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Hustenstiller und Schmerzmittel
Codein für Kinder – andere Länder, andere Sitten?
Sowohl in Antitussiva als auch in Schmerzmitteln wird Codein als Wirkstoff eingesetzt. Bei Kindern unter zwölf Jahren sind solche Präparate in Europa kontraindiziert. Das gilt für Schmerzmittel seit 2013 und für Hustenstiller seit 2015. Hat sich dadurch die Verordnungspraxis bei diesen Arzneimittelgruppen in Europa verändert? Eine Studie hat jetzt die Folgen der damaligen Risikobewertungsverfahren untersucht.
Kinder haben häufig Husten. Eine Leitlinie zur Therapie von Husten speziell bei Kindern gibt es allerdings nicht. Dieser Mangel wurde erkannt, und so ist geplant, dass Ende dieses Jahres eine Leitlinie mit dem Titel „Akuter und chronischer Husten, Diagnostik und Therapie von Kindern und Jugendlichen“ erscheinen soll. Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin stellt schon jetzt zumindest eine Elterninformation zum Thema Husten zur Verfügung. Darin heißt es beispielsweise:
Für die Wirksamkeit hustendämpfender Medikamente gibt es keine wissenschaftlichen Belege! Zudem werden sie aufgrund von möglichen Nebenwirkungen nur noch in Ausnahmefällen gegeben. Bitte sprechen Sie vor der Gabe solcher Mittel unbedingt mit dem/r Kinder- und Jugendarzt/ärztin!“
Gemeint ist damit vor allem Codein. Wie das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) im September dieses Jahres erneut erklärte, sind für codeinhaltige Arzneimittel nämlich in den Jahren 2013 und 2015 „aufgrund des möglichen Risikos des Auftretens einer Atemdepression zwei europäische Risikobewertungsverfahren zur Überprüfung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses durchgeführt“ worden. Es ging dabei um die Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Husten, aber auch Schmerzen.
Im Jahr 2013 wurde zunächst die Schmerztherapie mit Codein bei Kindern eingeschränkt. Seitdem dürfen codeinhaltige Analgetika beispielsweise nur noch bei Kindern über zwölf Jahren mit mäßig starken akuten Schmerzen angewendet werden, die mit Paracetamol oder Ibuprofen alleine nicht in den Griff zu bekommen sind, erklärte damals der Pharmakovigilanzausschuss (PRAC) der EMA. 2015 erweiterte der PRAC dann seine Empfehlungen auch auf Arzneimittel gegen Husten:
- codeinhaltige Arzneimittel sind generell bei Kindern unter zwölf Jahren kontraindiziert
- bei Kindern und Jugendlichen zwischen zwölf und 18 Jahren mit ausgeprägten Atemwegsbeeinträchtigungen werden codeinhaltige Arzneimittel nicht empfohlen
Codein kann nicht nur für Kinder gefährlich werden, sondern für alle, die Codein besonders schnell zu Morphin verstoffwechseln.
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Wie das BfArM nun aktuell erklärt, hat eine sogenannte Impact Study die Effektivität dieser risikominimierenden Maßnahmen von 2013 und 2015 jetzt überprüft. Die Studie wurde durch die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) initiiert und in fünf Ländern durchgeführt: in Frankreich, Deutschland, Norwegen, Spanien und dem Vereinigten Königreich. Wie häufig sind seit 2013 noch codeinhaltige und mögliche alternative Arzneimittel bei Patient:innen unter 18 Jahren in diesen Ländern verordnet worden? Um diese Frage zu beantworten, wurden elektronische Registerdaten von Patient:innen unter 18 Jahren, die zwischen 2010 und 2017 erhoben wurden, ausgewertet.
Zusammenfassend erklärt das BfArM zur Studie, dass die „Einführung der Risikominimierungsmaßnahmen im Jahr 2015 in der Indikation Husten- und Erkältungskrankheiten nur noch geringe Auswirkungen“ gehabt habe, allerdings im positiven Sinne: Denn bereits nach Umsetzung der Maßnahmen aus dem ersten Referral im Jahr 2013 sei Codein sowohl in der Indikation Schmerz als auch Erkältung kaum noch angewendet worden.
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Jedoch gibt es länderspezifische Unterschiede. So darf Codein (und Tramadol) in den USA erst seit 2017 gar nicht mehr bei Kindern unter zwölf Jahren eingesetzt werden. 2019 wies die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA zudem erneut darauf hin, dass unter Codein- und Tramadol-Einnahme nicht gestillt werden sollte.
