Kammerversammlung Brandenburg

Von Porschefahrern und Nadelstichen

Potsdam - 22.06.2023, 15:29 Uhr

Der ABDA-Kommunikationschef war zu Gast bei der Kammerversammlung Brandenburg. (Foto: LAKBB)

Der ABDA-Kommunikationschef war zu Gast bei der Kammerversammlung Brandenburg. (Foto: LAKBB)


In Brandenburg ist die Situation für die Apotheken nicht besser als in anderen Teilen der Republik. Immerhin: Der erfolgreiche Protesttag, die ersten erfüllten Forderungen aus dem 10-Punkte-Katalog und die neu aufgestellte ABDA-Kommunikation geben Hoffnung. Zu Gast bei der Kammerversammlung am gestrigen Mittwoch war der neue ABDA-Pressechef Benjamin Rohrer. Er gab einen Einblick, wie die ABDA ihre Ziele in der Politik weiterverfolgen will – denn das Honorarthema bleibt für sie ganz oben auf der Agenda.

Wer in der Apotheke arbeitet, weiß es: Die Lage hat sich in den vergangenen Monaten zugespitzt: steigende Kosten, Inflation, eine verschärfte Personalsituation – und eine Schließungswelle, die weiter Fahrt aufgenommen hat. Bundesweit ist die Apothekenzahl unter 18.000 abgesackt – und auch Brandenburg ist von diesem Trend nicht verschont geblieben. Wie der Präsident der Landesapothekerkammer Brandenburg, Jens Dobbert, bei der gestrigen Kammerversammlung in Potsdam berichtete, schlossen 2022 zehn Apotheken im Bundesland für immer. Im laufenden Jahr kamen weitere sieben hinzu, sodass es jetzt noch 546 Apotheken in Brandenburg gibt. „Und ich vermute: Das Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht“, so Dobbert. Auch die finanzielle Situation ist bekannt: Der Kassenabschlag ist im vergangenen Februar auf 2 Euro gestiegen, während das apothekerliche Fixhonorar seit über einem Jahrzehnt stillsteht. Die Versorgung gesetzlich Versicherter ist nach den Daten der Treuhand Hannover zum Zuschussgeschäft geworden. Was die – längst nicht überwundenen – Lieferengpässe betrifft, sei immer öfter festzustellen, dass der Großhandel Arzneimittel nicht liefern kann. Frage man bei den Herstellern selbst, seien sie verfügbar – allerdings ohne die gewohnten Konditionen. Zugleich haben die Apotheken es mit einem Bundesgesundheitsminister zu tun, dessen Haus ein „Faktenblatt“ an Journalistinnen und Journalisten herausgibt, das zeigt, dass man dort von Betriebswirtschaft wenig weiß.

Immerhin: Beim Engpassgesetz gab es Bewegung. Nullretaxationen, unter anderem bei Nichteinhaltung von Rabattverträgen, sollen untersagt und die Präqualifizierung für die Hilfsmittelabgabe für den apothekerlichen Regelfall abgeschafft werden. Angesichts der jüngsten Retaxationen der IKK Classic wegen einer fehlender Dosierangabe auf Rezepten für Rezepturen hofft Dobbert nun, dass die Kassen die Zeit bis zum Inkrafttreten der des ALBVVG nicht dazu nutzen, noch weitere Retaxwellen zu starten.

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Und Dobbert sieht weitere positive Wendungen: Aus der Imagekampagne der ABDA sind die Plakate mit den Sprüchen: „Geht nicht, gibt’s nicht“ oder „Weil’s Spaß macht“ verschwunden. Zudem ist der Protesttag am 14. Juni klar als Erfolg zu verbuchen. Zwar habe es auch in Brandenburg Apotheken gegeben, die aus verschiedenen Gründen nicht mit protestieren wollten – der Kammerpräsident selbst tauschte seinen Notdienst an diesem Tag mit einer Kollegin, die ihn offenbar gern übernahm. Dennoch: Die Resonanz war positiv – ob im direkten Gespräch mit den Menschen oder auch in der Presse. Auch wenn es vereinzelt noch immer Medien gebe, die komplexe Sachverhalte nicht verstünden und es bequemer fänden „Porsche fahrende Apotheker durchs Dorf zu jagen“. 

Es wird jetzt zurückgegiftet!

Zu Gast bei der Kammerversammlung war diesmal ABDA-Kommunikationschef Benjamin Rohrer – er hat zum 15. April den neuen Posten übernommen – und hatte in den vergangenen Wochen bereits einiges zu tun. Auch in Brandenburg, wo man zuvor ein massives Problem mit der ABDA-Pressearbeit hatte, ist man froh über den frischen Wind. Rohrer stand dem Kammerpräsidenten und den Delegierten Rede und Antwort. Dabei machte er deutlich, dass sich in den vergangenen Wochen bereits einiges in der Pressearbeit verändert habe. Die Anfragen von Medien haben sich massiv erhöht – natürlich auch bedingt durch den Protesttag. Aber Rohrer versprach auch sonst bei einem neuen Stil zu bleiben: „Wenn uns irgendjemand angiftet – wie zum Beispiel die IKK Classic – dann giften wir zurück“. So etwas werde man sich nicht mehr gefallen lassen.

