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Bundestagswahl 2021 – Teil2: FDP
„Das Rx-Boni-Verbot ist für uns eine Umgehung des EuGH-Urteils“
Anlässlich der am 26. September anstehenden Bundestagswahl hat die DAZ mit Gesundheitspolitiker:innen aller sechs Bundestagsfraktionen gesprochen. Wie blicken sie auf die vergangene Legislaturperiode zurück? Und welche (apothekenpolitischen) Pläne haben sie für die kommenden vier Jahre? Das und mehr verrät uns am heutigen Montag die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Christine Aschenberg-Dugnus.
DAZ: Frau Aschenberg-Dugnus, die aktuelle Legislaturperiode neigt sich dem Ende entgegen. Wie lautet Ihr persönliches gesundheitspolitisches Resümee?
Aschenberg-Dugnus: Für uns Gesundheitspolitiker war und ist natürlich die Coronakrise immer noch das entscheidende Ereignis. Im Grunde haben wir alle – damit meine ich die Bundestagsfraktionen sowie das Bundesgesundheitsministerium (BMG) – praktisch durchgearbeitet, um auf die Pandemie entsprechend reagieren zu können. Das ist aufwendig und aufreibend zugleich.
Aufreibend weshalb?
Aschenberg-Dugnus: Nun, es ist das Gebot der Stunde, dass wir uns bei möglichst allen Entscheidungen fraktionsübergreifend zusammenfinden. Allerdings empfinde ich es als sehr negativ, dass im Laufe der Pandemie immer mehr Rechtsverordnungen durch das BMG alleine erlassen wurden. Da hätte ich mir als Oppositionspolitikerin, aber auch für die anderen Fraktionen, gewünscht, dass wir mehr Dinge im Parlament besprochen hätten. Das hätte zur Transparenz beigetragen und wahrscheinlich sogar zu mehr Akzeptanz in der Bevölkerung geführt.
Schauen wir uns jetzt mal die Gesundheitspolitik abseits der Pandemie an: Auch im Bereich der Digitalisierung und Apothekenpolitik hat das BMG ja markante Anstöße gesetzt. Wie zufrieden sind Sie damit, oder hätten Sie sich mehr beziehungsweise anderes gewünscht?
Aschenberg-Dugnus: Man kann Herrn Spahn auch außerhalb der Pandemie sicher nicht Tatenlosigkeit vorwerfen. Der Minister hat enorm viel vorgelegt und wir als FDP befürworten die Digitalisierung im Gesundheitswesen. Wir sehen die Chancen für eine bessere Patientenversorgung, und im Vergleich mit dem europäischen Ausland haben wir hierzulande einiges aufzuholen.
Und was halten Sie von dem beschlossenen Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG)?
Aschenberg-Dugnus: Wir waren von Anfang an dafür, dass eine intensive pharmazeutische Betreuung besser honoriert werden muss. Dafür haben wir uns eingesetzt, weil der Apotheker in erster Linie ein Heilberuf ist. Die pharmazeutische Betreuung wird ja zum Teil auch schon durchgeführt und insofern haben wir die konkrete Vergütung sehr befürwortet. Deshalb hoffe ich sehr, dass sich die Krankenkassen und Apotheker einigen und im Sinne der Patienten die wichtigen Dienstleistungen etablieren. Darüber hinaus befürworten wir die Botendienstvergütung und natürlich das Makelverbot für E-Rezept-Tokens. Die freie Apothekenwahl muss unter allen Umständen sowie jederzeit gewährleistet sein.
„Wir wollen den Apothekern nichts versprechen, was am Ende nicht haltbar ist“
Inwiefern ändern sich mit der Einführung der honorierten pharmazeutischen Dienstleistungen eigentlich all die Fragen rund um das Packungshonorar?
Aschenberg-Dugnus: Wer mehr leistet, muss auch besser vergütet werden. Deshalb habe ich etwas gegen das Gießkannen-Prinzip. Andererseits bin ich der Meinung, dass die pauschalen Vergütungen auch nicht gesenkt werden sollten.
Beim Rx-Boni-Verbot …
Aschenberg-Dugnus: … waren und sind wir komplett anderer Meinung als die Große Koalition. Für uns ist das eine Umgehung des EuGH-Urteils. Aber jetzt lassen wir es mal so, wie es ist, und schauen, inwiefern es Bestand haben wird.
Das Rx-Versandverbot kommt für Sie als FDP-Fraktion aber nach wie vor nicht infrage?
