Warnung vor Off-Label-Use

Deutsche BCG-Präparate sind keine Impfstoffe gegen Tuberkulose

Stuttgart - 28.05.2020, 16:39 Uhr

Eine BCG-Impfung gegen Tuberkulose kann schwere Tuberkulose­verläufe im Kindesalter verhindern. Allerdings wird sie in Deutschland nicht empfohlen und ist hier auch nicht im Handel. (c / Foto: imago images / Science)

Eine BCG-Impfung gegen Tuberkulose kann schwere Tuberkulose­verläufe im Kindesalter verhindern. Allerdings wird sie in Deutschland nicht empfohlen und ist hier auch nicht im Handel. (c / Foto: imago images / Science)


Harnblasenkarzinom-Patienten leiden bereits unter Lieferengpass 

Doch, wie bereits erwähnt, sind die immunstimulierenden BCG-Präparate in Deutschland nur zur Behandlung von Harnblasenkarzinomen erhältlich. Auch in dieser Indikation verläuft die Anwendung nicht risikofrei: Aus einer Pressemitteilung der Max-Planck-Gesellschaft vom Februar geht hervor, dass bei der Behandlung mit BCG die Harnblase über sechs Wochen immer wieder mit dem abgeschwächten Erreger gespült wird. Dadurch werde eine Immunreaktion ausgelöst, die sich zwar nicht spezifisch gegen den Tumor richtet, jedoch körpereigene Killerzellen aktiviert, die die veränderten Zellen abtöten. Die Spülungen mit BCG hätten jedoch so gravierende Nebenwirkungen wie Fieber, Inkontinenz oder grippeähnliche Symptome, dass viele Patienten die Therapie vorzeitig abbrechen. 

Anlass der Pressemeldung war, dass die Forscher des Max-Planck-Instituts für Infektionsbiologie in Berlin den Tuberkulose-Impfstoff BCG genetisch so verändert haben, dass er das Abwehrsystem gezielter stimuliert. Dadurch schütze er deutlich besser vor Tuberkulose und in einer klinischen Studie mit Blasenkrebspatienten habe sich gezeigt, dass bei fast der Hälfte der Patienten, die zuvor nicht auf die BCG-Therapie ansprachen, eine Therapie mit VPM1002 ein Wiederauftreten der Tumore erfolgreich verhindern könne.

Rote-Hand-Brief zu BCG medac 

Ein weiteres Risiko wurde am 27. März 2020 in einem Ro­te-Hand-Brief zu Bacillus Calmette-Guérin, BCG-medac betont. Darin wird davor gewarnt, dass es laut Einzelfallberichten ein Risiko für das Aufflammen von latenten BCG-Infektionen gibt, die potenziell tödlich verlaufen können – und das auch noch Jahre nach Beendigung der BCG-Behandlung. Im Falle einer systemischen BCG-Infektion solle eine Infektiologin/ ein Infektiologe zu Rate gezogen werden, da der Krankheitsverlauf dem einer Infektion mit M. tuberculosis gleiche. Doch sei BCG (abgeschwächtes M. bovis) für den Menschen weit weniger pathogen als M. tuberculosis. Der Patient müsse nach der Diagnose einer systemischen Infektion nicht isoliert werden.

BCG-Engpass besteht schon länger

Das PEI betont also deutlich, dass BCG-Produkte für die Behandlung von Harnblasenkarzinomen benötigt werden. Denn offenbar besteht bereits ein Lieferengpass für BCG medac, sodass der Gebrauch für nicht zugelassene Indikationen die Versorgung der betroffenen Patienten weiter gefährden könne: „Das Paul-Ehrlich-Institut fordert daher Ärztinnen und Ärzte sowie Apothekerinnen und Apotheker dazu auf, die Indikationsstellung kritisch zu überprüfen.“ 

Aus der Gelben Liste geht hervor, dass der Engpass seit Dezember 2019 besteht. Dort wird weiter ausgeführt, dass aufgrund des „Wegfalls relevanter Marktversorger und begrenzter Produktionskapazitäten bei den verbliebenen Herstellern“ die globale Versorgung mit BCG bereits in den letzten Jahren nicht ausreichend gewesen sei. Als einer der letzten größeren BCG-Versorger habe medac sich dazu entschieden, langfristig in die Produktionsoptimierung und -absicherung von BCG-medac zu investieren. Aktuell und voraussichtlich bis Ende 2021 könne es immer wieder zu vorübergehenden Einschränkungen bei der Versorgung mit BCG-medac kommen, weil Eingriffe in die laufende Produktion vonnöten seien, die Einbußen bei den Chargengrößen nach sich ziehen würden. 



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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