- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 34/2018
- Verunreinigtes Valsartan ...
DAZ aktuell
Verunreinigtes Valsartan und die Rolle der Behörden
Europäische Zertifizierungsbehörde EDQM verteidigt Vorgehen
Wirkstoffhersteller können beim EDQM ein sogenanntes CEP (Certificate of Suitability of Monographs of the European Pharmacopoeia) beantragen. Das CEP bescheinigt letztendlich die Arzneibuchkonformität des Wirkstoffes. Wer ein CEP beantragt, muss die chemische Synthese der Substanz umfassend beschreiben und mögliche und tatsächliche Verunreinigungen nennen. Diese Unterlagen werden durch Assessoren des EDQM bewertet. Diese Assessoren haben unterschiedliche naturwissenschaftlich-akademische Qualifikationen und einschlägige berufliche Erfahrung; sie kommen unter anderem aus den nationalen Zulassungsbehörden. Wenn der Hersteller belegen kann, dass die Qualität der Substanz von der Monographie des Europäischen Arzneibuchs abgedeckt wird, erteilt das EDQM das CEP. Dieses Zertifikat ist sodann auch Bestandteil des Antrages auf Marktzulassung. Die Zulassungsbehörden akzeptieren das CEP als ausreichenden Beleg dafür, dass die Qualität des Wirkstoffs vollständig mit der Monographie kontrolliert werden kann.
Auch das Valsartan der chinesischen Wirkstoffhersteller Zhejiang Huahai Pharmaceutical und Zhejiang Tianyu hatten ein solches CEP, die jedoch inzwischen ausgesetzt wurden.
EDQM zeigt sich ahnungslos
In Sachen Zhejiang Huahai Pharmaceutical ist bekannt, dass dieser Hersteller die Änderung des Syntheseweges, die offenbar zur Verunreinigung führte, dem EDQM angezeigt hatte. Auf die Frage, warum das EDQM die „unerwartete“ Verunreinigung mit NDMA nicht erkannt hat, vertritt die Zertifizierungsbehörde die Auffassung, dass der Antragsteller „in seinem Dossier auf die mögliche Verunreinigung mit NDMA hätte hinweisen, eine Risikobewertung durchführen und ein entsprechendes Prüfverfahren einschließlich Grenzwert vorlegen müssen, die auf ihre Validität und toxikologische Vertretbarkeit geprüft worden wären“. Derartige Unterlagen seien jedoch nicht vorgelegt worden. Daher geht das EDQM davon aus, dass dem Hersteller selber nicht bekannt war, dass NDMA im Wirkstoff auftreten konnte. „Aus den Unterlagen über den Herstellungsprozess war die NDMA-Bildung prospektiv nicht erkennbar“. Auch alle anderen befassten Behörden, unter anderem die US-amerikanische FDA, hätten den eingereichten Informationen diese Problematik nicht entnehmen können, so eine EDQM-Sprecherin.
Doch was weiß das Pharmaunternehmen, das den Wirkstoff verwendet über den Inhalt des CEP? Laut EDQM muss dieses selbst seine Erkenntnisse zum Herstellungsverfahren des Wirkstoffs vertraulich behandeln. Dem CEP-Inhaber stehe es hingegen frei, sämtliche Informationen weiterzugeben, so die EDQM-Sprecherin. „Das EDQM erhebt keinerlei Anspruch auf Vertraulichkeit hinsichtlich der im Rahmen des CEP-Verfahrens mit dem Wirkstoffhersteller ausgetauschten Informationen.“ Die Sprecherin erklärt sogar, der Wirkstoffhersteller werde in der Praxis nicht umhin kommen, Fertigarzneimittelhersteller, die seinen Wirkstoff in ihrem Fertigarzneimittel verarbeiten, detailliert über den Herstellungsprozess zu informieren: „Der Hersteller des Fertigarzneimittels ist verpflichtet, seinen Wirkstoffhersteller zu qualifizieren und regelmäßig zu auditieren. Dies hat zur Folge, dass in der Praxis nur mit solchen Wirkstoffherstellern Geschäftsbeziehungen unterhalten werden können, die bereit sind, ihr Herstellungsverfahren gegenüber ihrem Kunden offenzulegen“.
„EDQM entzieht sich der Verantwortung“
Prof. Dr. Markus Veit, Managing Director der i.DRAS GmbH, Planegg, die Pharmaunternehmen in allen regulatorischen Fragen rund ums Arzneimittel berät und betreut, widerspricht und meint, das EDQM entziehe sich seiner Verantwortung. „Allen Beteiligten in dem Verfahren ist klar, dass bei der Erteilung eines CEP der Zulassungsinhaber, respektive Inverkehrbringer niemals Informationen zur Herstellung des Wirkstoffs bekommt und auch keinen Rechtsanspruch darauf hat.“ Es selbst habe zahlreiche CEP-Verfahren begleitet und nicht in einem einzigen Fall erlebt, dass der Wirkstoffhersteller Informationen über den Herstellungsprozess zur Verfügung gestellt hätte. Die Humanarzneimittelrichtlinie (2001/83/EG) sehe gerade vor, dass ein CEP den Dossierteil zum Wirkstoff ersetzt.
