Reaktionen auf BMG-Eckpunkte zur Vermeidung von Lieferengpässen

GKV-Spitzenverband: „Weihnachtsgeschenk für die Pharmaindustrie“

Berlin - 20.12.2022, 16:15 Uhr

Doris Pfeiffer, Chefin des GKV-Spitzenverbandes, fordert einen Medikamentengipfel statt Weihnachtsgeschenke für die Pharmaindustrie. (b/Foto: GKV-Spitzenverband)

Doris Pfeiffer, Chefin des GKV-Spitzenverbandes, fordert einen Medikamentengipfel statt Weihnachtsgeschenke für die Pharmaindustrie. (b/Foto: GKV-Spitzenverband)


Die Eckpunkte für ein Gesetz zur Vermeidung von Lieferengpässen stoßen auf ein geteiltes Echo. Grundsätzlich begrüßen alle betroffenen Verbände, dass das BMG aktiv geworden ist. Während der GKV-Spitzenverband jedoch von einem „Weihnachtsgeschenk“ für die Pharmaindustrie spricht, hält der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie die Pläne für „zu kurz gesprungen“.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat es in den vergangenen Tagen immer wieder beteuert: „Wir haben es mit der Ökonomisierung auch in der Arzneimittelversorgung mit patentfreien Medikamenten übertrieben“. Bei Kinderarzneimitteln spüre man die Konsequenzen nun besonders hart. „Deswegen werden wir die Preisgestaltung von Kinderarzneien radikal ändern“, erklärte er heute anlässlich der Vorlage der Eckpunkte für ein Gesetz, mit dem künftig Engpässe vermieden werden sollen.

Für die Krankenkassen bedeutet das Mehrausgaben – denn unter anderem sollen sie Mehrkosten übernehmen, wenn Apotheken zur Versorgung junger Patientinnen und Patienten auf teurere Arzneimittel ausweichen müssen. Zudem sollen die Festbeträge und Rabattverträge für wichtige Kinderarzneimittel abgeschafft werden. Die Preise für Kinderarzneien können sogar angehoben werden – um bis zu 50 Prozent über dem aktuellen Festbetrag.

Für Apotheken, die wegen des Austauschs versorgungskritischer Arzneimittel mit dem Arzt Rücksprache halten müssen, soll es 50 Cent extra geben. ABDA-Präsidentin Gabriele Overwiening hat bereits deutlich gemacht, dass diese Summe aus Apothekersicht eine „Frechheit“ ist – auch wenn sie andere der geplanten Maßnahmen begrüßt.

Die 50 Cent regen offensichtlich nicht einmal den GKV-Spitzenverband zu spontaner Kritik an. Verbandschefin Doris Pfeiffer kritisiert dafür die „Weihnachtsgeschenke für die Pharmaindustrie“. Die Industrie habe mit nicht eingehaltenen Lieferverträgen „vielen Patientinnen und Patienten große Probleme bereitet und das Gesundheitswesen, von den Pflegekräften über die Ärzteschaft bis hin zum Apothekenpersonal, enorm unter Stress gesetzt“. Ob dadurch, dass die Unternehmen für Kinderarzneimittel, Krebsmedikamente und Antibiotika den Festbetrag um 50 Prozent erhöhen können sollen, künftig Medikamente verlässlicher in Richtung Europa geliefert oder vielleicht sogar wieder mehr produziert werden, stehe in den Sternen. Nötig sei vielmehr ein „Medikamentengipfel, bei dem von der Politik über die Apothekerschaft bis hin zu der Pharmaindustrie und den Krankenkassen alle wichtigen Akteure an einem Tisch sitzen“. Auch eine verpflichtende Transparenz und Meldeketten bei Lieferproblemen sowie die Pflicht zu einer Mindestbevorratung sind aus GKV-Sicht wichtig. Dass das Bundesgesundheitsministerium (BMG) diese Punkte angehe, sei gut, so Pfeiffer.

Lauterbach wies die Kritik der Krankenkassen zurück. „Ich glaube, das ist in erster Linie mal ein Geschenk an die Kinder“, sagte er. Die Kinder hätten in der Pandemie auf vieles verzichten müssen. „Da kann es nicht sein, dass wir in der Weihnachtzeit den Kindern jetzt die Medikamente nicht bieten können. Dieses Geld ist da. Und das werden wir auch zur Verfügung stellen.“ Auch wenn mit Mehrkosten zu rechnen sei – diese seien „nicht beitragssatzrelevant“.