Nadelstichstrategie für den Sommer

Wissen wollten Dobbert und die Delegierten natürlich, ob die ABDA nun so lautstark wie zuletzt bleiben werde. Das konnte Rohrer nur mit einem bedingten Ja beantworten. Der Protesttag am 14. Juni sei ein „vorläufiger Höhepunkt“ in der Eskalationsstrategie gewesen, der sich nicht eins zu eins wiederholen lasse. Diese Strategie habe die ABDA-Mitgliederversammlung beschlossen, um den Zehn-Punkte-Forderungskatalog durchzusetzen. Nachdem es erste Signale aus der Politik für ein Entgegenkommen gegeben hatte, allerdings nicht beim Honorar, sei man Schritt für Schritt vorangegangen. Mittlerweile sind mit dem (fast verabschiedeten) Engpassgesetz drei Punkte aus dem Forderungskatalog umgesetzt worden. Der Protesttag hatte ein wohlbedachtes Timing, wie Rohrer betonte. „Im August nochmal so ein Ding zu machen, würde verpuffen“, erklärte er. Stattdessen habe sich der ABDA-Vorstand entschieden, über den Sommer eine „Nadelstichstrategie“ zu fahren. Man werde immer wieder mit kleineren Maßnahmen an die Forderungen erinnern. Denn die Forderung nach einer Honoraranpassung wird die ABDA nicht fallenlassen. Rohrer versprach: Hier werde weitergebohrt – auch wenn noch nicht ganz klar sei, auf welchem Weg. Zugleich warnte er auch vor zu hohen Erwartungen: Selbst wenn man im Herbst nochmals eine Welle schlage, heiße das nicht, dass das Fixhonorar erhöht werde. Eine Kausalität zwischen Lautstärke und Honorar gebe es nicht. Und die Politik sei einfach sehr weit weg davon, hier etwas zu tun. Vielmehr schienen die Ampelvertreter zu erwarten, dass die Apotheken erst einmal dankbar dafür sind, was mit dem ALBVVG für sie erreicht wurde.

AByou – die Guerillatruppe der ABDA

Eine weitere Frage rankte um die Nachwuchsinitiative AByou. Nicht für jede:n scheint auf den ersten Blick verständlich, welche Aufgabe diese zwar vergleichsweise jungen, aber doch etablierten Apotheker:innen übernehmen. Wo sei ihre Legitimation und laufe man nicht Gefahr, dass so etwas geschieht, wie beim Bundesverband der Pharmaziestudierenden, dem man viele Möglichkeiten der Beteiligung eingeräumt hat, der aber zum Beispiel bei der Zukunftsklau-Kampagne nicht dabei sein wollte. Rohrer betonte, dass hinter AByou authentische junge Kollegen und Kolleginnen stünden, die auch noch in 30 Jahre ihre Apotheken führen wollen. Sie seien nicht in den ABDA-Gremien, „aber sie gehen für uns viral“. Auch das sei für die Kommunikation wichtig. „Sie sind unsere Guerillatruppe“, sagte Rohrer. Man könne sicher sein: „Wenn wir ein Spray-Kit an fünf Leute schicken und die machen davon Fotos, dann haben wir in einer Woche eine Reichweite von 20.000 bis 30.000 Klicks.“

Push für pharmazeutische Dienstleistungen

Daneben setzt die ABDA weiter auf ihre bekannten Kampagnen – im Vordergrund stehen dabei derzeit das E-Rezept, die pharmazeutischen Dienstleistungen und die Nachwuchsgewinnung. Was die pharmazeutischen Dienstleistungen betrifft, ermunterte Rohrer die Apotheker:innen erneut, diese anzubieten – „messen Sie zumindest Blutdruck!“. Die jüngsten Zahlen zu den abgerechneten Dienstleistungen seine „ernüchternd“. Das Geld im Fonds werde immer mehr – wenn hier nicht was passiere, werde man Argumentationsprobleme bekommen. Die ABDA setzt durch ihre Kampagne nun auch darauf, die Nachfrage zu erhöhen. Damit die Apothekenkunden und -kundinnen die Leistungen nachfragen, müssen sie diese natürlich auch kennen.


Kirsten Sucker-Sket
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Eskalation

von Roland Mückschel am 22.06.2023 um 17:06 Uhr

Ich dachte es gäbe eine Eskalationsstrategie.
Aber leider nein, nur eine Resignationsstrategie.

Herr du hast viel gelitten, aber Apotheker warst du nie.

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ABDA

von Ka El am 22.06.2023 um 16:43 Uhr

Eine Kausalität zwischen Lautstärke und Honorar gebe es nicht. Und die Politik sei einfach sehr weit weg davon, hier etwas zu tun.

Klingt nach Resignation.

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