Grünen-Antrag von 2019

Ist das die Blaupause für die Apothekenreform?

Berlin - 26.11.2021, 07:00 Uhr

Müssen sich die Apotheken auf Kürzungen bei der packungsbezogenen Vergütung einstellen – oder zumindest die vergleichsweise umsatzstarken Apotheken? (Foto: IMAGO / Christian Ohde)

Müssen sich die Apotheken auf Kürzungen bei der packungsbezogenen Vergütung einstellen – oder zumindest die vergleichsweise umsatzstarken Apotheken? (Foto: IMAGO / Christian Ohde)


Packungshonorar an Apothekenumsatz koppeln

In der Begründung beziehen sie sich auf das berüchtigte 2hm-Gutachten, das im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft erstellt wurde und bei seiner Veröffentlichung Ende 2017 für Aufsehen sorgte. „Demnach sind 7.600 Apotheken in ihrer Existenz gefährdet, davon 5.300 in städtischen und großstädtischen Räumen und 2.300 in ländlichen Kreisen“, resümiert die Fraktion. Davon seien 2.600 Apotheken sogar in einer sehr kritischen Situation mit einem Betriebsergebnis von weniger als 30.000 Euro pro Jahr.

Die Lösung der Grünen: Sie wollen einen sogenannten Sicherstellungsfonds einrichten, um die flächendeckende Versorgung zu gewährleisten. Die Finanzierung soll über den bestehenden Nacht- und Notdienstfonds erfolgen. „Dieser entlohnt jene Apotheken, die im Quartier und in der Region den Nachtdienst leisten. Die Idee dabei: Versorgungsrelevante Apotheken bieten durch ihren isolierten Standort mutmaßlich relativ oft Nachtdienste an. Wenn die Vergütung für diese Dienste steigt, können versorgungsrelevante Apotheken somit gezielt quersubventioniert werden.“ Auch wo das Geld dafür herkommen soll, haben sich die Grünen überlegt: Die Mehrausgaben „sollen durch eine entsprechende Absenkung der packungsabhängigen Vergütung bei besonders umsatzstarken Apotheken finanziert werden“.

Wie diese Umverteilung aussehen soll, beschreiben die Abgeordneten recht konkret: Um die „unterschiedlichen betriebswirtschaftlichen Kostenstrukturen“ auszugleichen, die sie etwa bei großen, umsatzstarken Apotheken und kleinen Betrieben mit nur wenigen Mitarbeitenden vermuten, sei „eine packungsabhängige Vergütung notwendig, die sich an dem Umsatz der Apotheke orientiert“. Größere Apotheken sollen nach den Vorstellungen der Grünen aus diesen betriebswirtschaftlichen Gründen je Packung eine niedrigere Vergütung erhalten als kleinere Apotheken. „Schon eine Reduzierung der packungsabhängigen Vergütung von einem Euro für die umsatzstärksten zehn Prozent der Apotheken könnte ein Umverteilungspotential zugunsten kleinerer Apotheken im dreistelligen Millionenbereich bedeuten.“ Der Großteil der Apotheken, bis zu einem durchschnittlichen Umsatz von derzeit 2,31 Millionen Euro pro Jahr –  das entspricht laut Antragsbegründung etwa 60 Prozent der Apotheken in Deutschland – soll dabei aber nicht belastet werden, sondern könnte im Gegenteil sogar begünstigt werden.



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Grünen-Antrag aus dem Jahr 2019

Blaupause für die Apothekenreform?

Apothekenpläne unverändert / Mehrwertsteuer auf Arzneimittel wird doch nicht gesenkt

Der Koalitionsvertrag steht

Zwischenergebnisse zum anstehenden Koalitionsvertrag

Licht und Schatten für die Apotheke

Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP

Doch keine Mehrwertsteuerabsenkung für Arzneimittel

Was bringt der Koalitionsvertrag für die Apotheken? / Warten auf den Gesundheitsminister

Die Ampel will mehr Fortschritt wagen

BMG-Referatsleiter Steinrücken gibt Überblick zum Koalitionsvertrag

Die Ampel und die Apotheken – was ist geplant?

Notfall-Botendienst und Medikamentenausgabe durch Ärzte

Was bringt die Reform der Notfallversorgung aus Apothekensicht?

