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Nach mehreren kritischen Berichten über die mangelnde Wirksamkeit von Hydroxychloroquin gegen COVID-19 hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ihre Studien dazu vorerst gestoppt. WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus sagte am Montag in Genf, dass zunächst möglichst viele Daten zu Hydroxychloroquin und Chloroquin ausgewertet werden sollen.
Erst Ende März hatte die WHO (Weltgesundheitsorganisation) unter dem Titel „Solidarity“ eine weltweite Studie eingeleitet, in der die aktuell bereits verfügbaren Behandlungsansätze gegen COVID-19 miteinander verglichen werden sollten. Insgesamt standen vier verschiedene Therapien im Fokus: Remdesivir, Lopinavir + Ritonavir, Lopinavir + Ritonavir + Interferon Beta und Chloroquin bzw. Hydroxychloroquin. Wie DAZ.online schon damals berichtete, sollten laut „Science“ Chloroquin und Hydroxychlorquin eigentlich gar nicht in die „Solidarity“-Studie aufgenommen werden. Aufgrund des großen öffentlichen Interesses in einigen Ländern habe man die beiden Wirkstoffe aber schließlich doch eingeschlossen – trotz Sicherheitsbedenken (bei hoher Dosierung).
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Seit vergangenem Montag verrät der Internetauftritt zur WHO-Studie Solidarity, dass in deren Rahmen zwar sowohl Untersuchungen zu Chloroquin als auch Hydroxychloroquin geplant waren, tatsächlich aber schließlich nur Untersuchungen mit Hydroxychloroquin stattgefunden haben. In der Folge wurde Chloroquin auch aus der Auflistung der Seite entfernt. Wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) am Montagabend meldete, werden zudem nun auch die laufenden Studien mit Hydroxychloroquin vorerst ausgesetzt.
Erneute Beratung in ein bis zwei Wochen
Das Journal „The Lancet“ hatte zuletzt am Freitag auf Grundlage einer umfassenden Datenanalyse berichtet, dass sich die Malaria-Arzneien Chloroquin und Hydroxychloroquin wahrscheinlich nicht zur Behandlung von COVID-19-Patienten eignen und die Wirkstoffe womöglich sogar die Todesrate erhöhen. Zu ähnlichen Ergebnissen waren zuvor schon kleinere Studien gekommen. Doch letztere Studie nimmt die WHO nun offenbar zum Anlass, den Hydroxychloroquin-Arm in der Solitdarity-Studie zu pausieren. WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus sagte am Montag in Genf, das zunächst möglichst viele Daten zu Hydroxychloroquin und Chloroquin ausgewertet werden sollen. Laut einer WHO-Expertin soll in einer oder zwei Wochen erneut über die Tests mit Hydroxychloroquin beraten werden.
15.000 Patientendaten zu Chloroquin/Hydroxchloroquin
Die dpa hatte am Freitag bereits über die Beobachtungsstudie im Lancet berichtet: Chloroquin und Hydroxychloroquin könnten womöglich die Todesrate unter COVID-19-Erkrankten erhöhen und zu Herzrhythmusstörungen führen, hieß es. Forscher aus den USA und der Schweiz hatten in der Lancet-Studie Daten von gut 96.000 Patienten ausgewertet, von denen fast 15.000 einen der Wirkstoffe allein oder in Kombination mit einem Makrolid-Antibiotikum (Azithromycin oder Clarithromycin) 48 Stunden nach Diagnosestellung bekommen hatten (1.868 Chloroquin, 3.783 Chloroquin + Makrolid, 3.016 Hydroxychloroquin und 6.221 Hydroxychloroquin + Makrolid). Die Autoren um Professor Mandeep Mehra von der Harvard Medical School sprechen sich dafür aus, die Mittel nur im Rahmen von klinischen Studien einzusetzen und den Nutzen sorgfältig zu prüfen.
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Die Patientendaten der Studie stammten von 671 Krankenhäusern auf sechs Kontinenten. Alle vier Behandlungsarten – die beiden Mittel jeweils allein oder mit Antibiotikum – erhöhten das Sterberisiko im Krankenhaus. Vor allem Hydroxychloroquin zusammen mit einem Antibiotikum erwies sich als riskant: Einer von vier der so behandelten Patienten starb. In der Kontrollgruppe war es nur einer von elf Patienten. Auch ventrikuläre Herzrhythmusstörungen traten gehäuft unter Hydroxychloroquin + Makrolid auf: bei 8 Prozent im Vergleich zu 0,3 Prozent der Kontrollgruppe. Sowohl Makrolide als auch Hydroxychloroquin verlängern die QT-Zeit. Ob ein Zusammenhang zwischen Rhythmusstörungen und Tod besteht, wurde aber nicht untersucht.
Das Team hatte zahlreiche mögliche Einflussfaktoren berücksichtigt, etwa das Alter der Patienten sowie Vorerkrankungen wie Diabetes mellitus und Herzkrankheiten. Es kann dennoch nicht sicher ausschließen, dass andere, nicht berücksichtigte Faktoren das Ergebnis beeinflusst haben. Schließlich handele es sich um eine Beobachtungsstudie. Kontrollierte klinische Studien seien dringend nötig.
„Kleinere Studien haben bisher keinen Nutzen zeigen können und die Ergebnisse größerer, randomisierter und kontrollierter Studien liegen noch nicht vor“, sagte Mitautor Professor Frank Ruschitzka vom Universitätsspital Zürich der dpa. „Wir wissen aus unserer Studie, dass die Chance, dass diese Mittel den Verlauf von COVID-19 verbessern, ziemlich gering ist.“
Frankreichs Behörde für Arzneimittelsicherheit setzt ebenfalls Studien aus
Mittlerweile hat laut einer weiteren dpa-Meldung vom Dienstag sich auch Frankreichs Hoher Rat für öffentliche Gesundheit gegen eine Behandlung von COVID-19-Erkrankten mit Hydroxychloroquin ausgesprochen. Eine Arbeitsgruppe sei zu dem Schluss gekommen, dass es keine ausreichend robusten klinischen Studien gibt, die die Wirksamkeit von Hydroxychloroquin bei COVID-19 unabhängig von der Schwere der Infektion belegten, teilte der Rat am Dienstag mit. Bereits Ende März hatte Frankreichs Behörde für Arzneimittelsicherheit ANSM vor möglichen Nebenwirkungen gewarnt. Diese erklärte nun ebenfalls am Dienstag, dass als Vorsichtsmaßnahme klinische Studien mit COVID-19-Patienten vorerst ausgesetzt werden sollen. Entsprechende Verfahren seien eingeleitet worden.
Die Arbeitsgruppe des französischen Gesundheitsrats habe vor ihrer Bewertung unter anderem die internationalen Empfehlungen für die Verschreibung von Hydroxychloroquin und Veröffentlichungen zu diesem Thema – einschließlich des Lancet-Artikels – überprüft, hieß es.
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Frankreich nimmt auch an der Solidarity-Studie der WHO teil. Das französische „Institut national de la santé et de la recherche médicale“ (Inserm) hatte am 22. März in einer Pressemitteilung außerdem bekannt gegeben, ebenfalls vier experimentelle Therapien gegen COVID-19 in einem europäischen Pendant zur WHO-Studie zu erproben. Das Vorgehen dabei ähnelt stark dem der WHO.
Zwei in Deutschland laufende Studien sollen hingegen weitergeführt werden, wie Professor Peter Kremsner aus Tübingen, Koordinator der beiden Studien, im Gespräch mit der „Ärzte Zeitung“ berichtete.
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