Mehrwertsteuereffekte beim Kassenabschlag verhindern

Vorschlag: Den Kassenabschlag als Nettobetrag festlegen

Süsel - 25.04.2022, 12:15 Uhr

Aktuell werden bei Arzneimitteln 19 Prozent Mehrwertsteuer fällig. Eine ganze Reihe von Akteuren im Gesundheitswesen möchte das ändern. (b / Foto: IMAGO / Andreas Gora)

Aktuell werden bei Arzneimitteln 19 Prozent Mehrwertsteuer fällig. Eine ganze Reihe von Akteuren im Gesundheitswesen möchte das ändern. (b / Foto: IMAGO / Andreas Gora)


Mittlerweile fordern gefühlt fast alle Akteure im Gesundheitswesen, die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel zu senken. Das ist nachvollziehbar. Doch eine solche Steuersenkung, die fast alle entlasten würde, wäre für die Apotheken eine Belastung beim Kassenabschlag. Daran muss immer wieder erinnert werden. Eine mögliche Gegenmaßnahme: Die nachhaltigste Wirkung bietet eine Umformulierung des Kassenabschlags als Nettobetrag.

Die vor einigen Wochen bekannt gewordenen Pläne für ein Spargesetz aus dem Bundesgesundheitsministerium sahen eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel vor. Offenbar um das Ministerium in dieser Idee zu bestärken, fordern die Krankenkassen jetzt eine solche Senkung. Auch Apothekerorganisationen unterstützen diese Idee, beispielsweise am Freitag die Apothekerkammer Brandenburg. Die Kammer erklärt dazu aber auch, dann müssten gleichzeitig die Regelungen zum Apothekenabschlag geändert werden. Gemeint ist der Abschlag gemäß § 130 Abs. 1 SGB V, der in Apotheken meist als Kassenabschlag bezeichnet wird.

Der Hintergrund dazu ist, dass dieser Abschlag als Bruttobetrag formuliert ist. Derzeit sind es 1,77 Euro brutto, die die Krankenkassen vom Rechnungsbetrag jedes Rx-Arzneimittels abziehen. Die Apotheken werden beim derzeitigen Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent durch den Nettobetrag von 1,49 Euro belastet. Bei einer Senkung des Mehrwertsteuersatzes auf 7 Prozent wären es dagegen 1,65 Euro netto. Die Apotheken würden dann bei jedem Rx-Arzneimittel 16 Cent Rohertrag einbüßen.

Dagegen würden Krankenkassen und Patienten von der Mehrwertsteuersenkung profitieren. Bei einer Senkung von 19 auf 7 Prozent fallen die Bruttopreise für sie um 10,08 Prozent. Angesichts dieses Vorteils fällt es schwer, den Nachteil für die Apotheken zu vermitteln. Die besten Aussichten dürfte eine solche Argumentation haben, wenn dabei eine passende Gegenmaßnahme aufgezeigt wird.

Nettobetrag als zukunftssichere Idee

Als bester Weg erscheint, den Abschlag in § 130 Abs. 1 SGB V künftig als Nettobetrag festzuschreiben. Das ist einfach zu formulieren und hat einen Riesen-Vorteil: Es wäre eine zukunftssichere Regelung. Wie auch immer die Mehrwertsteuer künftig geändert wird, gäbe es dann an dieser Stelle keine gegenläufigen Effekte für die Apotheken mehr. Das Problem, das auch schon bei der zeitweiligen Senkung der Mehrwertsteuer im zweiten Halbjahr 2020 bestand, wäre für die Apotheken dauerhaft behoben. Die Mehrwertsteuereffekte des Kassenabschlags würden künftig die Krankenkassen treffen.

Ein Abschlag von 1,49 Euro netto würde die bestehende Situation für die Apotheken fortschreiben und die Folgen der Mehrwertsteueränderung auf die Krankenkassen übertragen. Beim Kassenabschlag müsste dann die Mehrwertsteuer aufgeschlagen werden (bisher ist sie in den 1,77 Euro brutto enthalten), aber ihre Höhe würde sich stets nach dem jeweiligen Satz richten. Änderungen wären für die Apotheken ergebnisneutral. Bei einem Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent würden die Krankenkassen nur noch 1,59 Euro, also 18 Cent weniger als bisher, von ihrer Rechnung abziehen. Damit bei den Apotheken 16 Cent Entlastung ankommen, müssen die Krankenkassen wegen der Mehrwertsteuer und des Rundungseffektes mit 18 Cent belastet werden.

Höhere Entlastung für die Krankenkassen

Zugleich würden die Krankenkassen beim Rechnungsendbetrag in viel höherem Maße durch den Fiskus entlastet. Allein beim Festzuschlag von 8,76 Euro netto (inklusive Zuschlägen für Notdienst- und Dienstleistungsfonds) würden die Krankenkassen durch die Mehrwertsteuersenkung 1,05 Euro sparen. Hinzu käme die Entlastung beim Preisanteil für die Hersteller – umso mehr, je teurer das Arzneimittel ist. Die große Entlastung der Krankenkassen würde also nur geringfügig gemindert, wenn sie 18 Cent pro Rx-Arzneimittel an die Apotheken weiterreichen müssten. Der von der wesentlichen Maßnahme Begünstigte sollte den „Kollateralschaden“ beim Kassenabschlag tragen. Das erscheint viel fairer, als die Apotheken zu belasten, die dies nicht kompensieren können. Sollte die Mehrwertsteuer irgendwann einmal steigen, würden die Krankenkassen beim Rechnungsendbetrag belastet, aber bei dieser Variante beim Kassenabschlag etwas entlastet. Auch das wäre dann fair.

Kompensation wäre einmal wirksam

Zurück zur derzeitigen Herausforderung, die Apotheken bei einer Mehrwertsteuersenkung von den Folgen beim Kassenabschlag zu entlasten: Ein eigener, unveränderter Mehrwertsteuersatz für den Abschlag würde den Steuereffekt auf den Fiskus abwälzen. Doch dies wäre sehr kompliziert und dürfte daran scheitern, dass für dasselbe Produkt innerhalb der Wertschöpfungskette keine unterschiedlichen Mehrwertsteuersätze gelten können. 

Bei jeder anderen Lösungsvariante müssten die Krankenkassen die Mehrwertsteuerdifferenz aufbringen. Denkbar wäre eine Kompensation, bei der der Brutto-Kassenabschlag gesenkt wird. Bei einer Senkung der Mehrwertsteuer auf 7 Prozent wäre ein Brutto-Kassenabschlag von 1,59 Euro ergebnisneutral für die Apotheken – also 18 Cent weniger als derzeit. Doch alle Fragen würden sich bei der nächsten Mehrwertsteueränderung erneut stellen.

Nettobetrag wirkt am Ursprung des Problems

Außerdem ist die bisherige Formulierung des Kassenabschlags als Bruttobetrag der Ursprung des Problems. Darum sollte die Gegenmaßnahme an dieser Stelle ansetzen. Das alles spricht für eine Formulierung des Kassenabschlags als Nettobetrag.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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