Millionenfach bestellt und produziert – auch ohne Zulassung

Der „Run“ auf COVID-19-Impfstoffe

Stuttgart - 27.08.2020, 09:15 Uhr

Bislang hat nur Russland einen Corona-Impfstoff zugelassen. Wer gewinnt das Rennen in den USA und Europa? AstraZeneca oder Curevac? Auch Moderna und Biontech/Pfizer sowie GSK/Sanofi sind weit fortgeschritten mit der COVID-19-Impfstoffforschung. (s/ Foto: imago images / Science Photo Library)

Bislang hat nur Russland einen Corona-Impfstoff zugelassen. Wer gewinnt das Rennen in den USA und Europa? AstraZeneca oder Curevac? Auch Moderna und Biontech/Pfizer sowie GSK/Sanofi sind weit fortgeschritten mit der COVID-19-Impfstoffforschung. (s/ Foto: imago images / Science Photo Library)


Dass noch kein COVID-19-Impfstoff zugelassen ist, hindert keinen Staat daran, millionenfach Impfstoffe vorzubestellen. AstraZeneca, Curevac, Moderna, Biontech und Pfizer sowie GSK und Sanofi dürften sich über volle Auftragsbücher freuen. Teilweise wird schon produziert, auch ohne Zulassung. Über die Preise ist hingegen wenig bekannt, dafür plant die STIKO bereits die Priorisierung der Vakzinen. Wo stehen wir?

Nicht nur die Forschung an möglichen Corona-Impfstoffen läuft auf Hochtouren, auch das Rennen um die begehrten Schutzimpfungen hat längst begonnen – auch wenn derzeit kein Impfstoff zugelassen ist, abgesehen von der russischen Corona-Vakzine. So kaufen die Staaten „ins Blaue“ hinein Hunderte Millionen Impfstoffdosen, um ihre Versorgung zu sichern für den Fall, dass ein Impfstoff zugelassen wird. Sie schließen massig Verträge mit Pharma- und Biotechfirmen, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, bei einem Unternehmen zum Zuge zu kommen. Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ist aktiv geworden. Die Zuversicht, dass ein Impfstoff bald kommt, wächst: Professor Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, erwartet erste Zulassungen Ende dieses Jahres oder Anfang 2021.

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Zulassung noch in diesem Jahr angestrebt

Wann kommt der Corona-Impfstoff?

Rund 170 Impfstoffprojekte laufen laut Weltgesundheitsorganisation, doch nur gut eine handvoll Firmen befinden sich mit ihren Forschungen in Phase-III-Studien, der letzten Stufe vor einer möglichen Zulassung, berichtet die Deutsche Presse-Agentur (dpa). Die Herausforderung: Zu zeigen, dass die potenziellen Vakzinen tatsächlich vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 schützen, die auf die Impfung gebildeten Antikörper folglich funktionsfähig sind. Siegfried Throm, Geschäftsführer Forschung beim Verband Forschender Pharmaunternehmen (vfa), spricht bei Phase-III-Studien vom „Lackmustest“ für den Impfstoff. 

Haben AstraZeneca und Biontech/Pfizer die Nase vorn?

Weit fortgeschritten sind die Anstrengungen des US-Unternehmens Moderna, des britisch-schwedischen Herstellers AstraZeneca und der Mainzer Firma Biontech. Mit dem US-Kooperationspartner Pfizer will Biontech bei positiven Ergebnissen schon im Oktober einen Zulassungsantrag für seinen Corona-Impfstoff stellen. In den Vereinigten Staaten gab die FDA bereits im Juli bekannt, die beiden von Pfizer und Biontech entwickelten RNA-Impfstoffe BNT 162b1 und BNTb2 beschleunigt zu prüfen. Auch Moderna kündige bereits im Juli an, mit seinem Impfstoff mRNA-1273 in Phase III einzutreten.

Milliarden für Impfstoffvorbestellungen

Mit dem Kampf gegen Corona erhält der 30 Milliarden Dollar schwere Markt für Impfstoffe einen Schub. Kein Land investiert so viel wie die USA: Sie gaben unter anderem AstraZeneca eine milliardenschwere Finanzspritze, stellten den Konkurrenten Sanofi und GlaxoSmithKline (GSK) bis zu 2,1 Milliarden Dollar zur Corona-Forschung bereit und orderten beim Duo Biontech/Pfizer für fast zwei Milliarden Dollar Impfstoffdosen – Nachkaufrecht inklusive. Auch Großbritannien und Japan schlossen Verträge für Hunderte Millionen Impfstoffdosen.

Deutschland ist in Abstimmung mit europäischen Ländern auf den Markt getreten, was bedeutet, dass Deutschland und der Rest der EU nicht mehr auf die eigene (nationale) Impfstoffbeschaffung setzten und nicht mehr selbst mit potenziellen Impfstofflieferanten verhandeln. Nach Vorverhandlungen einer Impfstoffallianz, zu der neben Deutschland auch Italien, Frankreich und die Niederlande zählten, finalisierte sodann die EU-Kommission jüngst den Kauf von 300 Millionen Impfdosen bei AstraZeneca. Der dpa zufolge hat sich das Bundesgesundheitsministerium 54 Millionen Dosen des Impfstoffs gesichert, hieß es am Dienstag aus Regierungskreisen.

Wie groß der Corona-Impfstoff-Bedarf in der EU ist, hat die dpa ermittelt: Benötigt würden geschätzt 300 bis 600 Millionen Impfdosen – je nachdem, ob die künftige Vakzine ein- oder zweimal verabreicht werden muss. Die Kommission sicherte sich daher auch bis zu 405 Millionen Dosen eines Corona-Impfstoffs der Tübinger Biotechfirma Curevac und schloss weitere Vorgespräche mit Sanofi/GSK, dem US-Konzern Johnson & Johnson und Moderna ab.

