Long-COVID, Post-COVID-Syndrome oder ME/CFS

Könnten Nahrungsergänzungsmittel bei Fatigue nach Corona helfen?

Stuttgart - 12.01.2022, 09:14 Uhr

Eine vorübergehende Supplementierung mit für den Energiestoffwechsel wichtigen Faktoren könnte möglicherweise zur Symptomverbesserung bei ME/CFS führen. (Foto: Lea_Aring / Deutsche Gesellschaft für ME/CFS)

Eine vorübergehende Supplementierung mit für den Energiestoffwechsel wichtigen Faktoren könnte möglicherweise zur Symptomverbesserung bei ME/CFS führen. (Foto: Lea_Aring / Deutsche Gesellschaft für ME/CFS)


Immer wieder wurde seit Beginn der Pandemie vor Werbung für Nahrungsergänzungsmittel gewarnt, die einen Schutz vor COVID-19 verspricht. Wie sieht es aber bei den Nachwirkungen einer COVID-19-Erkrankung aus? Könnten hier NEM bei Fatigue zumindest unterstützen? Kausal behandeln kann man Long-COVID, Post-COVID-Syndrome oder das chronische Fatigue-Syndrom jedenfalls noch nicht. Und Fatigue ist nicht gleich Fatigue. Oft ist Patient:innen aber schon geholfen, wenn sie ihre Krankheit besser verstehen und einschätzen können. Was sollten Apotheker:innen wissen?  

Während so mancher im Rahmen der Omikron-Welle auch auf ein Ende der Pandemie hofft, ist noch immer nicht klar, wie sich Corona langfristig auf unsere Gesundheit auswirken könnte – Stichwort Long-COVID. Kurz vor Weihnachten sagte der Mediziner Dominik Buckert vom Universitätsklinikum Ulm der Nachrichtenagentur dpa: „Der Wissenszuwachs in den vergangenen Monaten war enorm“, das Gesamtbild der Erkrankung sei heute nicht mehr so nebulös, wie es zu Beginn der Pandemie war. 

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Die Beschwerden lassen sich demnach grob in zwei Gruppen einteilen: 

  • Bei etwa 10 bis 20 Prozent der Betroffenen seien Schäden an Organen wie Herz oder Lunge nachweisbar. 
  • Deutlich mehr kämpften mit eher funktionellen Beeinträchtigungen wie einer geringeren Belastbarkeit, Konzentrationsstörungen oder anhaltenden Riech- und Schmeckstörungen.

Über mögliche subklinische Organschäden – auch bei einem milden Verlauf – informierten im Januar auch Daten des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE). Doch schon im Dezember hatte Buckert der dpa gesagt: „Wenn sich nachweislich ein Organ verändert hat, muss das nicht immer dramatisch sein.“ Entzündliche Veränderungen am Herzen etwa könnten zwar den Herzmuskel dauerhaft schädigen, heilten aber häufig vollständig aus. Und: „Es gibt für die Behandlung der Beschwerden etablierte Therapiekonzepte“, sagte Buckert. 

Allerdings ist das Rätsel um Long-COVID und ähnliche Erkrankungen damit keineswegs gelöst.

Long-COVID-/Post-COVID-Syndrome und häufige Symptome

Laut Leitlinie gibt es verschiedene gängige Begrifflichkeiten zu Long-COVID-/Post-COVID-Syndromen. So können bei akutem COVID-19 die Symptome bis zu vier Wochen bestehen. Bestehen die Symptome für vier bis zwölf Wochen, ist in der Leitlinie von „fortwährend symptomatischem COVID-19“ die Rede. Kommen nach den vier Wochen „akutem COVID-19“ neue Symptome hinzu oder sie bestehen fort (auch länger als 12 Wochen), spricht man auch von Long-COVID – oder ab zwölf Wochen von „Post-COVID-19-Syndrom“.

Unter den „Empfehlungen zu häufigen Symptomen (Allgemeinmedizin)“ der Krankheitsbilder finden sich in der Leitlinie die 

  • Fatigue,
  • Dyspnoe (Ruhe-/Belastung-)Husten,
  • Kopfschmerzen,
  • Riech- und Schmeckstörungen,
  • Schlafstörungen,
  • allg. Schmerzen und
  • psychische Beschwerden.

Die Fatigue erfährt in der Öffentlichkeit besondere Aufmerksamkeit.

Fatigue oder ME/CFS? 

Die dpa sprach im Dezember mit der Medizinerin Carmen Scheibenbogen, die das „Fatigue Centrum“ der Charité leitet. Demnach richtet sich die Behandlung der Patienten mit Fatigue an den individuellen Symptomen aus, für die es Behandlungskonzepte gibt. Dazu zählen Reha-Maßnahmen, Physiotherapie, Atemtherapie und Medikamente. „Bei vielen bessern sich die Beschwerden, bei anderen halten sie an“, sagte Scheibenbogen. 