6 Kommentare

Geballte Ahnungslosigkeit

von Stefan Haydn am 30.11.2021 um 8:25 Uhr

Schon die Heranziehung des Umsatzes als Größe zeigt die totale Ahnungslosigkeit dieser Staatsjünger.

Wenn überhaupt könnte man über den Gewinn, oder Rohgewinn als Bezugsgröße sprechen.
Da würden aber viele kleinere Apotheken im Vergleich zu Großen gar nicht mehr so schlecht dastehen.

Der Umsatz wird massiv von Hochpreisern, z.B. in der Mucoviszidoseversorgung oder Krebstherapien getrieben.

Dann müßten Apotheken zu ihrem eigenen Nutzen eine solche Versorgung in Zukunft an umsatzschwächere Apotheken weiterleiten.
Ob dies im Patientensinne ist?

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

"Quod licet Iovi...

von Thomas Eper am 27.11.2021 um 10:08 Uhr

... non licet bovi!"

Man stelle sich vor, die Politik würde bei den Ärzten eine Honorarumverteilung von großen zu kleinen Praxen umsetzen wollen. Das gäbe eine Ärzterevolution ungeahnten Ausmaßes mit Protesten und Streiks, etc.

Bei den Apotheken ist das scheinbar das normalste auf der Welt.
Und das nach 17 Jahren mit 3% Honorarerhöhung (= inflationsbereinigt ca.40%-ige Honorarkürzung) bei enem massiven Apothekensterben!
Nur zur Erinnerung: bei den Ärzten gab es ca. 45% plus!

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Warnung

von Salerno am 26.11.2021 um 9:55 Uhr

Die im Koalitionsvertrag angestrebte und in diesem Artikel beschriebene Umverteilung soll meines Erachtens dazu genutzt werden, um seitens der Politik eine versteckte Honorarkürzung auf Ebene der Vor-Ort-Apotheken durchzudrücken! Der Haushalt ist tiefrot, man will gerade im Gesundheitswesen weiter Geld sparen, also stellt eine solche "Umverteilung" doch eine willkommene Gelegenheit für die neue Bundesregierung dar, die Entlohnung von Dienstleistungen im Apothekenbereich möglichst unentdeckt zu kürzen.
Ein solches Ansinnen darf niemals umgesetzt werden, denn damit würde der Apothekerschaft in ihrer Gesamtheit die Vergütung zusammengestrichen, und das in einer Zeit, in der wir nach bald 18 Jahren des Stillstands beim Packungshonorar trotz Inflation eine spürbare Erhöhung der Vergütung dringend bräuchten!
Wir können nur hoffen, dass unsere Standesvertretung nicht darauf reinfällt und sich entschieden dagegen stemmt.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Warnung

von Anita Peter am 26.11.2021 um 10:21 Uhr

Die Grünen brüllen seit 2015 unisono "Wir sind ein reiches Land!"

dunkelrot

von J.M.L. am 26.11.2021 um 8:52 Uhr

Nach vier Jahren Spahn ist die Apothekerschaft sehr geschlossen, man wird sich das alles sehr genau ansehen müssen, wenn 60% profitieren suggeriert das mehrheitliche Zustimmung, aber eine Gewinn-Umverteilung innerhalb einer Branche kann in einer freien Marktwirtschaft keine ernsthafte Lösung sein. Auch wenn man primär vielleicht davon profitieren mag, so löst das doch in keinster Weise die zugrundeliegende Problematik, warum müssen Apotheken denn überhaupt bezuschusst werden? Warum tragen sie sich nicht von alleine? Warum wurde die Apothekenvergütung so lange nicht erhöht? Umverteilung ist hier die völlig falsche Herangehensweise. Merkel tritt ab und der Sozialismus zieht ein, meine persönliche Ampel zeigt dunkelrot.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

.

von Anita Peter am 26.11.2021 um 8:44 Uhr

Umsatz hat rein gar nichts mit Rohgewinn und noch viel weniger mit Reingewinn zu tun. Bei einer Trampolinspringerin aus dem Völkerrecht mag das natürlich alles das Gleiche sein.

Sicherstellungsfonds -> tolle Idee, dieser muss aber mit frischen 500 Mio p.a. gefüttert werden und nicht aus dem Honorar rausgeschnitten werden. Geld genug ist da! Verteilung der 500 Mio zu gleichen teilen auf alle deutschen Vor Ort Apotheken!

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.