Frankreich und Norwegen: Codein wurde bis 2013 (bei Schmerzen) zunehmend verordnet
In der aktuellen Impact Study zeigten sich auch Unterschiede zwischen den ausgewerteten Ländern. So bekamen Kinder unter zwölf Jahren in Spanien und in Großbritannien schon vor 2013 immer weniger Codein verordnet, wobei das ursprüngliche Verordnungsniveau in Spanien deutlich höher lag. In Frankreich und Norwegen waren bis 2013 die Verordnungszahlen sogar kontinuierlich angestiegen, 2013 sanken sie plötzlich und deutlich, allerdings kam hier wiederum Frankreich von einem deutlich höheren Ausgangsniveau. In Deutschland veränderten sich die Verordnungszahlen vor 2013 kaum, sanken aber ab 2013 auch deutlich von einem mittleren Ausgangsniveau.
Während in Frankreich und Spanien Unter-Zwölfjährigen bis 2015 praktisch keine Codein-Arzneimittel mehr verordnet wurden, lässt sich für Deutschland 2015 aus den Diagrammen nochmals eine Abnahme ablesen. In Großbritannien schien Codein auch nach 2015 noch einen geringen Stellenwert zu behalten, allerdings bei ohnehin sehr geringem Ausgangsniveau.
Wurde Codein durch Tramadol ersetzt?
Zudem stiegen ab 2013 laut der Studie die Verordnungszahlen für andere opioide Analgetika in Großbritannien auf niedrigem Niveau an – dieser Trend war vor allem in Frankreich auf höherem Niveau, aber auch in Norwegen zu beobachten. Für Deutschland geht aus den Diagrammen der Studie hingegen hervor, dass auch die Verordnungszahlen anderer opioider Analgetika (von einem vergleichsweise höherem Ausgangsniveau) sanken, in Spanien blieb der Trend nach 2013 in etwa gleich auf einem niedrigen Niveau. In Norwegen war ab 2013 zudem eine Zunahme bei der Verordnung nicht opioider Analgetika zu verzeichnen, jedoch bei einem auffällig niedrigen Ausgangsniveau.
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Das am häufigsten verordnete alternative Opioid war laut der Studie Tramadol. Allerdings habe die Studie nicht zum Ziel gehabt, auszuwerten, welche Substanzen anstelle von Codein verordnet wurden. Dazu kann sie also keine Aussage treffen. Bei den nicht opioiden Analgetika wurden erwartbar vor allem Ibuprofen (Norwegen, Deutschland und Spanien) und Paracetamol (Frankreich und Großbritannien) alternativ verordnet.
Pholcodin – in Frankreich ein Problem
Bei den opioiden Antitussiva waren die Verordnungszahlen in fast allen Ländern schon vor 2015 gesunken, lediglich in Frankreich war nach 2015 ein abnehmender Trend zu beobachten, wo allerdings auch das Ausgangsniveau am höchsten war. Dort wird (wie in Großbritannien) vor allem das opioide Antitussivum Pholcodin verordnet, vor dem das BfArM kürzlich aus anderen Gründen warnte (in Deutschland sind gar keine pholcodinhaltigen Arzneimittel zugelassen): Eine aktuelle Studie deutet darauf hin, dass die Einnahme von Pholcodin bis zu zwölf Monate vor einer Vollnarkose das Risiko einer NMBA-bedingten anaphylaktischen Reaktion erhöhen kann (NMBA = Arzneimittel zur neuromuskulären Blockade).
Aufgrund dieser Ergebnisse erwägt die französische Arzneimittelbehörde ANSM „als Vorsichtsmaßnahme, die Verwendung pholcodinhaltiger Arzneimittel in Frankreich auszusetzen“, hieß es im September.
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Übrigens warnte der Pharmakovigilanzausschuss der EMA (PRAC) Ende September erneut vor Codein, allerdings nicht speziell bei Kindern, sondern dieses Mal vor Kombinationspräparaten aus Codein und Ibuprofen. Solche gibt es in Deutschland zwar nicht, aber die Warnung könnte auch für in Deutschland erhältliche Präparate wie „Dolomo TN“ (Kombination aus Acetylsalicylsäure, Codein, Coffein und Paracetamol) oder „Voltaren plus“ (Diclofenac und Codein) relevant sein: Der PRAC hat nämlich empfohlen, bei Kombipräparaten aus Codein und Ibuprofen in den Produktinformationen vor schwerwiegenden Nieren-, Magen-Darm- und Stoffwechsel-Schäden, die zum Tod führen können, zu warnen. Und zwar, weil Codein abhängig machen und zu Missbrauch des Arzneimittels führen könne. Das ist sicherlich auch in der Kombination mit anderen NSAR denkbar. Allerdings sollen dabei vor allem verschreibungsfreie Kombinationspräparate aus Codein und Ibuprofen problematisch sein, sodass betroffene Länder mit dem Instrument der Rezeptpflicht dem Problem entgegenwirken könnten.
Es gilt also weiterhin, bei Präparaten mit Codein Vorsicht walten zu lassen – vor allem, aber nicht nur, bei Kindern.
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