Auf dem Internetauftritt des Fatigue Centrums der Charité wird zwischen „Fatigue“ und dem „Chronischen Fatigue Syndrom (CFS)“ unterschieden. Demnach ist Fatigue ein häufiges Symptom in der Bevölkerung und ärztlichen Praxis bei unterschiedlichen Erkrankungen. Sie kann so stark ausgeprägt sein, dass Patienten schwer krank sind, heißt es. Die Ursachen seien vielfältig und nicht gut verstanden. Trete sie jedoch im Zusammenhang mit chronischen Erkrankungen auf, bessere sie sich oft durch die Behandlung der Erkrankung selbst.

Bei Long-COVID: Wann an das Chronische Fatigue Syndrom denken?

Das Chronische Fatigue Syndrom (CFS) gilt als eine eigenständige komplexe Erkrankung: „Typischerweise kommt es bei CFS nach einem Infekt zu schwerer Erschöpfung, die stets mit ausgeprägten körperlichen und kognitiven Symptomen einhergeht. Charakteristisch für CFS ist die oft erst am Folgetag einer Anstrengung auftretende Verschlechterung, die sog. postexertionelle Fatigue oder Malaise, die tage- oder sogar wochenlang anhalten kann.“ So die Definition des Fatigue Centrums der Charité. 

In der Long-COVID-/Post-COVID-Syndrom-Leitlinie heißt es: „Wenn bei Patienten im Alter unter 60 Jahren schwere Fatigue mit Belastungsintoleranz, kognitiven Störungen und Schmerzen auftreten und diese für mehr als 6 Monate bestehen, sollte das Vorliegen eines Chronischen Fatigue Syndroms (ME/CFS, G93.3) mit Hilfe der international akzeptierten Diagnosekriterien überprüft werden.“ Außerdem ist in der Leitlinie auch nachzulesen, dass das Symptom „Fatigue“ ebenso nach einer Vielzahl anderer Viruserkrankungen auftritt: „Das prominenteste Beispiel ist die Infektiöse Mononukleose durch Epstein-Barr-Virus (EBV), aber auch andere Viren wie beispielsweise Humanes Herpesvirus (HHV), Influenzaviren oder Rickettsien sind Verursacher einer solchen postinfektiösen Symptomatik“. Das Vollbild eines post-infektiösen Chronischen Fatigue-Syndroms (CFS) (synonym Myalgische Encephalomyelitis, ME) sei möglich.

Informationen zu Diagnostik und Therapie

Die „Deutsche Gesellschaft für ME/CFS“ hat sich zum Ziel gesetzt, die Öffentlichkeit und medizinische Fachkreise über ME/CFS und die Situation der Betroffenen aufzuklären. In einem geschützten Bereich (DocCheck Login) werden dort auch Informationen zur Diagnostik und Therapie bereitgestellt. Sie wurden in Abstimmung mit Ärztinnen und Ärzten des Instituts für Immunologie der Charité zusammengestellt, heißt es. 

Während es noch keine deutsche Leitlinie zu ME/CFS gibt, steht im Zentrum der CFS-Therapie das 

  • Energie-Management, 
  • die Kontrolle von Stress und 
  • die Behandlung von Symptomen. 

Eine kausale Arzneimitteltherapie gibt es bislang nicht, Untersuchungen dazu laufen aber. Dass ME/CFS bislang nicht heilbar ist, das geht auch aus der britischen NICE-Leitlinie von Oktober 2021 hervor. Darin spielt auch die Ernährung eine Rolle. Und auch die Charité informierte im Februar 2020 darüber, dass Patient:innen mit ME/CFS häufig Nahrungsergänzungsmittel einnehmen. Bislang gebe es jedoch nur wenige klinische Studien zur Wirksamkeit dieser Substanzen bei ME/CFS. Dennoch sollen Studien bei ME/CFS metabolische Störungen zeigen: „u.a. eine Hemmung des Citratzyklus und der Zellatmung, der sog. oxidativen Phosphorylierung in den Mitochondrien mit verminderter Produktion von ATP; ferner einen Mangel u.a. von B1, B2, B6-Vitaminen, NADH, Taurin, Aminosäuren und Lipiden“.

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Eine vorübergehende Supplementierung mit für den Energiestoffwechsel wichtigen Faktoren wie Ribose, Vitamin B1 und B2, B12, NADH und CoenzymQ10 und Carnitin könne daher möglicherweise zur Symptomverbesserung führen. Auch die Aminosäure Arginin könne zu Symptomverbesserung führen, heißt es – gefäßregulierende Effekte und Wirksamkeit bei endothelialer Dysfunktion werden genannt. Eine Liste mit in der Apotheke erhältlichen Nahrungsergänzungsmitteln, mit denen möglicherweise eine Symptomverbesserung erreicht werden kann, kann im geschützten Bereich heruntergeladen werden. In dem Schreiben der Charité wird eine Einnahme für vier Wochen als Versuch empfohlen – „bei guter Verträglichkeit und Besserung der Symptome können Substanzen auch länger eingenommen werden“, heißt es. 

Galt es sonst im Laufe der Pandemie bei Patientenwünschen nach Nahrungsergänzungsmitteln also eher kritisch zu sein, sollte man an dieser Stelle Patient:innen in der Apotheke mit entsprechenden Präparaten unterstützen und nicht grundsätzlich ihren Nutzen anzweifeln. 



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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