Aschenberg-Dugnus: Ich habe etwas gegen Schwarzmalerei und falsche Versprechungen. Wenn der Rx-Versand so geringe Auswirkungen hat und ein Rx-Versandverbot europarechtlich problematisch ist, warum hat sich die Apothekerschaft bei diesem Thema dann so verkämpft? Ich bin sehr für die flächendeckende Vor-Ort-Versorgung und vor allem die Offizin-Apotheke. Aber im Gegensatz zu anderen Parteienvertretern wollen wir den Apothekern nichts versprechen, was am Ende nicht haltbar ist. Da ist mir die Ehrlichkeit lieber als der Applaus bei diversen Podiumsdiskussionen.
Was wäre Ihr präferierter Weg gewesen?
Aschenberg-Dugnus: Wir hätten uns ein sehr geringes Boni-Delta vorstellen können, das beispielsweise bei 1 Euro gelegen hätte. Damit hätte man den Kleinkrieg über das Sozialrecht im Keim ersticken können.
Aber wenn sich jetzt alle – also Versender und Vor-Ort-Apotheken – an das Boni-Verbot halten, wäre doch das Ziel erreicht, nicht wahr?
Aschenberg-Dugnus: Wir sind für gleichlange Spieße und faire Rahmenbedingungen. Schlussendlich kommt es darauf an, was Europa daraus macht. Die FDP wird jetzt sicher keinen großen Aufstand mehr machen. Wenn es läuft, dann läuft es.
Vertrauen Sie da gewissermaßen den Ankündigungen aus der Versandhandelsbranche, keine rechtlichen Schritte gegen das Boni-Verbot einleiten zu wollen?
Aschenberg-Dugnus: Die Rx-Boni hatten in den letzten Jahren doch überhaupt nicht dazu geführt, dass der Versandhandel an Bedeutung gewinnen konnte. Vielmehr sehen die Versender ihre Chancen im E-Rezept und in der Zusammenarbeit mit lokalen Apotheken. Hierüber erhoffen Sie sich mehr Marktanteile im Rx-Bereich.
Das E-Rezept als Chance für Apotheker, selbst zu gestalten
Gehen Sie persönlich davon aus, dass das E-Rezept tatsächlich ein Game Changer sein könnte und zu Marktverschiebungen führen wird?
Aschenberg-Dugnus: Ich verfolge natürlich, dass die aktuelle Strategie von DocMorris/Zur Rose ist, sich über die eigene Plattform mit Vor-Ort-Apotheken zusammenzutun und so über die Fläche an die Patienten heranzutreten. Dabei geht es ja längst nicht mehr nur um die Rezepte an sich, sondern auch um telemedizinische Angebote. Daher ist es sehr wichtig, dass das Makel-Verbot auch durchgesetzt wird.
Welche Gefahr sehen Sie?
Aschenberg-Dugnus: Ich möchte nicht, dass E-Rezepte nach digitalen Arztbesuchen direkt beim selben Anbieter landen, sondern die Patienten die freie Apothekenwahl haben.
Aber das ist ja eine politische Absicht, die im Übrigen auch das Ministerium formuliert sowie die ABDA und Sie als Opposition. Lassen Sie uns das konkret an Ihrem Wahlprogramm festmachen: Sie wollen sich dafür einsetzen, dass auch weiterhin die freien Berufe im Gesundheitswesen gestärkt werden. Stärkt die Plattformökonomie die freien Berufe? Oder werden die freien Berufe nicht vielmehr in ihren Grundfesten erschüttert, wenn sich eine Apotheke beispielsweise gezwungen fühlt, der DocMorris-Plattform beizutreten, um am Ball zu bleiben?
Aschenberg-Dugnus: Nein, die Apothekerschaft muss sich vielmehr selbst drauf einstellen und muss selbst entsprechende Konzepte und Plattformen schaffen. Wenn das BMG beziehungsweise die Gematik die Möglichkeit vorsieht, dass auch Drittanbieter über entsprechende Schnittstellen an die E-Rezept-App angebunden werden, dann müssen es auch die Apotheker selbst sein, die hier ein entsprechendes Angebot entwickeln. Das E-Rezept und die Digitalisierung allgemein sind ja gerade die Chance für die Apotheker, selbst zu gestalten.
