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Deutscher Hausärzteverband
Aufstand gegen Finanzinvestoren Medizinischer Versorgungszentren
Unklare Besitzverhältnisse, Renditestreben und negative Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung: Die Liste der Bedenken gegen Medizinische Versorgungszentren in der Hand von Finanzinvestoren ist aufseiten der Ärzteschaft lang. Der Deutsche Hausärzteverband will gegensteuern. Bei der Frühjahrstagung in Hannover haben die Delegierten am vergangenen Freitag einen Maßnahmenkatalog verabschiedet und an die Politik adressiert.
Diese Arztpraxis gehört Dr. Max Mustermann, Facharzt für Allgemeinmedizin. Eine solche Information soll demnächst am Eingang jeder Arztpraxis zu lesen sein – und damit auch offenlegen, wenn Finanzinvestoren hinter Arztpraxen stehen. Darauf haben sich die 115 Delegierten des Deutschen Hausärzteverbands (DHÄV) am Freitag in Hannover verständigt.
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Ihre Forderung ist einer von insgesamt elf Punkten eines an die Bundespolitik adressierten Maßnahmenkatalogs, den sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auf die Agenda setzen soll. Denn die niedergelassenen Ärzte treibt um, wie sich die ambulante Medizin weiterentwickelt.
Sorgen bereiten ihnen jene Finanzinvestoren, die im großen Stil Arztsitze aufkaufen und in Medizinische Versorgungszentren (MVZ) umwandeln, und bei denen Gewinnmaximierung und Renditestreben im Vordergrund stehen, nicht aber die Qualität der medizinischen Versorgung. Man wolle keine Neiddebatte führen, „es geht nicht darum, beleidigt zu sein“, betonte DHÄV-Vize Markus Beyer. Vielmehr gelte es, der aktuellen Entwicklung Einhalt zu gebieten. Die Frage sei, was MVZ-Strukturen mit der Versorgung machten.
Geldflüsse kontrollieren
Schon jetzt komme es zu 20 Prozent mehr Überweisungen, von denen 70 Prozent innerhalb der MVZ-Strukturen blieben. „Und das in einer Zeit, in der wir ohnehin schon Behandlungsweltmeister sind“, sagte Beyer. „Das ist unter Umständen ein erfolgreiches Geschäftsmodell für die Investoren, es kann aber niemals ein Modell für unsere Gesellschaft sein. Die Geldflüsse müssen kontrolliert werden, darauf hat die Gesellschaft ein Recht.“
Der DHÄV fordert den Gesetzgeber unter anderem auf, ein MVZ-Transparenzregister einzuführen, aus dem sich auch die nachgelagerten Inhaberstrukturen ergeben. Zudem sollen bei der Nachbesetzung von frei werdenden Arztsitzen niederlassungswillige Ärztinnen und Ärzte gegenüber MVZ vorrangig berücksichtigt und die Zahl angestellter Ärztinnen und Ärzte auch für MVZ begrenzt werden.
Vertragsärzte sollen Mehrheit der Gesellschaftsanteile besitzen
Vertragsärzte sollen zudem über die Mehrheit der Gesellschaftsanteile und Stimmrechte der MVZ-Trägerschaft verfügen beziehungsweise die Entscheidungsstrukturen einer MVZ-Trägerschaft in Händen von Vertragsärzten liegen. Im Maßnahmenkatalog findet sich ferner die Forderung nach einer Beschränkung der Gründungsbefugnis für MVZ von Krankenhäusern analog der von Zahnärzten und nach der Vorgabe, dass ein Krankenhaus-MVZ nur noch in räumlicher Nähe zu dem gründenden Krankenhaus möglich ist. Und: Der Abschluss von Gewinnabführungs- oder Beherrschungsverträgen von MVZ mit natürlichen oder juristischen Personen soll unzulässig sein.
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Wie wirken MVZ auf die Versorgung?
Laut DHÄV-Chef Ulrich Weigeldt beleuchtet die jüngste Diskussion um investorenbetriebene MVZ das Problem in der ambulanten Versorgungsebene. „Wir müssen uns mit diesen Problemen intensiv auseinandersetzen, da es für den hausärztlichen Nachwuchs von großer Bedeutung werden wird. Wir wissen, dass immer mehr junge Kolleginnen und Kollegen die – oft vermeintliche – Sicherheit der Anstellung suchen.“
Dies geschehe einerseits, um die Arbeitsbelastung „auf ein erträgliches Maß zu begrenzen und mehr Zeit für Familie und andere Lebensbereiche zu haben“. Häufig aber auch, „weil sie das – eigentlich nicht vorhandene – Risiko scheuen, sich in finanzielle Abhängigkeit für eine Praxisgründung zu begeben.“ Auf der anderen Seite stehe immer der Wunsch, gute Ärztinnen oder Ärzte für ihre Patientinnen und Patienten zu sein und gemeinsam mit ihnen richtige, medizinisch begründete Entscheidungen zu treffen. Die Frage sei deshalb, in welchem Rahmen das am besten möglich sei.
Ärztinnen und Ärzte müssen das Sagen haben
Gebraucht würden demnach kooperative Formen der Berufsausübung von Hausärztinnen und Hausärzten. Dabei müsse jedoch klar sein, „dass die Ärztinnen und Ärzte das Sagen haben und nicht die Controller“, so Weigeldt. Je mehr renditegetriebene Strukturen gebildet würden, desto eher könne die Anstellung in einer solchen Einrichtung zwar mehr oder weniger klare Arbeitszeiten gewährleisten, aber bei medizinischen Entscheidungen in Abhängigkeit von ökonomischen Kriterien bringen.
„Wir müssen an beiden Seiten zu Lösungen kommen: Einerseits so weit wie möglich die Kommerzialisierung der Medizin, vor allem der hausärztlichen Medizin, an der Ausbreitung hindern. Und andererseits Wege finden, den Bedürfnissen der jungen Kolleginnen und Kollegen nachzukommen und Praxisstrukturen aufzuzeigen, die diesen entsprechen“, erklärte Weigeldt in seiner Rede.
2 Kommentare
größere Kreise
von Stefan Haydn am 10.05.2022 um 11:43 Uhr
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Den Haien verfüttert !
von ratatosk am 09.05.2022 um 18:36 Uhr
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