BMG stellt Eckpunktepapier vor

50 Cent Aufwandspauschale für Apotheken bei Engpässen

Berlin - 20.12.2022, 11:05 Uhr

Nicht lieferbar? Apotheken sollen für den entstehenden Aufwand künftig eine Pauschale von 50 Cent erhalten. (x / Foto: DAZ / Schelbert) 

Nicht lieferbar? Apotheken sollen für den entstehenden Aufwand künftig eine Pauschale von 50 Cent erhalten. (x / Foto: DAZ / Schelbert) 


Für versorgungskritische Arzneimittel sollen die in der Pandemie erleichterten Austauschregelungen verstetigt werden, es soll eine neue Aufwandspauschale für Apotheken kommen und für bestimmte Kinderarzneimittel sollen die Festbeträge aufgehoben werden. Das sind nur drei der geplanten Maßnahmen, mit denen  das Bundesgesundheitsministerium nun den Liefer- und Versorgungsengpässen den Kampf ansagt.

Die anhaltenden Lieferengpässe bei Arzneimitteln, vor allem solchen für Kinder, haben die Politik endlich in Bewegung gebracht. Eigentlich hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vor Weihnachten noch einen Gesetzentwurf versprochen – am heutigen Dienstag präsentierte sein Haus zumindest ein Eckpunktepapier. Lieferengpässe vermeiden, die Versorgung mit Kinderarzneimitteln verbessern und den Produktionsstandort EU stärken – so lautet die Zielrichtung.

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In den Eckpunkten stellt das Bundesgesundheitsministerium (BMG) zunächst fest, dass die Zahl der Lieferengpässe bei Arzneimitteln in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen sei. Zudem gebe es versorgungsrelevante Engpässe. Diese hat der Beirat zur Versorgungslage mit Arzneimitteln beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) aktuell für Arzneimittel zur Therapie onkologischer Erkrankungen (Tamoxifen, Folinate) sowie Antibiotika und Arzneimittel zur Fiebersenkung bei Kindern festgestellt.

Vielfältige Ursachen

Die Ursachen der Engpässe sind vielfältig: Die Globalisierung und starker Kostendruck bei der Generika-Industrie hätten bei einer Vielzahl von Wirkstoffen und Arzneimitteln bereits zu einer Konzentration auf wenige Herstellungsstätten, überwiegend in Drittstaaten (insbesondere in China und Indien), geführt, so das BMG. Dies berge das Risiko von Lieferkettenunterbrechungen und strategischen Abhängigkeiten in sich – hakt es an einer Stelle, kann dies bekanntlich leicht massive Folgen haben. Weitere Gründe seien unerwartet steigende Nachfragen und Produktions- und Lieferverzögerungen für Vorprodukte.

Auch wenn nicht jeder Lieferengpass zu einem Versorgungsengpass führe, gelte es, Lieferengpässe früh zu erkennen und gegenzusteuern, heißt es weiter. Das BMG verspricht: „Wir wollen Versorgungsengpässe entschieden bekämpfen und Maßnahmen ergreifen, um Lieferketten und Versorgungssicherheit zu stärken.“ Einen Fokus will es dabei auf Kinderarzneimittel legen. Wie sehen diese nun aus?

Verbesserung der Versorgung mit Arzneimitteln für Kinder

Der BfArM-Beirat zu Liefer- und Versorgungsengpässen soll unter Berücksichtigung der Zulassung, des Anwendungsgebiets, der Darreichungsform und der Dosierung eine Liste von Arzneimitteln erstellen, die für die Sicherstellung der Versorgung von Kindern erforderlich sind. Für diese Arzneimittel dürfen zukünftig keine Rabattverträge abgeschlossen und keine Eingruppierungen in Festbetragsgruppen vorgenommen werden. Bestehende Festbeträge werden aufgehoben. Das Preismoratorium für diese Arzneimittel soll angepasst werden. Als neue Preisobergrenze wird das 1,5-fache eines aktuell bestehenden Festbetrags oder, sofern kein Festbetrag besteht, das 1,5-fache des Preismoratoriums-Preises festgelegt.

Die GKV soll für Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr und für Jugendliche mit Entwicklungsstörungen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr die Mehrkosten von ärztlich verordneten Arzneimitteln bis zum 1,5-fachen Festbetrag übernehmen müssen, wenn ein Arzneimittel über Festbetrag abgegeben wird.