Versucht man zu ergründen, wer der Wirkstoffhersteller eines Fertigpräparates ist, stößt man als Patient, Arzt oder Apotheker auf unüberwindbare Hürden. Dr. Lutz Müller, Head of Chemistry, Manufacturing & Controls von der Dr. Regenold GmbH, Badenweiler, erklärte, dass gemäß den Vorgaben der Richtlinie 2001/83/EG auf der Packungsbeilage eines Arzneimittels nur der Hersteller für die Endfreigabe in der EU zu nennen ist. „Sonstige Angaben zu den weiteren Herstellern inklusive der Wirkstoffhersteller sind nicht notwendig“, so Müller. Das sei in anderen Ländern nicht anders: „Mir ist kein Land bekannt, in dem der Wirkstoffhersteller in der Packungsbeilage, Fachinformation oder auf der äußeren Verpackung genannt wird.“
Behörden haben Zugriff
Doch was wissen die Behörden? Im Rahmen des Zulassungsverfahrens müssen auch die Informationen zum Wirkstoffhersteller offengelegt werden, erklärt Müller. „Dies umfasst die gesamte Herstellungskette vom Ausgangsmaterial des Wirkstoffes (Key Starting Material) über Zwischenprodukte, dem fertigen Wirkstoff bis zum endfreigebenden Hersteller in der EU.“ Dem Antragsteller für die Zulassung des Arzneimittels müssten die entsprechenden Informationen ebenfalls – bis auf den Hersteller des Ausgangsmaterials des Wirkstoffes – vorliegen. Letztere Information könne der Wirkstoffhersteller der Behörde direkt mitteilen oder der Antragsteller bedient sich des CEPs. „Damit haben die Zulassungsbehörden in der EU den kompletten Überblick über die Herstellungskette.“ Üblicherweise werden diese Daten laut Müller auch in Datenbanken erfasst. Beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Deutschland ist dies in der AMIS(Arzneimittelinformationsystem)-Datenbank der Fall. Diese Datenbank ist auch öffentlich zugänglich (über das DIMDI). Doch die Öffentlichkeit kann hier nur die Informationen zum Endfreigeber einsehen. „Das BfArM und die zuständigen Landesbehörden haben aber Zugriff auf die entsprechenden vollständigen Daten und können damit rasch reagieren“, erklärt Müller. In anderen EU Ländern sehe es ähnlich aus.
Damit können auch die Überwachungsbehörden auf Anforderung in alle Dossiers Einsicht nehmen, betont Veit. Die Dossiers selbst liegen (elektronisch) bei der zuständigen Zulassungsbehörde (BfArM/PEI), dort finden sich allerdings nicht die Wirkstoffdokumentationen, die vom Wirkstoffhersteller beim EDQM eingereicht wurden, um das CEP zu beantragen. Das EDQM müsse jedoch den Zulassungsbehörden Einsicht gewähren, wenn diese eine solche fordern. Auf diesem Wege sei jedenfalls theoretisch auch eine Einsicht durch die Überwachung möglich, so Veit. Er geht jedoch davon aus, dass dies in der Praxis selten vorkommt.
Fehlerkultur gefordert
Das CEP-Verfahren dient unter anderem dazu, Eigentumsrechte der Wirkstoffhersteller zu schützen. Es sieht nicht vor, dass Zulassungsantragssteller, Zulassungsinhaber oder Inverkehrbringer diese Unterlagen einsehen. Veit: „Das System kann nur funktionieren, wenn im Falle der CEPs das EDQM seine Hausaufgaben macht, den Wirkstoffherstellern auf die Finger schaut und beurteilt, ob alle Regularien beachtet wurden.“ Das gelte auch für das Assessment zu genotoxischen Verunreinigungen. „Die Vorkommnisse zeigen, dass das mit den derzeitigen Prozessen offenbar nicht gewährleistet ist“, so Veit. Er betont allerdings auch, dass das System in der Regel funktioniert und nicht umsonst zählen Defizite hinsichtlich der Bewertung genotoxischer Verunreinigungen zu den häufigsten Mängeln in CEP-Verfahren. Das Problem sei die komplexe Thematik. In Zeiten, in denen Synthesen prioritär Patent-umgehend und kostengünstig und nicht unbedingt sicher sein müssten, erfordere es im Einzelfall erhebliche Sachkenntnis, um möglicherweise entstehende Verunreinigungen zu antizipieren. Diese Sachkenntnis habe nicht unbedingt jeder Assessor. Veit betont, dass auch er im vorliegenden Fall das bestehende Risiko hätte übersehen können. Er fordert jedoch vom EDQM eine Fehlerkultur, der sich im GMP-Umfeld jeder stellen muss. Eine korrektive Maßnahme könnte beispielsweise darin bestehen, dass Assessments zu möglichen genotoxischen Verunreinigungen immer zwingend gefordert werden und diese Unterlagen von erfahrenen Synthese-Chemikern beurteilt werden.
Man könne sich in diesem Zusammenhang durchaus auch die Frage stellen, ob die Synthese nicht generell auch dem offengelegt werden muss, der die rechtliche Verantwortung trägt und dieser auch alle Änderungen an der Synthese genehmigen muss. Das gelte insbesondere für neue Syntheseschritte, für die noch wenig Erfahrung vorliegt. Veit: „Zumindest muss gefordert werden, dass beim EDQM die bestehenden Prozesse einer Analyse unterzogen werden und evaluiert wird, wie in Zukunft ein Assessment erfolgen kann, das der Patientensicherheit vollumfänglich gerecht wird.“ |
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.