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Kammerversammlung Westfalen-Lippe
Overwiening: Vergütungssystematik für Dienstleistungen ist ein „Quantensprung“
Die Apothekenwelt steht derzeit vor mehreren grundlegenden Umwälzungen: Neben dem E-Rezept kommen auch die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen bald in die Offizinen. Gleichzeitig droht ein neues Spargesetz. AKWL- und ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening machte heute in Münster deutlich: Damit die Apotheken die anstehenden Herausforderungen und ihre originären Aufgaben bewältigen können, brauchen sie mehr Geld und nicht weniger.
Welche pharmazeutischen Dienstleistungen sollen Apotheken künftig anbieten? Klar ist: Die Medikationsanalyse ist dabei – der Rest des Katalogs ist noch nicht offiziell bekannt. Das wird auch so bleiben, bis der Schiedsspruch der Schiedsstelle vorliegt, sagte Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der ABDA und der Apothekerkammer Westfalen-Lippe (AKWL), am heutigen Mittwoch in Münster.
Nachdem die Verhandlungen zwischen GKV-Spitzenverband und Deutschem Apothekerverband (DAV) Mitte 2021 gescheitert waren, riefen die Apotheker die Schiedsstelle an, die letztlich darüber entscheiden sollte, welche Dienstleistungen die Offizinen hierzulande künftig zu welchem Preis anbieten sollen. Sie kam zuletzt am 19. Mai zusammen – dabei soll es zu einer Einigung gekommen sein, die es allerdings noch zu verschriftlichen gilt. Erst dann, so Overwiening, werden DAV und GKV über die Ergebnisse informieren.
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Fest steht aus ihrer Sicht aber, dass die pharmazeutischen Dienstleistungen einen Paradigmenwechsel in den Apotheken einläuten werden. Denn erstmals werden die Betriebe selbst darüber entscheiden, wann eine Vergütung fällig wird. „Sie lösen Ihre eigene Honorierung aus“, betonte die Präsidentin. „Das ist ein Quantensprung.“
E-Rezept darf nicht zum Trojanischen Pferd werden
Eine andere aktuelle Neuerung dürfe hingegen nicht zum Game-Changer werden: das E-Rezept. „Wir müssen aufpassen, dass es nicht zum Trojanischen Pferd wird“, warnte Overwiening. Es sei nachvollziehbar, dass einige Kolleginnen und Kollegen Bedenken hegten angesichts der bevorstehenden verpflichtenden Einführung – allerdings gelte es, diese Bedenken intern zu kommunizieren und nicht öffentlich. In der Wahrnehmung der Patientinnen und Patienten dürfe das Bild nicht ins Wanken geraten, dass die Präsenzapotheken bereit sind für das E-Rezept und dieses „genau dorthin gehört“.
Positiv hob die AKWL-Chefin hervor, dass die Gematik derzeit an der Entwicklung eines sogenannten Referenzvalidators feilt, der die Retax-Gefahr aus technischen Gründen für die Apotheken minimieren soll. Fraglich sei, ob er pünktlich zum 1. September einsatzbereit sein wird, wenn die E-Rezept-Pflicht für die Apotheken bundesweit greift. Overwiening ließ durchblicken, dass die Krankenkassen in diesem Zusammenhang eine gewisse Bereitschaft zu einer vorläufigen Friedenspflicht signalisiert hätten – konkreter wurde sie jedoch nicht.
Was bringt das Spargesetz den Apotheken?
Mit Spannung erwartet der Berufsstand zudem das angekündigte GKV-Spargesetz aus dem Hause Lauterbach – ein erster Entwurf aus dem BMG war Mitte März bekannt geworden und hatte unter den Apotheker:innen für viel Wirbel gesorgt. Denn darin war unter anderem vorgesehen, den Kassenabschlag von 1,77 Euro brutto auf 2 Euro brutto zu erhöhen und die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel von 19 Prozent auf 7 Prozent abzusenken. Diese Kombination hätte dazu geführt, dass den Apotheken 38 Cent je Arzneimittel, das sie zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung abgeben, flöten gegangen wären. Das Kanzleramt soll den Entwurf zwar umgehend kassiert haben, dass ein neuer kommen wird, steht aber außer Frage.
Overwiening nannte den ersten Aufschlag Lauterbachs einen „Schlag ins Gesicht“ für den Berufsstand. Die Neuauflage dürfe die Apotheken keinesfalls wie ursprünglich geplant belasten. „Bei uns ist nichts zu holen“, sagte sie. „Im Gegenteil: Wir brauchen mehr, damit wir unsere Aufgaben erledigen können.“ In der Pandemie hätten die Apotheken stets lösungsorientiert gearbeitet und jede Aufgabe angenommen, die ihnen die Politik zugetragen hat. „Das muss honoriert werden“, stellte Overwiening mit Blick auf die Sondereffekte während der Coronakrise klar.
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Diese Sondereffekte dürften jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Branche vor massiven Herausforderungen steht. Nach wie vor hinkt die Apothekenvergütung der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland hinterher, die Forderung der Apothekerschaft nach einer Dynamisierung wurde bisher nicht erhört. Zudem sei die Zahl der abgegebenen Packungen im Jahr 2021 mit minus 0,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr leicht rückläufig gewesen. Darüber hinaus macht bekanntermaßen der Personalmangel den Betrieben schwer zu schaffen – in Westfalen-Lippe etwa kommen nach Angaben der Kammer auf eine stellensuchende Apothekerin oder einen stellensuchenden Apotheker 14 bis 15 offene Stellen. Insgesamt seien im Kammerbezirk derzeit rund 1.000 Stellen unbesetzt.
Die Defizite bei Honorar und Personal haben Konsequenzen: In Westfalen-Lippe gibt es aktuell nur noch 1.781 Betriebsstätten – das ist laut Overwiening der niedrigste Wert seit 1977. Statt an der Apothekenvergütung zu sparen, fordert sie Unterstützung von der Politik. „Wir erledigen unsere Arbeit verlässlich und still“, sagte sie und verglich die Offizinen mit Strom aus der Steckdose, der als selbstverständlich hingenommen werde. Das gelte aber eben nicht für die Apotheken: „Wir sind nicht einfach da“, warnte Overwiening. „Wir müssen in den Fokus, damit wir bleiben.“
1 Kommentar
Stillarbeit….
von Ulrich Ströh am 08.06.2022 um 17:04 Uhr
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