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Medienbericht zur Nitrosamin-Krise
Valsartan: Hätte man es doch besser wissen können?
Die zahlreichen Nitrosamin-Funde, die seit 2018 auf den ersten NDMA-Fund in Valsartan folgten, muten wie eine Bestätigung dafür an, dass mit all dem niemand rechnete – und vielleicht auch nicht rechnen konnte. Doch hätten Wirkstoffhersteller wie Zhejiang Huahai aus China es nicht besser wissen müssen? Ein Bericht von „Bloomberg“ legt nahe, dass man innerhalb der Firma durchaus über die Expertise verfügt hätte, das Problem frühzeitig zu erkennen.
In Fällen wie der Nitrosamin-Krise sucht man gerne nach einzelnen Verantwortlichen – menschliches Versagen stellt nicht so schnell ein gesamtes System infrage. Doch in der Nitrosamin-Krise ging und geht es weniger darum, dass eine einzelne Person einen Fehler gemacht (und eventuell vertuscht hat) – schnell wurde klar, dass viele Menschen gemeinsam den Fehler übersehen hatten. Denn der Wirkstoffhersteller hatte die Änderung des Syntheseweges – der schließlich zur Nitrosamin-Verunreinigung im großen Stil geführt haben soll – durchaus den Behörden angezeigt und ein gültiges Zertifikat erhalten.
Schnell war deshalb von einem „Kontrollversagen in der Valsartan-Affäre“ die Rede. Manche Expert:innen waren der Meinung, dass sowohl dem Wirkstoffhersteller als auch den für die Zertifikat-Erteilung zuständigen Prüfern das Risiko der NDMA-Bildung hätte auffallen müssen. Das European Directorate for the Quality of Medicines & HealthCare (EDQM) gab jedoch gegenüber der DAZ an, dass im Dossier des Zertifikats die entdeckte Nitrosamin-Verunreinigung nicht angegeben war und auch bei den Qualitätskontrollen nicht gefunden worden ist. „Die Bildung der Verunreinigung sei an bestimmte Reaktionsbedingungen gebunden, und sie sei weder erwartet worden noch habe sie mit den analytischen Methoden, die für die Prüfung der Substanz vorgesehen waren, detektiert werden können. Das EDQM sei sich deshalb eines möglichen Risikos nicht bewusst gewesen“, schrieb die DAZ im August 2018. Das EDQM sah deshalb vielmehr die Fertigarzneimittel-Hersteller und Aufsichtsbehörden in der Pflicht, denn das durch das EDQM vergebene Zertifikat (CEP) mache die Prüfung jeder einzelnen Wirkstoffcharge keinesfalls entbehrlich, hieß es.
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Doch Prof. Dr. Markus Veit – Managing Director der i.DRAS GmbH, Planegg, die Pharmaunternehmen in allen regulatorischen Fragen rund ums Arzneimittel berät und betreut – erklärte damals gegenüber der DAZ: „Allen Beteiligten in dem Verfahren ist klar, dass bei der Erteilung eines CEP der Zulassungsinhaber, respektive Inverkehrbringer niemals Informationen zur Herstellung des Wirkstoffs bekommt und auch keinen Rechtsanspruch darauf hat.“ Wenn das EDQM nicht verantwortlich sein kann, der Fertigarzneimittelhersteller daraus folgend aber auch nicht so wirklich, bleiben nur noch der Wirkstoffhersteller und die Überwachungsbehörden. Doch das EDQM ging davon aus, dass dem Wirkstoffhersteller selber nicht bekannt war, dass NDMA im Wirkstoff auftreten konnte. „In Zeiten, in denen Synthesen prioritär Patent-umgehend und kostengünstig und nicht unbedingt sicher sein müssten, erfordere es im Einzelfall erhebliche Sachkenntnis, um möglicherweise entstehende Verunreinigungen zu antizipieren“, so Veit.
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Bleiben also noch die Überwachungsbehörden. Tatsächlich machte die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA bereits 2017, also ein Jahr vor Bekanntwerden der Nitrosamin-Verunreinigung in Valsartan, bei dem Wirkstoffhersteller Zhejiang Huahai Beobachtungen, die zumindest (wirkstoffunabhängig) misstrauisch machen konnten. Es war die Rede von „Ghost Peaks“, also unbekannten Verunreinigungen bei der Flüssigkeitschromatographie/Massenspektrometrie, deren Ursache und Identität nicht weiter nachgegangen wurde. Auch eine deutsche Behörde hatte den Wirkstoffhersteller mehrfach inspiziert, sagte 2018 gegenüber der DAZ jedoch: „Der Syntheseweg und damit die zu spezifizierenden Verunreinigungen sind bereits durch die zuständigen Zulassungsbehörden genehmigt. Eine erneute inhaltliche Prüfung soll und kann im Rahmen einer GMP-Inspektion nicht stattfinden“, und sah sich somit ebenfalls nicht in der Verantwortung. Eine erneute Inspektion von Zhejiang Huahai durch die FDA und ein anschließend ausgestellter „Warning-Letter“ legte jedoch schließlich klar erkennbare Mängel der Valsartan-Produktion offen. Mittlerweile war zwar bekannt, dass Zhejiang Huahai nicht der einzige betroffene Wirkstoffhersteller bleiben sollte, doch das Ausmaß der Verunreinigungen und die damit einhergehenden Versäumnisse schienen dort besonders groß zu sein. Wurden vonseiten des Wirkstoffherstellers Zhejiang Huahai am Ende doch bewusst Informationen zurückgehalten? Dieser Eindruck konnte sich jedenfalls aufdrängen, nicht nur, weil es Hinweise gab, dass verdächtige Signale für Verunreinigungen bereits im Jahr 2012 auftraten. Doch bewiesen war nichts, und die genauen Ursachen der Verunreinigungen sind bis heute nicht abschließend geklärt.
Am 7. Mai berichtete nun aber das Nachrichtenportal „Bloomberg“, dass zumindest ein wissenschaftlicher Mitarbeiter von Zhejiang Huahai intern schon früh vor der (synthesebedingten) Verunreinigung gewarnt haben soll – eine E-Mail, versandt ein Jahr vor den globalen Rückrufen, soll das belegen. Diese Mail sei Teil von Gerichtsakten, berichtete „Bloomberg“.
1 Kommentar
Hätte wissen können ! ja
von ratatosk am 02.06.2022 um 18:54 Uhr
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