Sparpläne des BMG

Overwiening: „Ein Schlag ins Gesicht“

Berlin - 17.03.2022, 10:50 Uhr

ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening ist entsetzt über die bekannt gewordenen Apothekensparpläne aus dem Hause Lauterbach. (c / Foto: Screenshot Youtube)

ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening ist entsetzt über die bekannt gewordenen Apothekensparpläne aus dem Hause Lauterbach. (c / Foto: Screenshot Youtube)


ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening hat zu den Plänen des Bundesgesundheitsministeriums, den Kassenabschlag der Apotheken für zwei Jahre auf zwei Euro anzuheben, eine klare Botschaft an die Politik: Dies bedeute eine Reduktion des Packungshonorars um 5,5 Prozent, und „das kann die Apothekerschaft so nicht tragen“, betonte sie am Mittwoch bei einem ABDA-Live-Talk.

Am gestrigen Mittwochabend war Dirk Heidenblut, Berichterstatter für Apotheken der SPD-Bundestagsfraktion, beim ABDA-Talk „Lass uns reden“ zu Gast. ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening wollte mit ihm über den Koalitionsvertrag und die gesundheits- beziehungsweise apothekenpolitischen Pläne der noch jungen Ampelregierung sprechen. Das hat sie auch – doch zunächst brannte ihr natürlich der jüngste Referentenentwurf aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) unter den Nägeln. Dieser Entwurf für ein „GKV-Finanzstabilisierungsgesetz“ war am späten Dienstagnachmittag durchgesickert und sorgte für Entsetzen in der Apothekerschaft – und bei der Pharmaindustrie.

Um die GKV-Finanzen wieder in den Griff zu bekommen, ist unter anderem ein Sparbeitrag der Apotheken vorgesehen: Der seit 2015 auf 1,77 Euro pro Rx-Packung liegende Kassenabschlag soll temporär – für zwei Jahre – auf 2 Euro angehoben werden. Davon verspricht sich das BMG dem Entwurf zufolge eine Einsparung von 170 Millionen Euro. Wie die DAZ gestern bereits berichtete, ist mehr als unklar, wie diese Summe berechnet wurde – die wirklichen Honorarverluste würden auch angesichts einer ebenfalls in Aussicht gestellten Mehrwertsteuersenkung auf Arzneimittel weit höher ausfallen. Auf eine Nachfrage der DAZ beim BMG hierzu hieß es von dort allerdings nur knapp, dass es „aktuell keinen Gesetzesentwurf“ gebe. Tatsächlich ist der Vorstoß aus dem BMG offenbar schon im Kanzleramt abgeprallt – auch mit den Regierungsfraktionen sind die Maßnahmen nicht abgestimmt. Dennoch existiert die Vorlage aus dem Hause Lauterbach und wird sicher nicht zur Gänze in der Schublade verschwinden. Die GKV-Finanzen sind nun einmal in einer Schieflage und einige der Sparmaßnahmen waren im Koalitionsvertrag angekündigt und sind daher nicht so überraschend wie der erhöhte Kassenabschlag. 

Eine große Enttäuschung

Und so startete der ABDA-Talk mit diesem Thema. Overwiening betonte zu Beginn des Gesprächs, dass der Koalitionsvertrag auch für Apotheken viele Optionen enthalte, „für die wir sehr dankbar sind“. Etwa was den Ausbau pharmazeutischer Dienstleistungen  betrifft, oder dass Apotheken als wichtiges Element der Infrastruktur hervorgehoben werden sollen. Aus diesem Koalitionsvertrag hatten sich die Apotheker:innen eher mehr Geld versprochen – doch dann flatterte besagter Referentenentwurf ins ABDA-Haus. Statt einer Dynamisierung beim Honorar, um eine Zukunft zu gestalten, solle den Apotheken nun „etwas weggenommen [werden] von dem eh schon sehr knappen Salär“. Overwiening: „Das ist für uns alle wie ein Schlag ins Gesicht“. Es sei eine große Enttäuschung und habe zu Irritationen und Verärgerung geführt.

Rechenprobleme im BMG

Die ABDA-Präsidentin kann ebenfalls nicht nachvollziehen, wie das BMG auf Einsparungen von 170 Millionen Euro kommt: „Ich weiß nicht, wer das gerechnet hat, auf jeden Fall niemand, der Mathematik in der Schule hatte“. Die Summen, auf die sie komme, seien sehr viel höher – erst recht wenn auch noch die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel auf 7 Prozent gesenkt würde. Sie verwies darauf, dass der Kassenabschlag die Mehrwertsteuer beinhaltet. Wenn man hier also ansetzen wolle, müsse man den Abschlag am besten erst einmal im Sozialgesetzbuch V als Nettobetrag definieren. Dann wären die Apotheken bei einer Mehrwertsteueränderung in diesem Punkt unabhängig. Doch so wie jetzt vorgesehen, würde die Apotheke 38 Cent pro Packung weniger bekommen. Das sei eine Reduktion von 5,5 Prozent bezogen auf die 8,35 Euro Festzuschlag. „Das kann die Apothekerschaft so nicht tragen“, betonte Overwiening.

Heidenblut vermochte in diese Diskussion allerdings nicht weiter einzusteigen. Er selbst habe den Referentenentwurf erst kurz vor der Diskussion in die Hände bekommen und von der beabsichtigten Änderung erfahren. „Das hat mich auch überrascht“. Er erklärte, noch sei der Entwurf nicht im parlamentarischen Verfahren. Dort werde man dann schauen, wie es weiter geht.

Den ABDA-Talk können Sie sich hier zur Gänze anschauen.


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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1 Kommentar

Ja, das mit dem Rechnen ...

von Reinhard Herzog am 17.03.2022 um 12:20 Uhr

Für die GKV sind die 170 Mio .€ tatsächlich nicht ganz plausibel. Allerdings: sie interessiert die enthaltene Mehrwertsteuer nicht. Für die sind 1,77 € brutto eben 1,77 € und 2 € bleiben unabhängig von der Mehrwertsteuer 2 €.

Damit also rund 600 ... 630 Mio. Rx-Packungen (nur GKV) je nach Datenquelle mal 0,23 € Differenz = rund 138 ... 145 Mio. €.

Bei den Apotheken steigt der Kassenrabatt von 1,77 / 1,19 = 1,49 € auf 2,00 / 1,07 = 1,87 €. Macht ein Delta von 0,38 € oder, bei im Schnitt 33.000 Rx-Packungen (GKV) je Apotheke, von knapp 13.000 € absolut. Sie büßen in summa also um 230 Mio. € ein. Die Senkung der Mehrwertsteuer ist hier die Tücke im Detail.

Und 0,38 € sind tatsächlich 5,5%, aber eben bezogen auf die real nach Abschlag erhaltenen 6,86 € Fixzuschlag (und nicht 8,35 €).
Inwieweit der prozentuale Aufschlag (3%, + ggf. GH-Rabatte) leidet, hängt sehr davon ab, ob die zugrundeliegenden "Listenpreise" angetastet werden, oder neue Industrierabatte daran vorbei erhoben werden.

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