Impfen oder nicht impfen?

Wie man Zweifeln bei Impfung mit Vaxzevria begegnen kann

Stuttgart - 23.04.2021, 13:45 Uhr

Aus dem pharmazeutischen Blickwinkel ist besonders ein Satz eines neuen Preprints zu Vaxzevria interessant: „Das Ausmaß der akuten Entzündungsreaktion [...] scheint ein wichtiger [...] Faktor zu sein, der durch die Reduzierung von Verunreinigungen und das Weglassen von EDTA verringert werden könnte.“ (Foto: IMAGO / Pixsell) 

Aus dem pharmazeutischen Blickwinkel ist besonders ein Satz eines neuen Preprints zu Vaxzevria interessant: „Das Ausmaß der akuten Entzündungsreaktion [...] scheint ein wichtiger [...] Faktor zu sein, der durch die Reduzierung von Verunreinigungen und das Weglassen von EDTA verringert werden könnte.“ (Foto: IMAGO / Pixsell) 


CVST ohne respiratorische Symptome bei COVID-19-Infektion?

Am 4. März berichtete die „Deutsche Gesellschaft für Neurologie“ (DGN) zunächst von einer iranischen Studie vom Februar. Darin würde die zerebrale Sinusvenenthrombose als seltene, aber ernste Komplikation bei COVID-19-Patient:innen beschrieben, hieß es. Es handelte sich allerdings nur um eine kleine Fallserie von sechs Patient:innen (31-62 Jahre). 

Von den beobachteten Patient:innen hätten vier keine respiratorischen bzw. nur nicht-respiratorische COVID-19-Symptome gehabt. In fünf Fällen trat die CVST zeitgleich zur SARS-CoV-2-Infektion auf; bei einem Patienten betrug das Intervall 15 Tage nach COVID-19-Beginn. Drei der sechs Patient:innen hätten allerdings prädisponierende Faktoren für eine CVST (Schwangerschaft, Protein-C-Mangel, Hepatitis C) gehabt. Vier der sechs Patient:innen verstarben trotz Intensivtherapie innerhalb von drei Wochen.

In der Literatur seien außerdem 28 Kasuistiken von Patient:innen mit Sinusthrombose bei SARS-CoV-2-Infektion gefunden worden. Dort lagen bei der Mehrzahl (22/28) aber auch respiratorische Infektzeichen vor. Elf von 28 hätten zudem prädisponierende Faktoren gehabt.

Das Intervall vom Beginn der COVID-19-Symptome betrug dort 0-21 Tage, so die DGN. Insgesamt sei bei nicht-COVID-19-assoziierter CVST der Frauenanteil größer (Frauen/Männer 2,19) gewesen als bei COVID-19-assoziierter CVST (Frauen/Männer 1,42). Patient:innen mit einer CVST und SARS-CoV-2-Infektion seien (gegenüber CVST ohne SARS-CoV-2-Infektion) im Durchschnitt älter gewesen (ca. 49 vs. 38 Jahre) und die Mortalitätsrate sei um mehr als das Fünffache höher (35,29% vs. 6,07%).

Doch auch in dieser Mitteilung wurde zum Mechanismus betont: „Die Datenlage erlaube insgesamt keine Rückschlüsse, inwieweit SARS-CoV-2 die Ursache oder nur einen Trigger für eine CVST darstellt, so die Autoren.“ Man solle aber, bei entsprechenden Hinweisen an die Möglichkeit einer CVST bei COVID-19-Patient:innen denken, und zwar auch bei fehlenden respiratorischen Symptomen.

CVST auch bei milden oder moderaten COVID-19-Verläufen?

Am 31. März meldet die DGN dann: „Sinusvenenthrombosen: Auch eine seltene COVID-19-Komplikation.“ Da war die öffentliche Diskussion rund um Vaxzevria und die speziellen beobachteten Nebenwirkungen bereits in vollem Gange. CVST, „wie sie zuletzt vereinzelt nach SARS-CoV-2-Impfung mit dem AstraZeneca-Impfstoff beobachtet wurden“, könnten selten auch im Rahmen der COVID-19-Erkrankung auftreten, heißt es dort, auch bei milden oder moderaten Verläufen. Man verwies erneut auf die Daten aus dem Iran, aber auch auf Daten aus den USA. Diese hätten jeweils „eigene Fälle aus mehreren Zentren zusammengetragen und zugleich Fallberichte und Fallserien aus der Literatur ausgewertet“. 

