Neue Risikohinweise zu Janssen und Vaxzevria

Kapillarlecksyndrom, TTS und Guillain-Barré-Syndrom – was Apothekerinnen wissen sollten

Stuttgart - 14.07.2021, 07:00 Uhr

Ob AstraZeneca oder Janssen (Johnson & Johnson), Europa oder USA – aktuell reichen die Daten zum Guillain-Barré-Syndrom nicht, um einen möglichen Zusammenhang mit den Corona-Impfstoffen zu bestätigen oder auszuschließen. (Foto: IMAGO / NurPhoto)

Ob AstraZeneca oder Janssen (Johnson & Johnson), Europa oder USA – aktuell reichen die Daten zum Guillain-Barré-Syndrom nicht, um einen möglichen Zusammenhang mit den Corona-Impfstoffen zu bestätigen oder auszuschließen. (Foto: IMAGO / NurPhoto)


Am vergangenen Freitag hat die EMA die wichtigsten Punkte der letzten Sitzung des Pharmakovigilanzausschusses veröffentlicht. Darin geht es vor allem um eine neue Kontraindikation für den Corona-Impfstoff von Johnson & Johnson, aber auch um ein Update zum Thrombosen mit Thromozytopenie-Syndrom (TTS) sowie um einen möglichen Zusammenhang von Fällen des Guillain-Barré-Syndroms mit Vektor-Impfstoffen.

Bereits im Juni berichtete die DAZ, dass in sehr seltenen Fällen nach Vaxzevria-Impfung ein Kapillarlecksyndrom (Capillary-Leak-Syndrom, CLS) beobachtet wurde – es kommt geschätzt etwa eine CLS-Erkrankung auf fünf Millionen verabreichte Dosen. Da in einigen Fällen die Geimpften bereits ein CLS in ihrer Vorgeschichte hatten, wurde über einen Rote-Hand-Brief informiert, dass Vaxzevria fortan bei Capillary-Leak-Syndrom in der Anamnese kontraindiziert ist. 

Bei Vaxzevria von AstraZeneca sowie bei der „COVID-19 Vaccine Janssen“ von Johnson & Johnson – der bislang nur einmalig für einen vollständigen Impfschutz verabreicht wird – handelt es sich um Vektor-Impfstoffe. Da lag die Frage nahe, ob was für Vaxzevria gilt auch für Janssen gilt?

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Seit dem vergangenen Freitag rät die europäische Arzneimittelagentur EMA nun bei Personen mit Kapillarlecksyndrom in der Vorgeschichte auch von der Anwendung des Janssen-Impfstoffs ab. Ein entsprechender Warnhinweis soll in die Produktinformation aufgenommen werden.

Bis zum 21. Juni sollen weltweit mehr als 18 Millionen Dosen des Janssen-Corona-Impfstoffs verabreicht worden sein. Der Pharmakovigilanzausschuss PRAC der EMA habe darunter drei Fälle eines Kapillarlecksyndroms überprüft, heißt es. Sie traten zwei Tage nach der Impfung auf. In einem der Fälle gab es bereits eine Vorgeschichte mit Kapillarlecksyndrom, zwei der drei Patient:innen starben.

Das Kapillarlecksyndrom

Die EMA erklärt das Kapillarlecksyndrom so:

„Das Capillary-Leak-Syndrom ist eine sehr seltene, ernste Erkrankung, bei der es zu Flüssigkeitsaustritt aus kleinen Blutgefäßen (Kapillaren) kommt, was zu Schwellungen vor allem in den Armen und Beinen, niedrigem Blutdruck, Verdickung des Blutes und niedrigen Blutspiegeln von Albumin (einem wichtigen Blutprotein) führt.“

Patient:innen sollten also sofort einen Arzt oder eine Ärztin aufsuchen, wenn sie in den Tagen nach der Impfung eine schnelle Schwellung der Arme und Beine oder eine plötzliche Gewichtszunahme bemerken. Aufgrund eines niedrigen Blutdrucks seien diese Symptome oft mit Ohnmachtsgefühlen verbunden.

Der mechanistische Hintergrund, wie eine Impfung zum Kapillarlecksyndrom führen kann, bleibt währenddessen noch unklar. Man habe Janssen als Unternehmen in dieser Hinsicht um weitere Informationen gebeten. Der Fall bleibt beim PRAC also weiter unter Beobachtung. 

Es sind nun weitere Rote-Hand-Briefe für Janssen (aber auch Comirnaty® und Spikevax®, Stichwort Myokarditis) zu erwarten. Bei Janssen soll es darin neben dem Kapillarlecksyndrom auch um ein Update zu Thrombosen mit Thromozytopenie-Syndrom (TTS) gehen. 

EMA und FDA beobachten Fälle des Guillain-Barré-Syndroms 

Wie die EMA erklärt, sollten Personen, bei denen innerhalb von drei Wochen nach der Impfung mit COVID-19 Impfstoff Janssen eine Thrombozytopenie diagnostiziert wird, aktiv auf Anzeichen einer Thrombose untersucht werden. Ebenso sollten Personen, bei denen innerhalb von drei Wochen nach der Impfung eine Thrombose auftritt, auf eine Thrombozytopenie untersucht werden. 

Im Juni war zu diesem Thema schon ein Rote-Hand-Brief zu Vaxzevria veröffentlicht worden. 

Währenddessen empfahl der PRAC am vergangenen Freitag auch für Vaxzevria eine neue Warnung in die Produktinformation aufzunehmen. Angehörige der Heilberufe und Personen, die den Impfstoff einnehmen, sollen so auf Fälle des Guillain-Barré-Syndroms (GBS) aufmerksam gemacht werden, die nach der Impfung berichtet wurden. 

Die EMA beschreibt GBS als eine Störung des Immunsystems, die eine Nervenentzündung verursacht und sich in Schmerzen, Taubheit, Muskelschwäche sowie Schwierigkeiten beim Gehen äußern kann. 

Tatsächlich sei das GBS schon während des Zulassungsverfahrens als mögliches unerwünschtes Ereignis identifiziert worden, das eine spezifische Überwachung erfordere. Allerdings: Zum aktuellen Zeitpunkt gibt es laut EMA nicht ausreichend Daten, um einen möglichen Zusammenhang mit dem Impfstoff zu bestätigen oder auszuschließen. 

Ähnlich scheint die Situation in den USA mit dem Impfstoff von Johnson & Johnson (Janssen) zu sein. Die „New York Times“ berichtete am vergangenen Montag darüber, dass eine entsprechende Warnung dem „Fact Sheet“ des Impfstoffs hinzugefügt wurde. Das Risiko, die Erkrankung zu entwickeln, sei laut Behörden zwar sehr gering, doch es scheine um das Drei- bis Fünffache höher unter den mit Johnson & Johnson Geimpften zu sein als in der Allgemeinbevölkerung in den USA, berichtet die „New York Times“. 

Ähnlich wie bei der EMA ist aber auch dort zu lesen: „In einer Erklärung sagte die Behörde, dass die verfügbaren Beweise zwar eine Verbindung zwischen dem Impfstoff von Johnson & Johnson und einem erhöhten Risiko für das Guillain-Barré-Syndrom nahelegen, aber nicht ausreichen, um einen kausalen Zusammenhang herzustellen.“ 



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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