Bundesrepublik bestellt 80.000 Dosen

Molnupiravir wirkt schlechter als gedacht

Stuttgart - 03.12.2021, 17:50 Uhr

Die Wirksamkeit von Molnupiravir liegt statt bei 50 Prozent bei lediglich 30 Prozent. (Foto: troyanphoto / AdobeStock)

Die Wirksamkeit von Molnupiravir liegt statt bei 50 Prozent bei lediglich 30 Prozent. (Foto: troyanphoto / AdobeStock)


80.000 Dosen Molnupiravir hat die Bundesregierung bestellt, die EMA prüft das orale Arzneimittel gegen COVID-19 allerdings noch. Auch hat die Wirksamkeit von Molnupiravir mittlerweile einen Dämpfer erfahren, und MSD musste einräumen, dass Molnupiravir schlechter wirkt als ersten Zwischenergebnissen zufolge erhofft: Molnupiravir verhinderte Krankenhauseinweisung und Tod nur zu 30 Prozent und nicht wie erst angenommen zu 50 Prozent.

50 Prozent weniger Krankenhauseinweisungen und Tod: Mit diesen Zwischenergebnissen der MOVe-OUT-Studie hatte MSD Anfang Oktober die Hoffnung auf ein äußerst wirksames – und vor allem orales – Arzneimittel gegen COVID-19 geschürt. Es geht um Molnupiravir, das die EMA mittlerweile im Rolling-Review-Verfahren prüft und für das die Europäische Arzneimittelagentur bereits eine wissenschaftliche Einschätzung zur Anwendung noch vor EU-Marktzulassung abgegeben hat. Die Bundesrepublik hat bereits 80.000 Dosen bestellt, die ab Dezember eintreffen sollen. In Großbritannien ist Molnupiravir bereits unter dem Fertigarzneimittelnamen Lagevrio® zugelassen. Nun gibt es neue Daten, welche die Euphorie aus dem Oktober allerdings etwas dämpfen – die Wirksamkeit von Molnupiravir liegt nun statt bei 50 Prozent bei lediglich 30 Prozent.

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Laut einer Mitteilung von MSD verringerte Molnupiravir – nach Auswertung aller in MOVe-OUT eingeschlossenen Patienten (1.433) – das Risiko für Krankenhauseinweisung und Tod von 9,7 Prozent in der Placebogruppe (68 von 699 Patienten) auf 6,8 Prozent in der Molnupiravirgruppe (48 von 709 Patienten). Die Gabe von Molnupiravir bei nicht hospitalisierten COVID-19-Patienten (leicht bis mittelschwer erkrankt, mindestens ein Risikofaktor für einen schweren Verlauf) verringerte bei den Erkrankten damit ihr absolutes Risiko ins Krankenhaus zu kommen oder zu sterben um 3 Prozent, die relative Risikoreduktion lag bei 30 Prozent. Während in der Placebogruppe jedoch neun COVID-19-Patienten verstarben, gab es in der Molnupiravirgruppe nur einen Todesfall. Alle Patienten waren zuvor laborbestätigt SARS-CoV-2-positiv und hatten innerhalb von fünf Tagen eine Therapie mit zweimal täglich Molnupiravir (800 mg) oder Placebo begonnen, die sie über fünf Tage fortführten. Ausgewertet wurde nach 29 Tagen.

Zwischenergebnisse waren positiver

Anfang Oktober stimmten die Ergebnisse optimistischer, damals war für die Zwischenanalyse allerdings nur etwa die Hälfte der Studienteilnehmer (762) ausgewertet worden: 7,3 Prozent (28/385) der COVID-19-Patienten mussten den damaligen Ergebnissen zufolge im Krankenhaus behandelt werden, in der Placebogruppe waren es 14,1 Prozent (53/377). Auch war zu diesem Zeitpunkt noch kein COVID-19-Patient unter Molnupiravir verstorben, in der Placebogruppe war es bereits zu acht Todesfällen gekommen. Aufgrund dieser positiven Daten hatte MSD damals auf Empfehlung des externen Datenüberwachungskomitees und Zustimmung der FDA die Aufnahme weiterer Studienteilnehmer in MOVe-OUT eingestellt.

Mutagen? Embryotoxisch? Beeinträchtigtes Knochenwachstum?

Hinsichtlich der Nebenwirkungen hat sich laut MSD von der früheren Zwischenanalyse zur abschließenden Studienauswertung nichts geändert: Das Profil der Nebenwirkungen sei konsistent geblieben. Dass es durchaus kritische Nebenwirkungen geben könnte, geht aus dem „FDA Briefing Document“ vom 30. November 2021 hervor, welches für die Zulassungsentscheidung zu Molnupiravir in den Vereinigten Staaten mit herangezogen wird. Das Dokument fasst die Gesamtergebnisse und die Ergebnisse von Untergruppen aus der Phase 2/3 der klinischen Studie zu Molnupiravir (Stand der Zwischenergebnisse) sowie die bekannten und potenziellen Risiken des antiviralen Arzneimittels zusammen, insbesondere auch nicht-klinische Befunde zur Mutagenität, zur embryofetalen Toxizität, Daten zu einem beeinträchtigten Knochen- und Knorpelwachstum durch Molnupiravir sowie dessen Potenzial, die Rate an Mutationen im Spikeprotein zu erhöhen und das Entstehen von Virusvarianten zu begünstigen. Aus diesem Grund wird die FDA ein besonderes Augenmerk darauf legen, welche Patienten am meisten von Molnupiravir profitieren können und für welche das Nutzen-Risiko-Verhältnis vertretbar ist.

Wie wirkt Molnupiravir?

Molnupiravir zählt zu den Virostatika und hemmt die Vermehrung von RNA-Viren. Die RNA enthält die genetische Information des Virus. Es handelt sich um eine lange Zucker-Phosphat-Kette, an die einzelne Nukleinbasen – Adenin, Cytosin, Guanin und Uracil – angeknüpft sind. Als Zuckerbaustein dient Ribose, daher auch der Name Ribonukleinsäure. Will sich ein Virus nun vermehren, muss es zunächst seine Erbinformation für die Nachfolgegeneration verdoppeln und eine neue RNA-Kette, bestehend aus Zucker-Phosphat und den daran angehängten Nukleinbasen, knüpfen. Molnupiravir ähnelt von seinem chemischen Aufbau der Nukleinbase Cytosin und wird so als „falscher“ Baustein in die neue RNA der Virus-Nachkommen eingebaut, was die RNA-Synthese und damit Virusvermehrung stört. Letztendlich schleust Molnupiravir während sich das Virus vermehrt Fehler in dessen Genom ein, die dann auch im neu entstehenden Virus eingebaut werden. Das Virus ist dadurch nicht mehr überlebensfähig und kann sich auch nicht weiter vermehren. Molnupiravir ist in Forscherkreisen auch bekannt als EIDD-2801 und wurde schon als Wirkstoff bei Grippe untersucht, wohl aber noch nicht klinisch.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Klingt wie...

von Roi Plek am 04.12.2021 um 13:30 Uhr

...Oseltamivir Reloaded, bestimmt aber noch teurer!

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