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Reaktionen auf BMG-Eckpunkte zur Vermeidung von Lieferengpässen
GKV-Spitzenverband: „Weihnachtsgeschenk für die Pharmaindustrie“
Die Eckpunkte für ein Gesetz zur Vermeidung von Lieferengpässen stoßen auf ein geteiltes Echo. Grundsätzlich begrüßen alle betroffenen Verbände, dass das BMG aktiv geworden ist. Während der GKV-Spitzenverband jedoch von einem „Weihnachtsgeschenk“ für die Pharmaindustrie spricht, hält der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie die Pläne für „zu kurz gesprungen“.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat es in den vergangenen Tagen immer wieder beteuert: „Wir haben es mit der Ökonomisierung auch in der Arzneimittelversorgung mit patentfreien Medikamenten übertrieben“. Bei Kinderarzneimitteln spüre man die Konsequenzen nun besonders hart. „Deswegen werden wir die Preisgestaltung von Kinderarzneien radikal ändern“, erklärte er heute anlässlich der Vorlage der Eckpunkte für ein Gesetz, mit dem künftig Engpässe vermieden werden sollen.
Für die Krankenkassen bedeutet das Mehrausgaben – denn unter anderem sollen sie Mehrkosten übernehmen, wenn Apotheken zur Versorgung junger Patientinnen und Patienten auf teurere Arzneimittel ausweichen müssen. Zudem sollen die Festbeträge und Rabattverträge für wichtige Kinderarzneimittel abgeschafft werden. Die Preise für Kinderarzneien können sogar angehoben werden – um bis zu 50 Prozent über dem aktuellen Festbetrag.
Für Apotheken, die wegen des Austauschs versorgungskritischer Arzneimittel mit dem Arzt Rücksprache halten müssen, soll es 50 Cent extra geben. ABDA-Präsidentin Gabriele Overwiening hat bereits deutlich gemacht, dass diese Summe aus Apothekersicht eine „Frechheit“ ist – auch wenn sie andere der geplanten Maßnahmen begrüßt.
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Die 50 Cent regen offensichtlich nicht einmal den GKV-Spitzenverband zu spontaner Kritik an. Verbandschefin Doris Pfeiffer kritisiert dafür die „Weihnachtsgeschenke für die Pharmaindustrie“. Die Industrie habe mit nicht eingehaltenen Lieferverträgen „vielen Patientinnen und Patienten große Probleme bereitet und das Gesundheitswesen, von den Pflegekräften über die Ärzteschaft bis hin zum Apothekenpersonal, enorm unter Stress gesetzt“. Ob dadurch, dass die Unternehmen für Kinderarzneimittel, Krebsmedikamente und Antibiotika den Festbetrag um 50 Prozent erhöhen können sollen, künftig Medikamente verlässlicher in Richtung Europa geliefert oder vielleicht sogar wieder mehr produziert werden, stehe in den Sternen. Nötig sei vielmehr ein „Medikamentengipfel, bei dem von der Politik über die Apothekerschaft bis hin zu der Pharmaindustrie und den Krankenkassen alle wichtigen Akteure an einem Tisch sitzen“. Auch eine verpflichtende Transparenz und Meldeketten bei Lieferproblemen sowie die Pflicht zu einer Mindestbevorratung sind aus GKV-Sicht wichtig. Dass das Bundesgesundheitsministerium (BMG) diese Punkte angehe, sei gut, so Pfeiffer.
Lauterbach wies die Kritik der Krankenkassen zurück. „Ich glaube, das ist in erster Linie mal ein Geschenk an die Kinder“, sagte er. Die Kinder hätten in der Pandemie auf vieles verzichten müssen. „Da kann es nicht sein, dass wir in der Weihnachtzeit den Kindern jetzt die Medikamente nicht bieten können. Dieses Geld ist da. Und das werden wir auch zur Verfügung stellen.“ Auch wenn mit Mehrkosten zu rechnen sei – diese seien „nicht beitragssatzrelevant“.
Pro Generika: Es geht an die Wurzel des Problems
Zuspruch für die Eckpunkte gibt es von Pro Generika. Geschäftsführer Bork Bretthauer erklärte: „Das Bundesgesundheitsministerium hat endlich erkannt, dass das Hauptsache-Billig-Prinzip bei Generika die Versorgung destabilisiert hat und zu Engpässen führt.“ Es sei gut, dass es jetzt gegensteuern und in einzelnen Bereichen den extremen Kostendruck lockern wolle. Damit gehe es an die Wurzel des Problems. „Das ist vor allem mit Blick auf die Kinderarzneimittel richtig, denn zuletzt war die Herstellung dieser Arzneimittel für die Unternehmen unwirtschaftlich geworden“, so Bretthauer.
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Richtig sei auch, dass für mehr Diversifizierung der Anbieter und Lieferketten bei zunächst einigen Wirkstoffen gesorgt werden soll. Aus Sicht von Pro Generika sollten aber generell immer mehrere Hersteller einen Zuschlag bekommen.
Die Eckpunkte seien nun der Startschuss für einen längeren Prozess. „Der Spardruck der letzten Jahre hat jedoch massive strukturelle Spuren hinterlassen, die nicht über Nacht beseitigt werden können“, betont Bretthauer. Eine Steigerung der Produktion beziehungsweise ein Ausbau von Produktionskapazitäten werde Monate und zum Teil sogar Jahre in Anspruch nehmen. Daher müssten jetzt alle Akteure im Gesundheitssystem gemeinsam mit Verantwortungsbewusstsein und Pragmatismus zusammenarbeiten, um die Versorgung der Patientinnen und Patienten in Deutschland sicherzustellen.
BPI: Die gesamte Grundversorgung ist betroffen!
Kritischer gibt man sich beim Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI). „Die Probleme der kaputten Preise wurden zwar erkannt, aber die Umsetzung ist zu kurz gesprungen“, erklärte der BPI-Vorsitzende Hans-Georg Feldmeier. Die Lieferproblematik betreffen nämlich nicht nur Kinderarzneimittel, sondern die gesamte Grundversorgung. Positiv sieht aber auch Feldmeier die geplante Anpassung der Rabattverträge, mit der das Lieferrisiko auf mehrere Schultern verteilt werden soll. Wichtig sei auch, dass immer auch ein Partner aus einem EU-Land beteiligt werden muss. Noch sei aber unklar, welcher Anteil der Wirkstoffproduktion in der EU überhaupt gemeint ist.
Dass die Preisregeln bei bestimmten Medikamenten verändert werden sollen, ist aus BPI-Sicht ein Schnellschuss, der der aktuellen Mangellage geschuldet ist. „Die GKV-Erstattung des 1,5fachen Festbetrags mag ein erster Schritt sein, die Preisregulierung muss jedoch langfristig und tiefgreifend verändert werden. Gerade auch für Kinderarzneimittel brauchen wir langfristige Lösungen, um Präparate für diese Gruppe langfristig und auch außerhalb von Krisensituationen zu sichern“, so Feldmeier.
5 Kommentare
Geiz ist eil!
von Thomas Eper am 21.12.2022 um 8:38 Uhr
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Gibt es noch anständige Krankenkassen?
von Tilaro am 20.12.2022 um 21:21 Uhr
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AW: Gibt es noch anständige Krankenkassen
von Rainer Thomas am 21.12.2022 um 13:18 Uhr
Bessere Verwendung
von Stefan Haydn am 20.12.2022 um 19:44 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Pfeiffer muß man sich merken
von ratatosk am 20.12.2022 um 18:31 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
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