Erste orale antivirale Behandlung

Großbritannien lässt Molnupiravir bei COVID-19 zu

Stuttgart - 05.11.2021, 09:14 Uhr

Großbritannien war am schnellsten und ließ mit Molnupiravir die erste orale antivirale Therapieoption für leicht bis moderat an COVID-19 erkrankte Patient:innen zu, die ein hohes Risiko für einen schweren Verlauf haben. (Foto: Quality Stock Arts / AdobeStock)

Großbritannien war am schnellsten und ließ mit Molnupiravir die erste orale antivirale Therapieoption für leicht bis moderat an COVID-19 erkrankte Patient:innen zu, die ein hohes Risiko für einen schweren Verlauf haben. (Foto: Quality Stock Arts / AdobeStock)


Großbritannien hat das weltweit erste orale antivirale Arzneimittel gegen COVID-19 zugelassen: Molnupiravir in Lagevrio. Eingesetzt werden darf es dort fortan zur Behandlung von COVID-19-Patienten mit milden und mittelschweren Verläufen, um das Risiko für Krankenhauseinweisung und Tod zu verringern.

Die britische Arzneimittelbehörde MHRA hat erstmals eine Tablette zur Behandlung von COVID-19 zugelassen. Das antivirale Mittel Lagevrio mit dem Wirkstoff Molnupiravir sei sicher und effektiv bei der Verminderung des Risikos von Krankenhauseinweisungen und Todesfällen bei COVID-19-Patienten mit milden und mittelschweren Verläufen, hieß es in einer Mitteilung der britischen Regierung am Donnerstag. Es handle sich um das weltweit erste zugelassene antivirale Mittel zur oralen Einnahme gegen COVID-19. Das einzige speziell gegen COVID-19 zugelassene Antiviralium Remdesivir (Veklury) wird dagegen parenteral verbreicht, Gilead erhielt im Juli 2020 in der EU die Zulassung.

Molnupiravir wurde von den Pharmakonzernen Ridgeback Biotherapeutics und Merck Sharp& Dohme (MSD) entwickelt. Es blockiert die Virusvermehrung und soll dadurch schwere Krankheitsverläufe vermindern. 

Bislang sind die klinischen Studienergebnisse nicht wissenschaftlich veröffentlicht. MSD gab jedoch Resultate bereits bekannt. Denen zufolge senkte Molnupiravir das Risiko für Krankenhauseinweisung oder Tod um 50 Prozent. So mussten unter Molnupiravir 7,3 Prozent der COVID-19-Patienten (28/385) im Krankenhaus behandelt werden, in der Placebogruppe waren es 14,1 Prozent (53/377). Zeitpunkt der Datenerhebung war 29 Tage nach Einschluss in die Studie. Zudem verstarb kein Patient in der Molnupiravir-Gruppe, während es in der Placebo-Gruppe zu acht Todesfällen kam.

MSD hat Molnupiravir in MOVe-OUT mit Patient:innen mit leichtem oder mittelschwerem und laborbestätigtem COVID-19 untersucht. Die Probandinnen und Probanden hatten einen weniger als fünf Tage alten laborbestätigten SARS-CoV-2-Nachweis und einen milden bis moderaten COVID-19-Verlauf. Sie mussten zudem mindestens einen Risikofaktor für einen schweren COVID-19-Verlauf aufweisen und erhielten entweder zweimal täglich Molnupiravir (800 mg) oder Placebo und das über fünf Tage. Ziel der Studie war die Beurteilung der Wirksamkeit von Molnupiravir verglichen mit Placebo anhand der Krankenhauseinweisungen und Todesfälle (Prozentsatz) bis zum Tag 29 nach Randomisierung. Daneben zählen zu den primären Endpunkten der Prozentsatz der Teilnehmer mit einem unerwünschten Ereignis (bis sieben Monate nach Behandlung) und der Prozentsatz der Teilnehmer, welche die Studienintervention aufgrund dessen abgebrochen haben (bis zu sechs Tage nach Beginn der Behandlung).

Wie wirkt Molnupiravir?

Molnupiravir ist ein Prodrug von N4-Hydroxycytidin, einem Ribonukleosid-Analogon, das statt Cytidin als falscher Baustein in die RNA von RNA-Viren eingebaut wird. Der auch als EIDD-2801 bekannte Wirkstoff wurde bereits für verschiedene Viruserkrankungen erforscht, laut „Ärzteblatt“ gegen Pocken und gegen Pferdeenzephalitis. Zudem veröffentlichten Wissenschaftler erst im Oktober 2019 eine Arbeit in „Science Translational Medicine“, in der sie EIDD-2801 als hochpotenten klinischen Kandidaten zur Behandlung von saisonaler und pandemischer Influenza empfahlen. Molnupiravir hemmt die Replikation mehrerer RNA-Viren, unter anderem SARS-CoV-2.

Gesundheitsminister Sajid Javid pries die Zulassung als „historischen Tag für unser Land“ an und „spielentscheidend“ für Risikogruppen wie Menschen mit unterdrücktem Immunsystem. 

Professor Stefan Kluge, Direktor der Klinik für Intensivmedizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), wollte hingegen jüngst anlässlich der positiven Studienergebnisse gegenüber dem „Science Media Center“ nicht von einem „Gamechanger“ sprechen. Er sieh einen Therapieplatz für Molnupiravir für Patienten mit Risikofaktoren im ambulanten Bereich und in der Frühphase der Erkrankung: „Die Daten sind vielversprechend, aber momentan handelt es sich nur um eine Zwischenauswertung einer Studie. Die Ergebnisse liegen auch noch nicht als Publikation vor, insofern muss man die endgültigen Ergebnisse abwarten. Wenn sich bestätigt, dass 50 Prozent weniger Krankenhauseinweisungen und Todesfälle bei COVID-19-Patienten durch diese Therapie erfolgen, dann wäre das ein sehr gutes, vielversprechendes Ergebnis.“ 

EMA prüft Molnupiravir auch bereits

Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA prüft seit Ende Oktober Molnupiravir im Rolling-Review-Verfahren. Auch die US-Behörde FDA hat ein Zulassungsverfahren für das Mittel eingeleitet. Die EMA prüft zudem sieben weitere mögliche Corona-Mittel.


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