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Neue Verunreinigung in sartanhaltigen Arzneimitteln
Valsartan, Irbesartan und Losartan – Rückrufe wegen Azidomethyl-Biphenyl-Tetrazol
Erst heute wurde ein Chargenrückruf zu „Amlodipin/Valsartan/HCT Elpen“ über die AMK veröffentlicht. Am vergangenen Freitag hatte es irbesartan- und valsartanhaltige Arzneimittel von Aliud getroffen – am Tag zuvor Losartan von AbZ und Ratiopharm. Als Grund wird eine „produktionsbedingte Verunreinigung“ angegeben. Da liegt die Vermutung nahe, dass erneut die Nitrosamin-Krise Auslöser der Rückrufe ist. Was genau dahinter steckt, hat die DAZ beim BfArM, bei Stada und Teva nachgefragt. Ein Nitrosamin ist die neue Verunreinigung jedenfalls nicht – und ganz so neu ist sie auch nicht.
In die „Nachwehen“ der Nitrosamin-Krise kommt wieder Bewegung. Nachdem in dem Raucherentwöhnungsmittel Champix® mit dem Wirkstoff Vareniclin die neue Verunreinigung N-Nitrosovareniclin gefunden wurde, ist nun auch in diversen Sartanen eine neue Verunreinigung aufgetaucht.
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Vergangenen Donnerstag hatten zunächst Ratiopharm und AbZ eine Charge „Losartan-ratiopharm® comp. 100 mg/25 mg, 98 Filmtabletten“ sowie mehrere Chargen von „Losartan comp. AbZ 100 mg/25 mg, 98 Filmtabletten“ zurückgerufen. In beiden Fällen hieß es „aufgrund von Verunreinigungen im Wirkstoff“ erfolge „vorsorglich“ ein Rückruf. Weil die Schweizer Arzneimittelbehörde Swissmedic bereits am 1. Juli „Spuren einer neuen Fremdsubstanz“ und eine „intensivierte Überwachung der Sartan-Arzneimittel“ bekannt gegeben hatte, lag die Frage nahe, ob eben diese Substanz – Azidomethyl-Biphenyl-Tetrazol (AZBT) – Teil der „Verunreinigungen im Wirkstoff“ ist. Die Pressestelle des Unternehmens Teva, zu dem sowohl Ratiopharm als auch AbZ gehören, verwies jedoch an die Behörden: Die breiten angeordneten Untersuchungen zu Sartanen im Rahmen der Nitrosamin-Krise – die im Sommer 2018 mit Valsartan ihren Anfang nahm – hätten „im Falle von Losartan produktionsbedingte Verunreinigungen festgestellt“, im laufenden Verfahren könne man aber auch in Abstimmung mit den Behörden derzeit keine weiteren Auskünfte geben, hieß es.
Keine Rückrufe auf Patientenebene
Am vergangenen Freitag folgten die Rückrufe von zwei Chargen von irbesartanhaltigen Arzneimitteln sowie von diversen Chargen von valsartanhaltigen Arzneimitteln durch Aliud. Dort war jeweils von einer produktionsbedingten Verunreinigung die Rede. Gegenwärtig sei jedoch von keinem akuten Patientenrisiko auszugehen, hieß es.
Aliud gehört zum Unternehmen Stada. Auch dort wurde bei der Pressestelle empfohlen, mit den zuständigen Behörden wie dem BfArM Kontakt aufzunehmen – da es sich um ein branchenweites Thema handle. Konkret schrieb Stada aber auch von einer Azido-Verunreinigung, „eine produktionsbedingte Verunreinigung der Wirkstoffe Valsartan und Irbesartan, die das Unternehmen von externen Lieferanten bezieht und verschiedene Wirkstoffhersteller dieser Arzneimittelklasse in der gesamten Branche betrifft“. Eine Behörde hätte Stada über diese erneute mögliche Verunreinigung informiert, heißt es. Patientenweite Rückrufe seien nicht geplant, weil nach Ansicht der Behörden kein akutes Patientenrisiko bestehe.