Verbesserung der Arzneimittelversorgung für Patientinnen und Patienten in Apotheken

Auch für die Apotheken wird es Neues geben: Für Arzneimittel, bei denen der Beirat eine kritische Versorgungslage festgestellt hat, sollen die vereinfachten Austauschregelungen nach § 1 Absatz 3 der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung verstetigt werden.

Wortlaut des § 1 Absatz 3 der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung 

Abweichend von § 129 Absatz 1 Satz 1 bis 5 und 8 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch und dem Rahmenvertrag nach § 129 Absatz 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch dürfen Apotheken, wenn das auf der Grundlage der Verordnung abzugebende Arzneimittel in der Apotheke nicht vorrätig ist, an den Versicherten ein in der Apotheke vorrätiges wirkstoffgleiches Arzneimittel abgeben; ist kein wirkstoffgleiches Arzneimittel in der Apotheke vorrätig und ist das abzugebende Arzneimittel auch nicht lieferbar, darf ein lieferbares wirkstoffgleiches Arzneimittel abgegeben werden. Sofern weder das auf der Grundlage der Verordnung abzugebende noch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel vorrätig oder lieferbar ist, dürfen Apotheken nach Rücksprache mit dem verordnenden Arzt ein pharmakologisch-therapeutisch vergleichbares Arzneimittel an den Versicherten abgeben; dies ist auf dem Arzneiverordnungsblatt zu dokumentieren. Satz 2 gilt entsprechend für den Fall, dass der verordnende Arzt den Austausch des Arzneimittels ausgeschlossen hat. Apotheken dürfen ohne Rücksprache mit dem verordnenden Arzt von der ärztlichen Verordnung im Hinblick auf Folgendes abweichen, sofern dadurch die verordnete Gesamtmenge des Wirkstoffs nicht überschritten wird:

  1. die Packungsgröße, auch mit einer Überschreitung der nach der Packungsgrößenverordnung definierten Messzahl,
  2. die Packungsanzahl,
  3. die Entnahme von Teilmengen aus Fertigarzneimittelpackungen, soweit die abzugebende Packungsgröße nicht lieferbar ist, und
  4. die Wirkstärke, sofern keine pharmazeutischen Bedenken bestehen

Zudem soll es für Arzneimittel, für die der Beirat eine versorgungskritische Lage festgestellt hat und für die die Apotheke eine Rücksprache mit der Ärztin oder dem Arzt halten muss, eine Aufwandspauschale  in Höhe von 0,50 Euro für die Apotheke geben. Sie soll  in der Arzneimittelpreisverordnung als Zuschlag verankert werden. 

Weiterhin sollen Patientinnen und Patienten, die aufgrund von Liefer- oder Versorgungsengpässen mit Arzneimitteln im Wege der Auseinzelung versorgt werden, von der Zuzahlung entlastet werden. Und: Die Zuzahlung bei Abgabe von Einzelpackungen bei nicht lieferbaren verordneten größeren Packungen soll auf die Zuzahlung des verordneten Arzneimittels begrenzt werden.

Rabattverträge – Maßnahmen zur Diversifizierung der Lieferketten

Bei den Rabattvertragsausschreibungen soll eine Standortberücksichtigung eingeführt werden. „Sozialgesetzlich wird den Krankenkassen eine verbindliche Ausschreibung eines zusätzlichen Loses bei jeder Ausschreibung für patentfreie Arzneimittel vorgegeben, dieses Los wird ergänzend zum Preis nach dem Zuschlagskriterium ‚Anteil der Wirkstoffproduktion in der EU‘ vergeben“, erklärt das BMG. Diese Regelung soll sich zunächst auf Arzneimittel zur Behandlung onkologischer Erkrankungen und auf Antibiotika beziehen. Bei Bedarf kann der BfArM-Beirat weitere Wirkstoffe und Indikationen empfehlen – auf dieser Grundlage kann das BMG dann weitere Wirkstoffe bzw. Indikationen der neuen Regelung unterstellen.

Zudem ist zur Verbesserung der Versorgungssicherheit für rabattierte Arzneimittel vertraglich eine mehrmonatige, versorgungsnahe Lagerhaltung vorgesehen.

