Wirtschaftskonferenz des Deutschen Apothekerverbands

„Sondereffekte sind keine nachhaltige Entwicklung“

Stuttgart - 28.04.2022, 15:15 Uhr

Vize-DAV-Chef Hans-Peter Hubmann (s / Screenshot: DAZ / youtube)

Vize-DAV-Chef Hans-Peter Hubmann (s / Screenshot: DAZ / youtube)


Das wirtschaftliche Ergebnis der Apotheken im Jahr 2021 ist stark von der Mehrarbeit in der Corona-Pandemie geprägt. Durchschnittlich machten die Betriebe mehr Umsatz und Gewinn. Doch die positive Momentaufnahme trügt. Bereits die Prognose für das laufende Jahr ist bitter. Diese Nachricht stand im Mittelpunkt der Wirtschaftskonferenz des Deutschen Apothekerverbands.

Hans-Peter Hubmann, Claudia Korf, Eckart Bauer – alle drei hatten am gestrigen Mittwoch bei der virtuell stattfindenden Wirtschaftskonferenz des Deutschen Apothekerverbands (DAV) eine gemeinsame Herausforderung: Sie mussten die positive Umsatz- und Gewinnentwicklung einer Branche präsentieren und gleichzeitig erklären, warum diese vor allem auf Einmaleffekten beruht und die nahe Zukunft alles andere als rosig aussieht.

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2021 – das Apothekenjahr der Sondereffekte

„Ja, es gab im letzten Jahr durch die Pandemie durchaus erhebliche Zusatzvergütungen“, räumte der stellvertretende DAV-Vorsitzende Hans-Peter Hubmann in seinem politischen Lagebericht ein. Doch diese zusätzlichen Einnahmen seien stets mittelgebunden gewesen. Die Apotheken mussten für die Ausstellung der Impfzertifikate, für die Versorgung der Praxen mit COVID-19-Impfstoffen sowie für die Durchführung der Bürgertests zusätzliche Leistungen erbringen, die es erst noch zu etablieren galt. „Dass diese entsprechend vergütet wurden, ist selbstverständlich“, so Hubmann. Er mahnte zugleich: „Sondereffekte sind Sondereffekte und keine nachhaltige Entwicklung.“

Eine Binsenweisheit, könnte man meinen, die eigentlich in den Köpfen der Ökonomen und in der Politik verankert sein müsste. Doch ausgerechnet aus dem vom Corona-Experten Karl Lauterbach (SPD) geführten Bundesgesundheitsministerium (BMG) wurde zuletzt ein Referentenentwurf bekannt, der vorsieht, den Apothekenabschlag anzuheben und gleichzeitig die Mehrwertsteuer abzusenken. Dies würde die Apothekenbetriebe gleich in doppelter Weise finanziell schwächen. „Es ist uns absolut unverständlich, warum gerade die Apotheker als einzige Leistungserbringer belastet werden sollten, um die Gesetzliche Krankenversicherung zu entlasten“, so Hubmann. 

GKV-Finanzen nicht zulasten der Apotheken konsolidieren

Auch wenn eine Konsolidierung der GKV-Finanzlage unbestritten notwendig sei, müsse man realisieren, dass das Apothekenhonorar circa 2 Prozent und die Arzneimittelversorgung insgesamt weniger als 15 Prozent der GKV-Ausgaben ausmache. Außerdem seien die Apotheken bei der Packungsvergütung schon seit vielen Jahren von der wirtschaftlichen Entwicklung abgekoppelt. Honorarerhöhungen habe es nur „in homöopathischen Dosen“ gegeben, während Energiekosten und Inflation dagegen stark ansteigen. „Hier einseitig bei Apotheken und den pharmazeutischen Unternehmen anzusetzen, ist schlichtweg unverantwortlich! Zumindest, wenn man es mit dem Bekenntnis zur flächendeckenden Versorgung und der im Koalitionsvertrag angestrebten Stärkung lokaler Versorgungsstrukturen ernst meint.“