AZBT weniger bedenklich als Nitrosamine
Heute folgten über die AMK schließlich Rückrufe der Firma Elpen (Mitvertreiber des Zulassungsinhabers Elpen Pharmaceutical Co. Inc, Griechenland ) zu valsartanhaltigen Arzneimitteln, und heute äußerte sich auch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) auf Anfrage der DAZ zum Thema: Es wurde bestätigt, dass „im Zuge der Maßnahmen zur Risikobewertung eine neue Verunreinigung in sartanhaltigen Arzneimitteln entdeckt“ wurde, bei der es sich um (5-(4'-(Azidomethyl)-[1,1'-biphenyl]-2-yl)-1H-tetrazol) handelt. Diese Azido-Verunreinigung könne „nach derzeitigem Kenntnisstand“ bei der Herstellung der Wirkstoffe Valsartan, Irbesartan und Losartan gebildet werden. Ohne Rücksprache mit dem behandelnden Arzt oder der behandelnden Ärztin sollten Patient:innen entsprechende Arzneimittel nun aber nicht absetzen, die neue Substanz sei weniger bedenklich als Nitrosamin-Verunreinigungen:
Untersuchungen haben bestätigt, dass es sich bei der Substanz um eine potenziell mutagene Verunreinigung handelt. Die vorläufigen toxikologischen Untersuchungen haben jedoch ein deutlich geringeres gesundheitliches Risiko im Vergleich zu einer Verunreinigung mit Nitrosaminen ergeben. Die Substanz wird nicht zu den Cohort of Concern Stoffen gerechnet.“
In Anbetracht der bereits erfolgten Chargenrückrufe scheinen dennoch Grenzwerte überschritten worden zu sein. Das EDQM (European Directorate for the Quality of Medicines & HealthCare) habe nun alle CEP-Inhaber (Certificate of Suitability of Monographs of the European Pharmacopoeia) von Sartanen gebeten, eine Risikobewertung bezüglich der Bildung einer Azido-Verunreinigung durchzuführen. Die Untersuchungen liefen aber noch, so das BfArM.
AZBT schon seit Oktober 2020 bekannt
Wie die Schweizer Arzneimittelbehörde Swissmedic am 1. Juli berichtete, haben pharmazeutische Unternehmen und Swissmedic schon im Oktober 2020 in Irbesartan-Wirkstoffchargen Spuren von Azidomethyl-Biphenyl-Tetrazol (AZBT) festgestellt, im November 2020 folgten bereits Rückrufe.
Swissmedic stellt außerdem klar: „Bei dieser Verunreinigung handelt es sich nicht um ein Nitrosamin.“ Eine Folge der Nitrosamin-Krise ist ihre Entdeckung dennoch.
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Noch mehr Nitrosamine
Laut Swissmedic kann sich AZBT aufgrund eines Augsangsstoffes bilden – genauer ein Azid, das zum Aufbau des Tetrazolrings in den Sartanen benötigt wird. Erst neue Erkenntnisse hätten dazu geführt, dass AZBT als mutagen eingestuft werden muss. In einem Schreiben der CMDh (Coordination Group for Mutual Recognition and Decentralised Procedures – Human) vom April 2021 an die Zulassungsinhaber ist von einer Azidoverunreinigung in Irbesartan und von zwei voneinander unabhängigen bakteriellen Mutagenitätstest die Rede, in denen es zu einem positiven Ergebnis kam. Dort heißt es außerdem:
Wenn in irgendeinem Stadium des Prozesses ein Azid als Reagenz verwendet wird, sollte dies als Risiko angesehen werden“
Auch in Großbritannien gab es bereits entsprechende Rückrufe. Bleibt abzuwarten, ob weitere Rückrufe oder gar neue Verunreinigungen folgen werden.
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