COVID-19

Artemisia Annua: Forschung in Deutschland, ungeprüfter Kräutertee in Madagaskar

Düsseldorf - 11.05.2020, 17:45 Uhr

Es waren Chinesen, die in den 1970er Jahren aus dem einjährigen Beifuß (Artemisia annua) das Artemisinin isolierten, den heute wichtigsten Wirkstoff gegen Malaria. (Foto: imago images / Xinhua)

Es waren Chinesen, die in den 1970er Jahren aus dem einjährigen Beifuß (Artemisia annua) das Artemisinin isolierten, den heute wichtigsten Wirkstoff gegen Malaria. (Foto: imago images / Xinhua)


Artemisia annua, der Einjährige Beifuß, ist erwiesenermaßen im Zusammenhang mit Malaria eine wichtige Heilpflanze. Ihr Wirkstoff Artemisinin bekämpft den Malaria-Erreger wirksam. Im Angesicht der COVID-19-Pandemie rückt sie in den Fokus von dubiosen Heilsversprechern aber auch Wissenschaftlern, um das neue Coronavirus zu bekämpfen – mit schwer einzuschätzenden Folgen.

Was haben der parasitische Einzeller Plasmodium falciparum und das Virus SARS-CoV-2 miteinander gemeinsam? Auf den ersten Blick nicht viel, auf den zweiten und dritten Blick allerdings auch nicht. Beide verursachen zwar schwere Infektionskrankheiten beim Menschen, allerdings völlig anders geartete. Plasmodium ist ein einzelliger Parasit, der Erythrozyten, befällt, sich in ihnen vermehrt und sie periodisch zum Platzen bringt – was die schwerste Form der Malaria, Malaria tropica, auslöst. SARS-CoV-2 ist das seit Herbst 2019 beim Menschen grassierende Virus, das für die Covid-19-Pandemie verantwortlich ist. Es befällt verschiedene Epithel-Zellen vor allem in der Lunge und dem Atemtrakt, Darm, Nervensystem und Gefäßen, vermehrt sich in ihnen und zerstört sie dabei.

Dass, was gegen Malaria wirkt auch gegen Covid-19 wirken muss, hat als seltsamer Irrglaube unter dem Hashtag #heilenwietrump bereits traurige Berühmtheit erhalten. Der US-Präsident hatte vor kurzem geschlossen, dass wenn Desinfektionsmittel wie Chlordioxid Viren auf Oberflächen neutralisieren, man doch bestimmt Desinfektionsmittel auch trinken oder injizieren könne – wovon Mediziner und Forscher dringend abraten.

Dennoch sind nun viele Wirkstoffe ohne echte Evidenz in den Ruf geraten, wirksam gegen das Coronavirus zu sein. Neben dem Malaria-Wirkstoff Chloroquin ist das auch das 2015 mit dem Nobelpreis geadelte Malaria-Mittel Artemisinin und dessen Ursprungspflanze, Artemisia annua.

Die Wirkung des reinen Wirkstoffs Artemisinin gegen den Malaria-Erreger ist unumstritten und hinreichend dargestellt. Der Wirkmechanismus ist nicht abschließend geklärt, es wird aber vermutet, dass das Sesquiterpen Artemisinin in Gegenwart von Eisenionen aus einer Peroxidstruktur heraus freie Radikale bildet, die dann vermutlich in den befallenen Erythrozyten den Malaria-Erreger nachhaltig angreifen. In jedem Fall wird der Wirkstoff in Kombination mit anderen zur Therapie von Malaria eingesetzt und die Entdeckung wurde 2015 mit dem Medizin-Nobelpreis für die Forscherin Youyou Tu ausgezeichnet.

Wissenschaftliche Studien, die die Wirksamkeit von Artemisinin oder pflanzlicher Extrakte oder Tees von Artemisia annua gegen das SARS-CoV-2-Virus belegen, gibt es aktuell allerdings nicht. Einige erste Untersuchungen eines alkoholischen Extrakts aus Artemisia annua als Mittel aus der Traditionellen chinesischen Medizin (TCM) hatte Wirkung beim Erreger von SARS, dem 2005 SARS-CoV, gezeigt – einem mit dem Covid-19-Erreger verwandten Beta-Coronavirus. Unter anderem davon inspiriert gibt es nun zum einen ernstzunehmende Forschung des renommierten Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam, zum anderen aber auch eine wissenschaftlich nicht abgesicherte breite Verteilung eines „Covid Organics“ genannten Kräuter-Extrakts, der in erster Linie Artemisia annua enthält.



Volker Budinger, Diplom-Biologe, freier Journalist
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Artemisia annua: Streit um eine wundersame Pflanze

Gegen Malaria ist ein Kraut gewachsen

Die WHO lehnt alle pflanzlichen Darreichungen von Artemisia zur Behandlung der Malaria ab

„Ein gefährlicher Irrweg“

Autofluoreszierende Artemisinin-Cumarin-Hybride verbessern Überleben im Mausmodell

Malaria mit 2-in-1-Wirkstoff bekämpfen

Medizin-Nobelpreis 2015 geht an drei Parasitenforscher

Noble Naturstoffe

Dihydroartemisinin-Piperaquin zugelassen

Kampf gegen Malaria

3 Kommentare

Anwort für Monika B.

von Arne Sauer am 03.06.2020 um 15:39 Uhr

Dazu können die Stengel mit den Blättern verwendet werden. Entweder trocknen und als Tee verwenden oder einen alkoholischen oder besser noch DMSO Auszug herstellen. Anleitungen dazu bei Youtube anschauen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

artemisia annua

von Schilz Gaby am 13.05.2020 um 14:48 Uhr

Artemisinin-Derivate sind synthetisch hergestellt und enthalten nur diese eine Substanz, so kann leicht eine Resistenz entstehen
Der Tee enthält eine vielfältige Mischung an Substanzen, deren Zusammenwirken etwas bewirkt wogegen keine Resistenz entstehen kann.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: artemisia annua

von Monika B. am 02.06.2020 um 7:08 Uhr

Wie kann ich aus der Pflanze den Tee herstellen, bzw welche Pflanzenteile muss ich zum trocknen nehmen?

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.