In die US-Studie seien acht eigene Patient:innen eingeschlossen worden, bei denen zwischen März und November 2020 an sieben von 31 teilnehmenden Zentren eine CVST im Zusammenhang mit einer COVID-19-Infektion diagnostiziert wurde. Die Patient:innen seien mit 88 Prozent überwiegend weiblich gewesen. Jeweils die Hälfte soll Kopfschmerzen und Fieber gehabt haben, 75 Prozent gastrointestinale Symptome. Nur jeweils zwei (25 %) sollen eine Bewusstseinsminderung oder fokale Defizite gehabt haben. Die Symptome werden als meistens „unspezifisch“ beschrieben. Die spezifischen neurologischen Symptome sollen im Median drei Tage nach COVID-19-Diagnose aufgetreten sein. 

In den Fällen aus den USA starb nur ein Patient der eigenen Fallserie. Bei 35 Fällen aus der Literaturrecherche seien es neun und damit 26 Prozent gewesen. In der „Diskussion“ der Studie heißt es, dass in diesen Fällen für die Mehrzahl (rund 74 Prozent) keine Risikofaktoren für CVST ausgemacht werden konnten.

„Risiko einer seltenen Blutgerinnung bei COVID-19 höher als bei Impfstoffen“

Am 15. April veröffentlichte schließlich die „University of Oxford“ eine Pressemitteilung, die ein großes mediales Echo erzeugte: „Risiko einer seltenen Blutgerinnung bei COVID-19 höher als bei Impfstoffen“, so der Titel. COVID-19 führe im Vergleich zu aktuell genutzten Impfstoffen zu einem vielfach höheren Risiko für zerebrale Venenthrombosen (CVT), hieß es. Allerdings bediente sich die britische Studie an Daten aus den USA, konnte also keinen direkten Vergleich zum Impfstoff von AstraZeneca ziehen.

Die einzelnen Risiken wurden in der Pressemitteilung so aufgelistet:

  • „In dieser Studie mit über 500.000 COVID-19-Patienten trat CVT bei 39 von einer Million Patienten auf.
  • Bei über 480.000 Personen, die einen COVID-19 mRNA-Impfstoff (Pfizer oder Moderna) erhielten, trat CVT bei 4 von einer Million auf.
  • Es wurde berichtet, dass CVT bei etwa 5 von einer Million Menschen nach der ersten Dosis des COVID-19-Impfstoffs von AZ-Oxford auftrat. [Vorsicht, Daten stammen nicht aus der Studie (TriNetX electronic health records network), sondern von der EMA!]
  • Im Vergleich zu den mRNA-Impfstoffen ist das Risiko einer CVT durch COVID-19 etwa 10-mal höher.
  • Verglichen mit dem AZ-Oxford-Impfstoff ist das Risiko einer CVT durch COVID-19 etwa 8-mal höher.“

Vorab können die Ergebnisse aus Oxford auf der „OSF website“ eingesehen werden.

Noch lägen die Daten nicht vollständig vor, hieß es. Paul Harrison, Professor für Psychiatrie und Leiter der Translationalen Neurobiologie-Gruppe an der Universität Oxford, sagte aber: „Wir sind zu zwei wichtigen Schlussfolgerungen gekommen. Erstens: COVID-19 erhöht das Risiko einer CVT deutlich und fügt sich damit in die Liste der Blutgerinnungsprobleme ein, die diese Infektion verursacht. Zweitens ist das COVID-19-Risiko höher als bei den aktuellen Impfstoffen, selbst bei Personen unter 30 Jahren; etwas, das bei der Abwägung von Risiken und Nutzen einer Impfung berücksichtigt werden sollte.“

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Es gilt zu beachten, dass es sich bei den Daten aus Oxford um keine konkreten Beobachtungen aus einer prospektiven Studie handelt, sondern um Schätzungen, die auf Daten einer Datenbank (von 59 Gesundheitseinrichtungen hauptsächlich aus den USA, TriNetX Analytics) basieren. Diesen Daten zufolge war das CVT-Risiko bei COVID-19 Patient:innen siginifikant erhöht, wenn es kardiovaskuläre Vorerkrankungen gab. 



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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