Im Erfolgsfall sollen alle EU-Staaten profitieren. Die Kommission greift der dpa zufolge zur Finanzierung auf ein Corona-Soforthilfeinstrument mit 2,7 Milliarden Euro Volumen zurück. „Wir investieren in Unternehmen, die auf unterschiedliche Technologien setzen, um unsere Chancen auf Impfstoffe zu erhöhen, die sicher und wirksam sind“, erklärte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

Erfolgreiche Forschung und ausreichende Produktion

Für Pharmakonzerne geht es bei den Corona-Impfstoffen um viel Geld, wie der Vertrag von Biontech zeigt. Die USA zahlen für 100 Millionen Einheiten 1,95 Milliarden Dollar, was knapp 20 Dollar pro Dose entspricht. Die Spanne der Preise in ähnlichen Verträgen geht aber weit auseinander. Moderna will bei den Impfstoffpreisen bei seinem Kandidaten mRNA-1273 höher einsteigen. Man habe bereits Verträge über den Erwerb kleiner Mengen des Impfstoffs zum Preis von 32 bis 37 US-Dollar pro Dosis und bis zu 74 Dollar für eine volle Behandlung unterzeichnet, berichtete DAZ.online Anfang August. An der Börse sei die Hoffnung auf lukrative Geschäfte schon groß, so die dpa. Jüngst war Curevac ein fulminanter Börsenstart an der US-Börse geglückt. Der Ausgabekurs lag bei 16 Dollar, was der laut der Tagesschau „schon am oberen Ende der Preisspanne“ lag, die Aktien schlossen nach einem Kurssprung von 249 Prozent an ihrem ersten Handelstag bei 55,90 Dollar.

Zugleich nehmen die Unternehmen viele Risiken in Kauf, gibt die dpa zu bedenken. So sei der Zeitplan für Zulassungen bis Anfang 2021 ehrgeizig. Noch vor wenigen Jahren wurden für Impfstoff-Entwicklungen 15 bis 20 Jahre veranschlagt. Sicherheit und Wirksamkeit muss in großen Studien an Tausenden Probanden bestätigt werden. Olaf Tölke, Pharmaexperte bei der Rating-Agentur Scope, schätzt die Kosten der Entwicklung auf Hunderte Millionen Euro, die Unternehmen trügen das Risiko, im Rennen mit der Konkurrenz zu spät zu kommen. Zudem seien nur rund 10 Prozent der Impfstoffe, die in klinische Studien gehen, erfolgreich, erklärt vfa-Forschungsexperte Throm.

Produktion parallel zur Forschung

Doch mit der Forschung und Zulassung allein ist es nicht getan. Die Pharmaunternehemn müssen auch sicherstellen, dass sie im Falle einer Zulassung ihren Impfstoff in ausreichender Menge produzieren können. Somit bauten sie parallel zur Impfstoff-Forschung ihre Produktion aus, um nachher keine Zeit zu verlieren, so die dpa. Manch Arzneimittelhersteller sind besonders „mutig“ und produzieren bereits in großem Stil, obwohl die Zulassung noch ungewiss ist. So teilte laut dpa Curevac bereits Mitte Mai mit, dass die Firma schon große Wirkstoffmengen für ihren Impfstoffkandidaten hergestellt hat. Die Tests mit Freiwilligen hatten da noch gar nicht begonnen. Die Gefahr: Fallen die Studienergebnisse negativ aus, muss die Ware entsorgt werden.

Wie teuer können Impfstoffe verkauft werden?

Zudem sei offen, wie teuer die Impfstoffe verkauft werden können. Hersteller wie Johnson & Johnson und AstraZeneca haben angekündigt, zum Selbstkostenpreis zu liefern. Curevac hat indes erklärt, mit einem COVID-19-Impfstoff auch Gewinne für die Eigentümer anzupeilen: „Wir können das nicht zum Selbstkostenpreis machen. Wir haben Investoren, die seit zehn Jahren Geld in das Unternehmen stecken, also sollte es eine kleine Rendite für sie geben“, sagte Curevac-Finanzchef Pierre Kemula der Zeitung „Financial Times“.

Da nicht alle Impfstoffhersteller zeitgleich auf den Markt kommen werden, haben die Unternehmen mehrere Chancen, sich zu beweisen. Auf zwei bis vier Milliarden Dosen Corona-Impfstoff schätzt vfa-Experte Throm die weltweiten Produktionskapazitäten für das Jahr 2021. Risikogruppen würden wahrscheinlich zuerst geimpft, Kinder, Jugendliche und Schwangere später. Jüngst hatte die STIKO bereits eine Stellungnahme veröffentlicht, wer bei COVID-19-Impfungen priorisiert werden könnte. Ethische Aspekte waren der Ständigen Impfkommission wichtig und der Impfstoff müsse so eingesetzt werden, dass die wenigen zu Beginn verfügbaren Impfdosen die maximale Wirkung haben, wie durch Impfung von medizinischem Personal, Personal in Alten- und Pflegeheimen sowie Risikogruppen. „Die gesamte Weltbevölkerung in einem Jahr zu impfen, schafft man ohnehin nicht“, davon ist auch Throm überzeugt.



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1 Kommentar

Impfung

von AS am 18.09.2020 um 8:04 Uhr

Sehr geehrte Damen und Herren,

Impfen wir nun gegen SARS-CoV-2 oder gegen Covid-19?

Soviel ich weiß ist die Lungenkrankheit Covid-19 eine Folge der Erkrankung durch SARS-CoV-2. Oder habe ich da was falsch verstanden.

Mit freundlichen Grüßen
AS

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