Pro Generika: Es geht an die Wurzel des Problems

Zuspruch für die Eckpunkte gibt es von Pro Generika. Geschäftsführer Bork Bretthauer erklärte: „Das Bundesgesundheitsministerium hat endlich erkannt, dass das Hauptsache-Billig-Prinzip bei Generika die Versorgung destabilisiert hat und zu Engpässen führt.“ Es sei gut, dass es jetzt gegensteuern und in einzelnen Bereichen den extremen Kostendruck lockern wolle. Damit gehe es an die Wurzel des Problems. „Das ist vor allem mit Blick auf die Kinderarzneimittel richtig, denn zuletzt war die Herstellung dieser Arzneimittel für die Unternehmen unwirtschaftlich geworden“, so Bretthauer. 

Lieferengpässe bei Kinderarzneimitteln (Teil 2): Die Industrie

„Inflationsausgleich bei Festbeträgen einpreisen“

Richtig sei auch, dass für mehr Diversifizierung der Anbieter und Lieferketten bei zunächst einigen Wirkstoffen gesorgt werden soll. Aus Sicht von Pro Generika sollten aber generell immer mehrere Hersteller einen Zuschlag bekommen.

Die Eckpunkte seien nun der Startschuss für einen längeren Prozess. „Der Spardruck der letzten Jahre hat jedoch massive strukturelle Spuren hinterlassen, die nicht über Nacht beseitigt werden können“, betont Bretthauer. Eine Steigerung der Produktion beziehungsweise ein Ausbau von Produktionskapazitäten werde Monate und zum Teil sogar Jahre in Anspruch nehmen. Daher müssten jetzt alle Akteure im Gesundheitssystem gemeinsam mit Verantwortungsbewusstsein und Pragmatismus zusammenarbeiten, um die Versorgung der Patientinnen und Patienten in Deutschland sicherzustellen.

BPI: Die gesamte Grundversorgung ist betroffen!

Kritischer gibt man sich beim Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI). „Die Probleme der kaputten Preise wurden zwar erkannt, aber die Umsetzung ist zu kurz gesprungen“, erklärte der BPI-Vorsitzende Hans-Georg Feldmeier. Die Lieferproblematik betreffen nämlich nicht nur Kinderarzneimittel, sondern die gesamte Grundversorgung. Positiv sieht aber auch Feldmeier die geplante Anpassung der Rabattverträge, mit der das Lieferrisiko auf mehrere Schultern verteilt werden soll. Wichtig sei auch, dass immer auch ein Partner aus einem EU-Land beteiligt werden muss. Noch sei aber unklar, welcher Anteil der Wirkstoffproduktion in der EU überhaupt gemeint ist.

Dass die Preisregeln bei bestimmten Medikamenten verändert werden sollen, ist aus BPI-Sicht ein Schnellschuss, der der aktuellen Mangellage geschuldet ist. „Die GKV-Erstattung des 1,5fachen Festbetrags mag ein erster Schritt sein, die Preisregulierung muss jedoch langfristig und tiefgreifend verändert werden. Gerade auch für Kinderarzneimittel brauchen wir langfristige Lösungen, um Präparate für diese Gruppe langfristig und auch außerhalb von Krisensituationen zu sichern“, so Feldmeier.


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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5 Kommentare

Geiz ist eil!

von Thomas Eper am 21.12.2022 um 8:38 Uhr

Sehr geehrte Frau Pfeiffer,
nur so zur Info: Die Pharmahersteller sind keine Wohltätigkeitsvereine (Übrigens: Apotheken auch nicht), sondern wollen und müssen Geld verdienen.

Sie sollten für Ihre Versicherten bei Arzneimittel auf Verfügbarkeit setzen und nicht auf billig.
Die "Geiz ist Geil"-Mentalität ist im Gesundheitssystem fehl am Platz.
Und verplempern Sie nicht die Gelder ihrer Versicherten für Werbung und Sponsoring!

