Preis für bezahlbare grüne Chemie

Artemisinin-Herstellung wie in der Pflanze – nur schneller

Düsseldorf - 21.01.2021, 12:15 Uhr

Professor Peter Seeberger, Direktor der Abteilung Biomaterialien am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam, wurde mit dem Preis für „bezahlbare grüne Chemie“ ausgezeichnet. (x / Foto: Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung, Martin Jehnichen)

Professor Peter Seeberger, Direktor der Abteilung Biomaterialien am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam, wurde mit dem Preis für „bezahlbare grüne Chemie“ ausgezeichnet. (x / Foto: Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung, Martin Jehnichen)


Photochemische Verfahren lassen sich auf andere Medikamente anwenden

Auch im größeren Maßstab sei das Verfahren möglich: „Das Verfahren wurde im Labor im Maßstab von 200 Gramm pro Tag durchgeführt. Es wurden bereits Anlagen konzipiert, die 10 Tonnen pro Jahr herstellen können. Dazu werden dickere Schläuche und stärkere Lampen benötigt. Das ist aber machbar“, sagt der Forscher.

Der Gesamtbedarf an Artemisinin liege laut Seeberger bei etwa 300 Tonnen pro Jahr. „Mit der Produktion von 30 bis 100 Tonnen könnte der Weltmarktpreis stabilisiert und gesenkt werden“, sagt er.

Die beiden Verfahrenspatente wurden von der MPI Ausgründung „ArtemiFlow GmbH“ lizenziert, die mit der Tochter „ArtemiFlow USA“ an der Umsetzung in den USA arbeitet. „Photochemische Verfahren lassen sich prinzipiell auch auf andere Medikamente anwenden. Kontinuierliche Synthesen wurden vor Kurzem von uns eingesetzt, um während der COVID-19-Pandemie benötigte Medikamente wie Narkotika und Schmerzmittel schnell und günstig lokal herstellen zu können“, erklärt der Forscher die Übertragbarkeit des Verfahrens auf andere Wirkstoffe. 

Einen Preis der ACS erhielt Seeberger, der ab Oktober 2021 für ein Jahr die renommierte Newton-Abraham-Gastprofessur an der University of Oxford innehat, mit diesem nun zum dritten Mal. Den „Award for Affordable Green Chemistry“ verleiht die Wissenschaftsgesellschaft dabei seit dem Jahr 2007 jährlich „zur Anerkennung herausragender wissenschaftlicher Entdeckungen, die den Grundstein für kostengünstigere und umweltfreundliche chemische Herstellungsprozesse legen“.

Artemisinin und dessen daraus gewonnene Derivate sind auch in der Diskussion zur Behandlung anderer Krankheiten – einschließlich Krebs und COVID-19. „Derivate des Artemisinins sind nicht nur gegen Malaria, sondern auch gegen eine Reihe anderer Krankheiten sehr vielversprechend. So gab es bereits klinische Untersuchungen zur Behandlung verschiedener Arten von Krebs. Auch gegen Viruserkrankungen sind Artemisinin-Derivate aktiv“, sagt Seeberger. Dazu müsse aber sichergestellt werden, dass diese neuen Anwendungen nicht die Verfügbarkeit und die Preise der Malariamedikamente beeinflussten. „Neue Prozesse zur Herstellung größerer Mengen sind also wichtig“, sagt der Forscher.

Unterdessen veröffentlichten Wissenschaftler um Professor Hermann Schindelin von der Universität Würzburg einen Beitrag im renommierten Fachmagazin PNAS (Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America), der aufzeigt, warum der Wirkstoff Artemisinin als unerwünschte Wirkung in die Signalweiterleitung von Nervenzellen eingreift. Den Würzburger Forschern zufolge bindet es an ein Protein, dass das Vitamin B6 in seine aktive Form überführt. Ohne das aktive Vitamin als Co-Faktor wird die Synthese des Neurotransmitters GABA (Gamma-Aminobuttersäure) unterbunden.



Volker Budinger, Diplom-Biologe, freier Journalist
redaktion@daz.online


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