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Warnung vor Off-Label-Use
Deutsche BCG-Präparate sind keine Impfstoffe gegen Tuberkulose
Könnte eine BCG-Tuberkulose-Impfung das Immunsystem so stimulieren, dass auch COVID-19-Erkrankungen weniger schwer verlaufen oder gar nicht erst auftreten? Diese Frage ist Gegenstand der Forschung. Das Paul-Ehrlich-Institut weist aktuell allerdings darauf hin, dass die in den Apotheken erhältlichen BCG-Produkte eine deutlich höhere Konzentration an immunstimulierenden Substanzen enthalten als ein Impfstoff. Offenbar gibt es Meldungen über die Anwendung dieser Präparate außerhalb ihrer Zulassung.
Es laufen derzeit mehrere Studien zu der Hypothese, dass eine Tuberkulose-Impfung im Kindesalter vor einer COVID-19-Erkrankung im Erwachsenenalter schützen könnte. Jüngste Daten aus Israel konnten diese Vermutung allerdings nicht bestätigen. Doch die Medien begleiten die Forschung seit Beginn der Coronakrise besonders eng, und so hat auch diese These offenbar bereits die Runde unter Patienten und Ärzten gemacht. Zumindest warnt das Paul-Ehrlich-Institut (PEI), Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel, aktuell vor dem Off-Label-Einsatz von BCG-Präparaten: Die in den Apotheken erhältlichen BCG-Produkte seien nicht zur Behandlung oder Vorbeugung von COVID-19 zugelassen!
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In Deutschland sind zwar immunstimulierende Präparate auf der Basis von Bakterienpräparationen des Bacillus Calmette-Guérin (BCG) Mykobakterienstamms erhältlich, allerdings nur zur Behandlung von Harnblasenkarzinomen. Konkret geht es um BCG medac (medac), BCG medac (CC-Pharma) und OncoTICE (Organon Teknika).
Bei der Warnung des PEI handelt es sich nicht um eine rein rechtliche Zulassungsformalie: „Im Vergleich zu einem Impfstoff enthalten die BCG-Präparate eine deutlich höhere Konzentration an immunstimulierenden Substanzen, was bei fehlerhafter Anwendung dieser Präparate als Impfstoffe ein Risiko für Patientinnen und Patienten darstellen kann“, erklärt das PEI.
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Die Schwindsucht ist noch nicht verschwunden
Laut Robert Koch-Institut wird die BCG-Impfung gegen Tuberkulose von der Ständigen Impfkommission (STIKO) in Deutschland seit 1998 nicht mehr empfohlen. Als Gründe werden die günstige epidemiologische Situation in Deutschland mit geringem Infektionsrisiko in der Bevölkerung, eine Schutzeffektivität von nur 50 bis 80 Prozent sowie nicht selten unerwünschte Nebenwirkungen (attenuierter Lebendimpfstoff) angegeben. Das entspricht laut RKI auch den Empfehlungen der WHO, „die vorgeschlagen hat, in Populationen, deren Infektionsrisiko für Tuberkulose unter 0,1 Prozent liegt, keine generelle BCG-Impfung durchzuführen“. In der DAZ 42/2019 hieß es, dass die Impfung keinen verlässlichen Schutz bietet, sondern nur hilft, schwere Tuberkuloseverläufe im Kindesalter zu verhindern.
International ist der Tuberkulose-Impfstoff also weiter verfügbar, und aufgrund unterschiedlicher epidemiologischer Gegebenheiten fordert eine Reihe von Ländern laut RKI bei Langzeitaufenthalten, zum Beispiel in Schulen oder Universitäten, eine Impfung.
Harnblasenkarzinom-Patienten leiden bereits unter Lieferengpass
Doch, wie bereits erwähnt, sind die immunstimulierenden BCG-Präparate in Deutschland nur zur Behandlung von Harnblasenkarzinomen erhältlich. Auch in dieser Indikation verläuft die Anwendung nicht risikofrei: Aus einer Pressemitteilung der Max-Planck-Gesellschaft vom Februar geht hervor, dass bei der Behandlung mit BCG die Harnblase über sechs Wochen immer wieder mit dem abgeschwächten Erreger gespült wird. Dadurch werde eine Immunreaktion ausgelöst, die sich zwar nicht spezifisch gegen den Tumor richtet, jedoch körpereigene Killerzellen aktiviert, die die veränderten Zellen abtöten. Die Spülungen mit BCG hätten jedoch so gravierende Nebenwirkungen wie Fieber, Inkontinenz oder grippeähnliche Symptome, dass viele Patienten die Therapie vorzeitig abbrechen.
Anlass der Pressemeldung war, dass die Forscher des Max-Planck-Instituts für Infektionsbiologie in Berlin den Tuberkulose-Impfstoff BCG genetisch so verändert haben, dass er das Abwehrsystem gezielter stimuliert. Dadurch schütze er deutlich besser vor Tuberkulose und in einer klinischen Studie mit Blasenkrebspatienten habe sich gezeigt, dass bei fast der Hälfte der Patienten, die zuvor nicht auf die BCG-Therapie ansprachen, eine Therapie mit VPM1002 ein Wiederauftreten der Tumore erfolgreich verhindern könne.
Rote-Hand-Brief zu BCG medac
Ein weiteres Risiko wurde am 27. März 2020 in einem Rote-Hand-Brief zu Bacillus Calmette-Guérin, BCG-medac betont. Darin wird davor gewarnt, dass es laut Einzelfallberichten ein Risiko für das Aufflammen von latenten BCG-Infektionen gibt, die potenziell tödlich verlaufen können – und das auch noch Jahre nach Beendigung der BCG-Behandlung. Im Falle einer systemischen BCG-Infektion solle eine Infektiologin/ ein Infektiologe zu Rate gezogen werden, da der Krankheitsverlauf dem einer Infektion mit M. tuberculosis gleiche. Doch sei BCG (abgeschwächtes M. bovis) für den Menschen weit weniger pathogen als M. tuberculosis. Der Patient müsse nach der Diagnose einer systemischen Infektion nicht isoliert werden.
BCG-Engpass besteht schon länger
Das PEI betont also deutlich, dass BCG-Produkte für die Behandlung von Harnblasenkarzinomen benötigt werden. Denn offenbar besteht bereits ein Lieferengpass für BCG medac, sodass der Gebrauch für nicht zugelassene Indikationen die Versorgung der betroffenen Patienten weiter gefährden könne: „Das Paul-Ehrlich-Institut fordert daher Ärztinnen und Ärzte sowie Apothekerinnen und Apotheker dazu auf, die Indikationsstellung kritisch zu überprüfen.“
Aus der Gelben Liste geht hervor, dass der Engpass seit Dezember 2019 besteht. Dort wird weiter ausgeführt, dass aufgrund des „Wegfalls relevanter Marktversorger und begrenzter Produktionskapazitäten bei den verbliebenen Herstellern“ die globale Versorgung mit BCG bereits in den letzten Jahren nicht ausreichend gewesen sei. Als einer der letzten größeren BCG-Versorger habe medac sich dazu entschieden, langfristig in die Produktionsoptimierung und -absicherung von BCG-medac zu investieren. Aktuell und voraussichtlich bis Ende 2021 könne es immer wieder zu vorübergehenden Einschränkungen bei der Versorgung mit BCG-medac kommen, weil Eingriffe in die laufende Produktion vonnöten seien, die Einbußen bei den Chargengrößen nach sich ziehen würden.
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