Arzneimittel, Nahrungsergänzungsmittel und Lebensmittel

Wie gefährlich ist orales Titandioxid?

Stuttgart - 12.05.2021, 09:15 Uhr

Die niederländische Behörde für Lebensmittel- und Konsumgütersicherheit soll 2019 bei Titandioxid auf die Bedeutung der Untersuchung immuntoxikologischer Wirkungen zusätzlich zu möglichen reproduktionstoxikologischen Wirkungen hingewiesen haben. (Foto: RHJ / AdobeStock)

Die niederländische Behörde für Lebensmittel- und Konsumgütersicherheit soll 2019 bei Titandioxid auf die Bedeutung der Untersuchung immuntoxikologischer Wirkungen zusätzlich zu möglichen reproduktionstoxikologischen Wirkungen hingewiesen haben. (Foto: RHJ / AdobeStock)


„Zahlreiche wissenschaftliche Unsicherheiten“

Es bestünden laut EFSA insbesondere Unsicherheiten beim molekularen Mechanismus. Welchen Einfluss Größe und Beschaffenheit der (Nano-)Partikel haben, sei unklar. Die Expertinnen und Experten der EFSA kamen also vor allem aufgrund „zahlreicher wissenschaftlicher Unsicherheiten“ zu dem Schluss, dass die Verwendung von Titandioxid als Lebensmittelzusatzstoff nicht mehr länger als sicher angesehen werden kann. Die niederländische Behörde für Lebensmittel- und Konsumgütersicherheit soll 2019 zudem auf die Bedeutung der Untersuchung immuntoxikologischer Wirkungen zusätzlich zu möglichen reproduktionstoxikologischen Wirkungen hingewiesen haben. 

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Grundsätzlich gibt das BfR zu bedenken, dass in vielen Lebensmitteln Inhaltsstoffe mit genotoxischem Potenzial enthalten sind – sehr häufig natürlichen Ursprungs und unvermeidbar in der täglichen Ernährung. Allerdings könnten speziell Zusatzstoffe von Verbraucherinnen und Verbrauchern auch bewusst gemieden werden, da die Verwendung von Zusatzstoffen kennzeichnungspflichtig ist.

Hier steckt Titandioxid drin

  • in Lebensmitteln als Farbpigment E 171 z. B. in Kaugummis, Dragees und Bonbons mit hellen glänzenden oder glatten Überzügen; auch in Schokolade, Keksen, Käse und hellen Saucen und Nahrungsergänzungsmitteln, wie Magnesium- oder Calciumtabletten
  • in Kosmetika als CI 77891 z. B. in Zahncremes und vielen Kosmetika; in Sonnenschutzmitteln als mineralischer Lichtschutzfilter
  • als Weißpigment PW6 in Ölfarben, Wandfarben, Lacken
  • außerdem in Kunststoffen, Textilien, Photokatalysatoren

(Quelle: DAZ 7/2020)

Die Original-Stellungnahme der EFSA kann hier eingesehen werden. Auch das BfR hat angekündigt, eine Stellungnahme zu veröffentlichen. 

Nanopartikel in Lebensmitteln

Während das BfR seine „Fragen und Antworten“ zu Titandioxid am 6. Mai aktualisiert hat, stammen die „Fragen und Antworten zur Nanotechnologie“ noch vom August 2012. Dort heißt es, dass berichtet werde, dass Nanomaterialien auch gezielt als Nahrungsergänzungsmittel verwendet werden. Berichtet würde vom Einsatz von anorganischen Materialien wie Siliziumdioxid, kolloidalem Silber, Calcium und Magnesium in Nanopartikel-Form. Ob diese Stoffe allerdings im Lebensmittel als Nanopartikel oder in einer zusammengeballten Form vorliegen, sei unklar. Die Lebensmittelindustrie entwickle zudem funktionelle Lebensmittel, in denen Vitamine, Omega-3-Fettsäuren, Phytosterole und Aromen in Nanokapseln aus organischen Materialien, etwa in Liposomen, eingeschlossen werden, um sie dann im Körper gezielt freizusetzen. 

Risiken, die Nanomaterialien laut BfR bergen können, sind besondere (physikalisch-chemische) Eigenschaften eines Nanomaterials, wie große reaktionsfreudige Oberflächen, und das Verhalten im Körper, z.B. eine lange Verweildauer und die Überwindung natürlicher biologischer Barrieren.

„Alle Zutaten, die in Form technisch hergestellter Nanomaterialien im Lebensmittel vorhanden sind, müssen im Zutatenverzeichnis eindeutig aufgeführt werden. Auf die Bezeichnung solcher Zutaten muss das in Klammern gesetzte Wort ‚Nano‘ folgen.“ 

(Quelle: BMEL, Stand 3. Juni 2020) 

Die Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, Julia Klöckner (CDU), forderte am 6. Mai die Rücknahme der EU-Zulassung für Titandioxid. Sie habe sich „bereits an die EU-Kommission gewandt und sie aufgefordert, hier tätig zu werden“, hieß es. Wie die dpa am selben Tag berichtete, hatte die EFSA ihre Sicherheitsbewertung auf Ersuchen der EU-Kommission neu geprüft. Nun soll „der weit verbreitete Farbstoff Titandioxid […] nach dem Willen der EU-Kommission wegen möglicher Krebsrisiken aus dem Essen verbannt werden“. Die Brüsseler Behörde habe aber darauf hingewiesen, dass keine akute Gesundheitsgefahr bestehe. Man werde den EU-Staaten einen Zulassungsstopp vorschlagen, aber nach einer geeigneten Übergangsfrist. 



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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