Festbetragsarzneimittel – Unterstützung von Marktsegmenten mit wenigen Anbietern

Sind in einer Festbetragsgruppe nur noch wenige Anbieter, hat der BfArM-Beirat die Versorgungslage zu prüfen und kann bei einem sich abzeichnenden Versorgungsengpass die Empfehlung aussprechen, den Festbetrag auf das 1,5-Fache anzuheben oder die Festbetragsgruppe aufzulösen. In diesem Fall darf der Abgabepreis einmalig auf das 1,5-Fache des Festbetragspreises angehoben werden (neuer Basispreis). Die Regelungen des Preismoratoriums sollen dann auf der Grundlage des neuen Basispreises Anwendung finden.

Außerdem soll die Grenze der Zuzahlungsbefreiung bei Festbeträgen angehoben werden. Abgabepreise, die mindestens 20 Prozent niedriger sind als der Festbetrag, können von der Zuzahlung befreit werden – bislang liegt die Grenze bei 30 Prozent. 

Verfahren zur frühen Erkennung von Versorgungsengpässen

Weiterhin soll der BfArM-Beirat Kriterien für einen sich abzeichnenden Versorgungsengpass und eine drohende Marktverengung auf der Grundlage einer kontinuierlichen Marktbeobachtung bei versorgungskritischen Arzneimitteln entwickeln. Das BfArM kann dann zukünftig Empfehlungen an das BMG für Maßnahmen im Bereich des SGB V übermitteln. Das BMG kann auf dieser Grundlage weitere Wirkstoffe bzw. Indikationen den neuen Ausnahmeregelungen bei Festbeträgen, Rabattverträgen und bei der Apothekenabgabe unterstellen.

Zur Unterstützung der Marktbeobachtung durch den Beirat und zur frühen Erkennung von drohenden Versorgungsengpässen und Marktverengungen erhält das BfArM überdies zusätzliche Informationsrechte gegenüber pharmazeutischen Unternehmen und Großhändlern, insbesondere bezogen auf die aktuellen Produktionsmengen nach Produktionsstandort und auf die Lagerhaltung von Wirkstoffen, Zwischenprodukten und Fertigarzneimitteln.

Um die Auswirkungen auf die Versorgung beurteilen zu können, sollen die getroffenen Maßnahmen zum 31. Dezember 2025 hin evaluiert werden. 

Wie geht es nun weiter?

Nun sind diese Eckpunkte in einen Gesetzentwurf zu gießen. Und es steht noch die Ressortabstimmung an. Lauterbach gab sich heute im ARD-„Morgenmagazin“ zuversichtlich, was die Finanzierung seiner Vorschläge betrifft: „Wir werden das in der Ressortabstimmung besprechen. Ich bin fest davon überzeugt, dass jeder hier einsieht, dass wir handeln müssen.“ Er ziehe dabei mit Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) an einem Strang.


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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3 Kommentare

für Arzneimittel, für die der Beirat eine versorgungskritische Lage festgestellt hat

von Kiwi am 21.12.2022 um 8:16 Uhr

Ich denke wir sollten uns nicht zu früh "freuen"! Ist es nicht so, dass wir momentan bei den wenigsten Arzneimitteln eine versorgungskritische Lage haben, sondern nur ein Verteilungsproblem vorliegt? Dafür gibt es dann aber auch keine 50 Cent! Das heißt auch, dass wir schon hunderte Anrufe bei Arztpraxen getätigt haben, bis die erste 50-Cent-Sonder-PZN auf ein Rezept kommt.

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50 cent

von Vatchkova am 20.12.2022 um 22:01 Uhr

Und noch eine 50 Cent Sonder-PZN bitte nicht vergessen, oh und noch schreiben laut ärztliche Rücksprache, nett!
Der Apotheker Beruf war früher wirklich schöner, leider ist es nicht mehr.

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50 Cent

von Wolfgang Steffan am 20.12.2022 um 21:31 Uhr

Dieses Trinkgeld entspricht der Ein- und Wertschätzung der Politiker für uns Apotheker/Apothekerinnen.
Aber, wen wundert´s : Wer stehts gebückt geht, fordert doch
zum Treten auf !
Also, bücken wir uns weiterhin, wie seit Jahren, seit Jahrzehnten. Die ABDA wird´s schon richten.

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