Apothekenbetrieb muss auskömmlich sein

Die Pläne aus dem Ministerium bezeichnete der DAV-Vorsitzende als einen Schlag ins Gesicht der Apothekerinnen und Apotheker: Wie sollten die Apotheken in einer solchen Situation planen? Wie sollten junge Pharmazeutinnen und Pharmazeuten davon überzeugt werden, sich mit einer eigenen Apotheke selbstständig zu machen? Wenn eine Apotheke schlicht nicht mehr auskömmlich ist, wie wolle man dann eine flächendeckende Versorgung gewährleisten?

Doch die drohenden GKV-Spargesetze stellen nur eine Gefahr aus Sicht der Apotheken dar. Der Fachkräftemangel erfasst große Teile der Branche. Nur starke und wirtschaftlich gesunde Apotheken könnten hochqualifiziertes Personal an sich binden, stellte Hubmann fest. „Gerade die von der Politik an uns herangetragenen zusätzlichen Aufgaben während der Pandemie wären ohne qualifiziertes Personal nicht zu leisten gewesen.“ Und gesellschaftlich gewünschte Lohnsteigerungen seien in einer personalintensiven Branche mit entsprechenden Kostensteigerungen verbunden, womit man wieder beim Vergütungsproblem der Apotheken lande.

Ist die Selbstverwaltung gescheitert?

Mit dem Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz wollte die Große Koalition die pharmazeutischen Dienstleistungen etablieren und die Apotheken so abseits der Arzneimittelpackung vergüten. Die Einführung entsprechender Tätigkeiten zu Beginn 2022 wurde jedoch durch die gescheiterten Verhandlungen des DAV mit den Krankenkassenvertretern verhindert. Aktuell findet ein Verfahren vor der Schiedsstelle statt. „Wenn es nicht möglich ist, zielgerichtet und orientiert an der Sache selbst miteinander zu verhandeln, und eine Seite nicht gewillt ist, Kompromisse zu schließen und stattdessen immer die Schiedsstelle entscheiden muss, dann funktioniert Selbstverwaltung nicht mehr“, merkte Hubmann in seiner Rede an. Es könne nicht angehen, dass man – wie die Kassen – Bundeszuschüsse in Milliardenhöhe kassiere, sich an anderer Stelle aber dem Willen des Gesetzgebers widersetze. „Gerade bei den pharmazeutischen Dienstleistungen, wo es nicht mehr um die Höhe der Kosten für die Gesetzliche Krankenversicherung geht, sondern nur noch um das konkrete Leistungspaket.“

Korf: „Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer!“

Keine angepasste Packungsvergütung, keine neuen Honorare durch die Erbringung pharmazeutischer Dienstleistungen: Auch die Geschäftsführerin Ökonomie der ABDA, Claudia Korf, bemühte sich in ihrem Vortrag darum, die Corona-bedingen Sondereffekte von der allgemeinen Branchenentwicklung zu differenzieren. „Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer!“ Mit dieser Redewendung begann sie ihren Vortrag und warnte davor, aus dem Apothekenwirtschaftsbericht 2021 voreilige Schlüsse für die nahe Zukunft zu ziehen. Nur 77 Neueröffnungen von Apotheken stehen demnach 269 Schließungen gegenüber. Am Ende des vergangenen Jahres zählte die ABDA deutschlandweit noch 18.461 Apotheken. Einen positiven Trend sehe man höchstens bei der Filialisierung: Wahrend die Zahl der Filialen 2020 um 41 zunahm, stieg sie im Folgejahr um 100. Im gleichen Zeitraum sank die Zahl der Haupt- und Einzelapotheken um 392. Das wirtschaftliche Überleben mancher Apotheken scheint nur noch durch die Aufnahme in Filialverbünde möglich zu sein.