Initiativen aus der Apothekerschaft wurden ja bereits gestartet, beispielsweise mit dem Zukunftspakt Apotheke, gesund.de oder auch dem DAV-Portal. Was wir aber doch aktuell beobachten, ist, dass die Versender ihre Marktdominanz im OTC-Sektor nutzen, um massiv E-Rezept-Patienten anzuwerben. Können die Vor-Ort-Apotheken das über die Plattformen wieder aufholen?
Aschenberg-Dugnus: Es ist ein hart umkämpfter Markt, keine Frage. Aber wenn sich die Apothekerschaft zusammentut und erkennt, welche Geschäftsmodelle für sie schädlich sind und welche Konzepte dagegen einen hohen Nutzen sowohl für die Apotheke als auch die Patienten bringen, habe ich keine Bedenken. Bei diesem Thema sehe ich auch nicht primär die Politik in der Verantwortung. Der Gesetzgeber kann nicht einfach etwas verbieten, weil die einen schneller als die anderen sind. Für die Marktteilnehmer sollte es eher ein Ansporn sein, genauso gut oder besser zu sein.
Digitale Beratung und Betreuung von Vor-Ort-Apotheken
Die ungleichlangen Spieße resultieren ja vor allem daraus, dass es sich bei den EU-Versendern um Unternehmen in der Hand von Kapitalgesellschaften handelt, mit denen die inhabergeführten Betriebe im Inland im Wettbewerb stehen. Es ist zwar keine konkrete FDP-Forderung, aber meinen Sie, dass sich demnächst auch nochmal die Frage nach dem Fremd- und Mehrbesitz im Apothekensektor auftun wird?
Aschenberg-Dugnus: Momentan nicht. Wir müssen den Markt beobachten und immer sondieren, inwiefern die Versorgung der Patienten gewährleistet ist. Dafür müssen die Vor-Ort-Apotheken erhalten bleiben. Es darf nicht dazu kommen, dass sich einzelne Anbieter nur die Rosinen aus einem System picken und keine allumfassende Versorgung leisten. Dagegen muss eingeschritten werden.
Diesen Eindruck haben Sie vom Arzneimittelversandhandel nicht?
Aschenberg-Dugnus: Aktuell nicht. Wenn Sie andere Ansichten haben, dann bitte ich Sie, mir das zukommen zu lassen.
Es sollte Ihnen doch bekannt sein, dass nicht wenige Rezepte aus dem Versand wieder bei den Patienten landen, weil es sich um „schwierige Fälle“ oder nicht ganz so margenstarke Arzneimittel handelt. Dazu kommt, dass die Akutversorgung sowie die Belieferung mit Betäubungsmitteln oder individuellen Rezepturen gar nicht geleistet werden kann.
Aschenberg-Dugnus: Aber die Beratung wird beispielsweise schon angeboten, telefonisch oder digital. Und die von Ihnen geschilderten Fälle führen doch aber dazu, dass der Patient wieder seine Vor-Ort-Apotheke aufsucht. Und hier sehe ich den großen Vorteil für die Vor-Ort-Apotheken, die ein persönliches Vertrauensverhältnis zu den Patienten aufbauen können. Dabei könnten sogar die Apotheken eine digitale Beratung und Betreuung über die Distanz aufbauen. Das ist ein Aspekt, den ich auch häufig von Pharmaziestudierenden widergespiegelt bekomme. Sie wollen sich dem Wandel und diesem Qualitätswettbewerb stellen.
Derzeit wird die Approbationsordnung überarbeitet. Haben Sie konkrete Vorstellungen oder einen Appell an den Berufsstand, wie er sich weiterentwickeln sollte?
Aschenberg-Dugnus: Konkret einbezogen sind wir bei den Angelegenheiten des BMG natürlich nicht. Ich hoffe natürlich, das ändert sich ab September. Ich weiß von Studierenden sowie Berufsanfängern, dass sie das große Bedürfnis haben, sich viel intensiver als aktuell im Rahmen der pharmazeutischen Betreuung mit den Patienten zu befassen. Auch zur Digitalisierung besteht naturgemäß eine große Affinität. Ich hoffe daher sehr, dass diese Aspekte einen Schwerpunkt der geplanten Novellierung ausmachen.
Frau Aschenberg-Dugnus, vielen Dank für das Gespräch.
3 Kommentare
Fazit
von Stefan Haydn am 27.07.2021 um 16:42 Uhr
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AW: Fazit
von Dr. Peter M. Schweikert-Wehner am 28.07.2021 um 13:50 Uhr
Typisch FDP können oder wollen die Lage nicht erkennen.
von ratatosk am 26.07.2021 um 8:35 Uhr
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