Zur Rose versus Shop Apotheke

Wer hat das bessere Rezept für den Markt von morgen?

München - 09.08.2021, 17:50 Uhr

Welche Strategien verfolgen DocMorris und Shop Apotheke? (x / Screenshots: docmorris.de, shop-apotheke.com / DAZ)

Welche Strategien verfolgen DocMorris und Shop Apotheke? (x / Screenshots: docmorris.de, shop-apotheke.com / DAZ)


Seit langem sind die Versandhändler Zur Rose und Shop Apotheke Europe die führenden Treiber auf dem deutschen und europäischen Arzneimittel-Onlinemarkt. Mit der flächendeckenden Einführung des E-Rezepts Anfang 2022 tun sich für die Unternehmen weitere lukrative Wachstumsmöglichkeiten auf. Dabei verfolgen die Onlinehändler unterschiedliche Strategien. Die DAZ beleuchtet, worin sich diese unterscheiden und wie aussichtsreich sie sind.

Ginge es nach der Entwicklung der Aktienkurse, wäre die Stimmung derzeit mit moll passend beschrieben. Seit dem Frühjahr dieses Jahres haben die Notierungen des Schweizer E-Commerce-Arzneimittelversenders Zur Rose wie auch des niederländischen Wettbewerbers Shop Apotheke Europe stark nachgegeben – im Fall von Zur Rose um mehr als 30 Prozent im Vergleich zu den Höchstständen, die Papiere von Shop Apotheke haben sich gar halbiert.

Doch Kurse sind das eine, die Unternehmensstrategien und die geschäftlichen Aussichten das andere. Hier geben sich beide Firmen zuversichtlich: Angesichts einer Online-Penetration des deutschen Apothekenmarkts von bislang lediglich 1,4 Prozent gibt es noch reichlich Luft nach oben. Auch in der Online-Durchdringung mit Rx-Medikamenten sind die Möglichkeiten nicht ausgeschöpft. Mit der geplanten verpflichtenden und flächendeckenden Einführung des E-Rezepts am 1. Januar 2022 in Deutschland, der größten Volkswirtschaft des Kontinents, tun sich für beiden Arzneimittelversender zudem neue geschäftliche Möglichkeiten auf. Seit längerem bereiten sich deren IT-Abteilungen auf diesen Tag vor.

Während es in der Vergangenheit im Wesentlichen darum ging, via online Medikamente zu vertreiben, verfolgen die Manager im Schweizer Frauenfeld wie auch im niederländischen Sevenum mittlerweile deutlich ausgefeiltere Konzepte, um Kunden für sich zu gewinnen und damit Marktmacht, Umsatz und letztlich Gewinn zu generieren. Die Ansätze unterscheiden sich dabei allerdings erheblich.

Shop Apotheke Europe: Ausbau der digitalen Gesundheitsdienste

Der niederländische Versandhändler hat sich zum Ziel gesetzt, durch den Ausbau digitaler Gesundheitsdienste weiter zu wachsen und sich von einem reinen Arzneimittelversender zu „Europas führender kundenzentrierter E-Pharmacy-Plattform“ zu entwickeln. Neben Übernahmen wie der niederländischen MedApp Holding B.V. im Frühjahr dieses Jahres setzt das börsennotierte Unternehmen unter anderem auf digitales Medikationsmanagement. Zu diesem Zweck hat die Firma im Januar dieses Jahres die Smartpatient GmbH mit Sitz in München gekauft, die die Patienten-App MyTherapy für den Einsatz bei chronischen Krankheiten entwickelt hat. Passend zu dieser Strategie ist auch die Kooperation mit der britischen Online-Arztpraxis Zava (ehemals DrEd), die Shop Apotheke im April 2020 angekündigt hat.

Allerdings muss das Management auf dem Weg zu seinem Plattform-Ziel derzeit Engpässe bei der Auftragsabwicklung und der Gewinnung von Logistikmitarbeitern überwinden. Diese Faktoren haben das Wachstum in diesem Jahr ausgebremst, beim operativen Gewinn erwartet der Vorstand für 2021 lediglich eine schwarze Null. Zum Halbjahr stand, wie am 5. August berichtet, gar ein dickes Minus unter der Zwischenbilanz. Das Management betont allerdings, dass die Probleme temporär seien und das künftige Wachstum nicht in Mitleidenschaft ziehen würden.

Zur Rose: Der große Wurf

Einen deutlich breiteren Ansatz wählt die Schweizer Zur Rose-Gruppe mit ihrer Onlinetochter DocMorris. Erklärtes Ziel ist es, einen digitalen Rundum-Gesundheitsdienstleister zu schaffen, bei dem die Kunden über eine zentrale Plattform unterschiedliche Leistungen in Anspruch nehmen können – von der Vereinbarung einer Online-Sprechstunde über gesundheitliche Beratungen bis zur Order von Arzneimitteln. Das Unternehmen selbst spricht von einem „Ökosystem“, welches „die Menschen lückenlos begleiten und befähigen soll, die eigene Gesundheit mit Produkten und digitalen Lösungen optimal zu managen“.

Die in den Niederlanden beheimatete DocMorris soll dabei als Dachmarke eine zentrale Rolle spielen. Nachdem der Tochter im November 2020 ein neues Logo verpasst wurde, sind die Umbauarbeiten in vollem Gange. So wurde Ende vergangenen Jahres DocMorris+ ins Leben gerufen, ein digitaler Marktplatz für die Kooperation von Versand- und Vor-Ort-Apotheken. Bis Jahresende sollen sämtliche Dienste und Funktionen inklusive des DocMorris-Versandhandels in einer digitalen Plattform mit nur noch einer App und einer Web- Anwendung zusammengeführt werden. Zusätzlich läuft der Ausbau von DocMorris Express, einer tagesaktuellen Arzneimittellieferung beziehungsweise -abholung. Das Pilotprojekt startete im Frühjahr 2021, weitere Vor-Ort-Apotheken sollen als Partner gewonnen werden. Im Februar verkündete die Zur Rose-Gruppe dann, die zum Konzern gehörende spanische Marke Promofarma und die Marke Doctipharma aus Frankreich mit der Markenidentität von DocMorris zu verbinden. Zur Strategie von Zur Rose passt im Übrigen auch der Kauf der Plattform Teleclinic im Sommer vergangenen Jahres.

Markt bietet Platz für zwei 

Beobachter glauben, dass beide unternehmerischen Konzepte ihre Berechtigung haben. Die These von „The winner takes it all“ muss in diesem Zweikampf nicht unbedingt zutreffen, schrieb kürzlich das Schweizer Wirtschaftsmagazin Cash.ch. „Der Markt ist riesig und wächst mit 4,5 Prozent jedes Jahr. Es gibt genug Platz für zwei große Player“, zitierte das Medium Alexander Thiel, Analyst bei der US-Investmentbank Jefferies.

Allerdings glaubt der Fachmann, dass das Geschäftsmodell von Shop Apotheke keine allzu großen Profitabilitätssteigerungen zulässt. „Die Margen im klassischen Reselling, wie es Shop Apotheke betreibt, sind begrenzt“, so Thiel. Die größeren Zuwächse sieht er dagegen bei Zur Rose. Für jedes Prozent mehr Volumen, das im Handel mit verschreibungspflichtigen Medikamenten online geht, werde Zur Rose wegen seines höheren Marktanteils 40 bis 50 Prozent gewinnen können. Bei Shop Apotheke seien es dagegen 30 bis 35 Prozent.



Thorsten Schüller, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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