zusammenarbeit zwischen Apotheken und Altenheimen über einen Heimliefervertrag geregelt. Darin ist vorgeschrieben, dass der Apotheker das Heim vollumfänglich mit Arzneimitteln, Hilfsmitteln und Medizinprodukten beliefert – alles aus einer Hand, ohne die freie Apothekenwahl einzuschränken. Die meisten Modelle mit wechselnden Apotheken laufen aus naheliegenden Ordnungs- und Praktikabilitätsgründen aus.

Zu den weiteren Pflichten der Apotheke gehören halbjährlich die Überwachung der Medikamente und deren sachgerechte Lagerung sowie die Schulung zur sachgerechten Lagerung und zum Umgang mit Arzneimitteln und Hilfsmitteln. Mit den Änderungen hat sich die Qualität der Belieferung in den meisten Fällen verbessert. Apotheken bieten Altenheimen inzwischen vielfältige Dienstleistungen an wie beispielsweise die Neuverblisterung. Sie stellt heute einen oft geforderten Service dar, um mit einem Altenheim einen Belieferungsvertrag abschließen zu können. Nach grober Berechnung spart das Altenheim eine Vollzeitkraft pro hundert Bewohner, wenn eine Apotheke vollumfänglich das Rezeptmanagement und die Verblisterung für das Altenheim übernimmt.

Das Rezeptmanagement ist vielfältig und umfasst Rezeptbestellung, Rezeptbesorgung, Reichweitenberechnung und Dokumentationsabgleich. Dazu gehört auch das Einlesen der Gesundheitskarten bei den Haus- und Fachärzten, auch wenn dieser Service nicht gerade zu den pharmazeutischen Kernkompetenzen zählt. So wird dank apothekerlichem Leistungspaket Arbeitskraft im Altenheim für die eigentliche Pflegeauf­gabe frei.

Geschieht die Verblisterung maschinell, so ist eine weitere Stufe der Heimqualität erreicht. Bekanntlich werden überall, wo Menschen arbeiten, Fehler gemacht, so auch beim Stellen der Tabletten und besonders dann, wenn den Pflegekräften die Zeit dafür fehlt, sich auf diese Aufgabe zu konzentrieren. Eine Maschine ist dagegen weit weniger fehleranfällig. Dosettenmanipulationen sind ausgeschlossen.

Ein wichtiger Punkt, der mit dem Verblistern in den Fokus pharmazeutischer Dienstleistung rückt, ist der Wechselwirkungs-Check bei der Einnahme verschiedener Arzneimittel. Arzneimitteltherapiesicherheit bedeutet nichts anderes als die vollständige Prüfung denkbarer Wechselwirkungen. Der Apotheker ist aufgrund seiner pharmazeutischen Kompetenz, seines Wissens um die gesamte Arzneimittelversorgung von Patienten und abgestimmt mit dem Arzt in der Lage, Mehrfachversorgungen zu vermeiden, Wechselwirkungen aufzudecken und problematische Folgen zu verhindern. So wird dem Patienten wirksam geholfen, oft aber auch echtes Leid abgewendet.

Wo stehen wir heute? Die Heime lagern immer mehr Arbeit außerhalb ihrer Kernaufgaben aus, und die Apotheken sind ihnen dabei eine unverzichtbare Stütze. Blistern, 24/7-Betreuung, AMTS oder gerontologische Pharmazie sind die Stichworte, obwohl schon lange nicht mehr von einer Voll­belieferung zu sprechen ist. Denn Inkontinenzprodukte, ­Enteralia, Diabetika oder Wundversorgung werden oft schon aus anderen Kanälen geliefert, die dafür Hygienebeauftragte stellen oder Inventarlisten für die Heime anfertigen. Angesichts des absurden Urteils des Oberlandesgerichts Celle, das die Zuverlässigkeit von Heimverträgen infrage stellt, fragt man sich, ob man weiter mit hohen Personalkosten sein Helfersyndrom ausleben und sich einer potenziell ­selbstruinösen Ethik verschreiben soll.

Andreas Willmann, Wilnsdorf, Stellv. Vorsitzender des Bundesverbands klinik- und heimversorgender Apotheker (BVKA)

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