Korf: Sparpläne sind „verkappte Kappung des Fixums“

Den Spargesetzentwürfen aus dem BMG teilte auch die Ökonomie-Expertin Korf mehrfach eine Absage. Die Erhöhung des Apothekenabschlags bei gleichzeitiger Absenkung der Mehrwertsteuer bezeichnete sie als „verkappte Kappung des Fixums“. Die geplante Maßnahmen sähen weder Leistungskürzungen noch Einsparungen im ambulanten und stationären Sektor vor, wohl aber Einsparungen im Arzneimittelbereich in Höhe von 2,8 Milliarden Euro, von denen die Apotheken durch den erhöhten Apothekenabschlag und die abgesenkte Mehrwertsteuer etwa 237 Millionen Euro schultern müssten. Im Hinblick auf den zweiprozentigen Anteil des Apothekenhonorars an den GKV-Ausgaben für Arzneimittel und den 15-prozentigen Anteil der Arzneimittelausgaben an den GKV-Gesamtausgaben erinnerte Korf: „Wir sind nicht das Problem!“ Und im Hinblick auf die Corona-bedingten Sonderumsätze rechtfertigte sie: „Wir haben gedient und uns nicht bereichert.“

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Viel Leistung für ein kleines Stück vom Kuchen

Eckart Bauer, Abteilungsleiter Wirtschaft und Soziales bei der ABDA, konstatierte, dass die GKV immer weniger zum wirtschaftlichen Unterhalt der für die Arzneimittelversorgung ihrer Versicherten notwendigen Apotheken-Infrastruktur beitrage und gleichzeitig Finanzprobleme habe. „Das deutet darauf hin: Es liegt nicht an den Apotheken!“ Die Coronakrise habe die Unterfinanzierung der GKV in den vergangenen Jahren verdeckt und gleichzeitig zum großen Defizit beigetragen. Das gilt auch für die Leistungserbringer: Viele der Maßnahmen, die die Apotheken erbracht und Geld eingebracht haben, sind schon ausgelaufen und werden es bald sein.

Gut prognostizierbare Faktoren

Bauer hält für das Jahr 2022 eine Reihe von Einflussfaktoren auf die Apothekenbetriebswirtschaft für gut prognostizierbar. Dazu gehören die Arzneimittelpreisverordnung, also die Höhe des packungsabhängigen Fixhonorars, das in seinen Augen unverändert bleiben wird – und das bereits seit 2013. Beim Absatz von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln erwartet er eine Stagnation, beim OTC-Absatz dieselbe Situation, mit der Unsicherheit, wie sich der Versandhandel entwickeln wird. Die Höhe der Notdienstpauschale für jede Apotheke werde sich ebenfalls nicht verändern. „Klar schlechter“ werden die Einkaufskonditionen ausfallen. 

Die Honorare aus pharmazeutischen Dienstleistungen werden im Jahr 2022 nur eine geringe Umsatz-, Kosten und Gewinnbedeutung erlangen. Die steigenden Lohnkosten sollen für die durchschnittliche Apothekenbetriebsstätte zu einer Mehrbelastung von 17.000 Euro führen. Für die durchschnittliche Apotheke rechnet der ABDA-Ökonom mit einem Gewinnrückgang in Höhe von 70.000 Euro im laufenden Jahr, allein durch den Wegfall der Schutzmasken-Verteilung, die Durchführung weniger Bürgertests sowie die Ausstellung weniger Impfzertifikate. Es sei jedoch äußerst kompliziert, die pandemiespezifischen Umsätze und Kosten zu erfassen. Man rechne mit deutlichen Unterschieden zwischen den Apotheken, selbst bei Betrieben vergleichbarer Umsatzklassen.

Diese Zahlen und Prognosen, so die einstimmige Meinung von Hubmann, Korf und Bauer, könnten nur für den Fall gelten, wenn die Politik nicht noch Gesetze zur Kostendämpfung im GKV-Wesen auf den Weg bringt. Pandemiebedingte Sondereffekte bilden eben keine gute Grundlage dafür, eine Branche in die Zukunft zu führen.



Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@daz.online


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