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Gibt es noch anständige Krankenkassen?

von Tilaro am 20.12.2022 um 21:21 Uhr

Eigentlich stell ich mir die Frage...wo sind noch die anständigen Köpfe auf Seiten der Krankenkassen? Es gibt so viele Krankenkassen und auch Mitarbeiter(mfd). Wann gibt es endlich einen internen Wandel bei der Haltung der Krankenkassen. Sollte Frau Pfeiffer wirklich die einzige Stimme seitens der Krankenkassen und ihrer Mitarbeiter sein, dann bekommen die Krankenkassen den Preis für die echt effizientesten Zerstörer unseres solidarischen Gesundheitssystems.
Ist es so gemütlich und bequem im Büro? Läuft´s gut??
Nur nebenbei...die Apotheken haben genauso viele Mitarbeiter wie die Krankenkassen und kosten deutlich weniger als die Hälfte!!
Wir bekommen nach 20 Jahren Nullrunde, zum neien Jahr das Gehalt gekürzt. Zuvor sollen wir wieder mal der Nation den Arsch retten und an erster Stelle die Misere dieser völlig entarteten KK-Politik ausbaden.
Warum sollten wir das tun?
Für einen Stundenlohn von 4-6€ einzeln Ibuprofensäfte herstellen, während man am HV das zehnfache erwirtschaften muss, damit eine Apotheke überleben kann. Dazu diese völlig überheblichen realitätsfernen Anschuldigungen seitens der KK in den Medien. Mal gegen den, dann den...aber eigentlich ist es absurd, dass die Krankenkassen in diesem Staat so eine Macht in der Politik und der Meinungsgestaltung der Medien haben. Es bröckelt...
Vielleicht habe ich zu wenig Einblicke in das KK-Business...aber so für mich sind KK Genehmiger, Verweigerer, Ablehner, Retaxierer, Werber, Falschberater...Verhinderer!
Der einzig positive Impuls von Lauterbach heute war, dass er ein Feintuning der Festbeträge angesprochen hat. Das widerspricht komplett den Rabattverträgen. Diese sind starr für 2 Jahre. Die unsteten Weltmarktpreise erfordern flexiblere Anpassungen.
Die Frage, ob man einen oder mehrere RV-Partner akzeptiert, ist eine Entscheidung zwischen 2 Sackgassen. Wenn man 3 zur Auswahl hat, führt die Überschneidung zu anderen RV-Partner de facto zu einer völlig ungleichen Vertreilung und damit Unsicherheit für die ersten 6 Monate. Dagegen ist ein klares Volumen für einen Partner kalkulierbar.Nur nicht in der heutigen Zeit.
Abgekürzt...eine Krankenkassen für alle...ein Festbetragssystem, dass sich intelligent am Weltmarkt orientiert.
Sorry, liebe KK-Chefs/Mitarbeiter, aber wer stillschweigend nur Frau Pfeiffer folgt, der muss sich irgendwann fragen lassen, warum er nicht nur ineffizient oder gar nutzlos ist...man muss sich fragen lassen, warum man nur destruktiv in Erscheinung tritt. Effizienzreserven!!

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AW: Gibt es noch anständige Krankenkassen

von Rainer Thomas am 21.12.2022 um 13:18 Uhr

Stimmt genau !

Bessere Verwendung

von Stefan Haydn am 20.12.2022 um 19:44 Uhr

Solange Frau Pfeiffer nicht beabsichtigt eigene Herstellungsbetriebe der Krankenkassen zu errichten, ist es nur recht und billig, wenn private Unternehmen Geld verdienen wollen und in entsprechende Länder verkaufen.
Auf die Sozialabgaben der Unternehmen will der GKV-Verband sicher auch nicht einfach verzichten.

Sie kann natürlich ihr Gehalt zur Verfügung stellen. Dies wäre zur Sicherstellung der Versorgung bei Ärzten, Industrie und Apotheken wesentlich sinnvoller angelegt!

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Pfeiffer muß man sich merken

von ratatosk am 20.12.2022 um 18:31 Uhr

Frau Pfeiffer ist eines der Gesichter, das für diese Problematik steht und das auch nicht ändern will. Sie bekommt hoffentlich viel Geld für das Übel das sie so vehement auch noch verteidigt. Die meisten Menschen würden sich schämen so einen Irrsinn zu verteidigen., aber das ist eben eine Frage des Charakters.

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