Herstellung von Händedesinfektionsmitteln

Brennereien und Zuckerfabriken versorgen Apotheken mit Alkohol

Berlin - 26.03.2020, 13:30 Uhr

Heiß begehrte Ware in der Corona-Epidemie: Apotheker verladen auf dem Gelände des Zuckerwerks Anklam Kanister mit Ethanol für die Herstellung von Desinfektionsmitteln. (c / Foto: picture alliance / Jen Büttner)

Heiß begehrte Ware in der Corona-Epidemie: Apotheker verladen auf dem Gelände des Zuckerwerks Anklam Kanister mit Ethanol für die Herstellung von Desinfektionsmitteln. (c / Foto: picture alliance / Jen Büttner)


Weil die Nachfrage ungebrochen hoch und das Angebot weiterhin knapp ist, gibt es immer mehr Lockerungen für die Eigenherstellung von Händedesinfektionsmitteln. Mittlerweile können Apotheken Alkohol von diversen Schnapsbrennereien beziehen – und auch Zuckerfabriken verteilen den begehrten Grundstoff.  

Desinfektionsmittel als Fertigprodukt gibt es so gut wie gar nicht mehr zu kaufen. Mittlerweile stellen erste Betriebe ihre Produktion um, um auszuhelfen – beispielsweise Klosterfrau. Auch Apotheken tun, was sie können. Doch dass die Ausgangsstoffe für die Eigenherstellung ebenfalls nicht mehr leicht zu bekommen sind, ist kein Geheimnis. Daher gibt es für Apotheken sowie für Unternehmen, die Desinfektionsmittel herstellen, bereits einige Erleichterungen.

Das Bundesamt für Chemikalien hat im März zwei Allgemeinverfügungen und Ausnahmegenehmigungen nach Artikel 55 Abs. 1 der Biozid-Verordnung erlassen. Danach dürfen unter anderem Apotheken jetzt 2-Propanol-haltige, 1-Propanol-haltige und Ethanol-haltige Biozidprodukte zur hygienischen Händedesinfektion herstellen – für die breite Öffentlichkeit wie auch für „berufsmäßige Verwender“, worunter insbesondere Kliniken, Arztpraxen und Heime zu verstehen sind. Arzneibuchqualität ist längst nicht mehr nötig und auch der Ethanol, der eigentlich zulassungsfrei in Verkehr gebracht und verwendet werden darf, muss nicht mehr den höchsten Kriterien entsprechen. Steuerfrei ist der verwendete Ethanol mittlerweile überdies.

Die Anforderungen an Ethanol gemäß der Allgemeinverfügung vom 20.März 2020 lauten:

  • Reinheit: mindestens 96% vergällt oder unvergällt
  • Keine gefährlichen Verunreinigungen (z.B. CMR-Stoffe oberhalb 0,1%, hautsensibilisierende Stoffe, etc.)
  • Die Reinheit des Wirkstoffes ist über entsprechende Analysezertifikate des Herstellers zu belegen.

Und damit sind auch Brennereien im Spiel: Wie das Bundesamt für Chemikalien in seinen mittlerweile aufgelegten FAQs zu seinen Allgemeinverfügungen ausführt, darf sowohl Bioethanol als auch Ethanol von Brennereien, das diese Anforderungen erfüllt, für die Herstellung und das Inverkehrbringen der Händedesinfektionsmittel verwendet werden – jedenfalls für die Rezepturen, die das Bundesamt in besagter Allgemeinverfügung benennt.

Jägermeister beliefert Braunschweiger Klinik

Schon in der vergangenen Woche erklärte etwa Johannes Anleitner von der Bärwurz-Quelle im bayerischen Bad Kötzting dem Bayerischen Rundfunk (BR): „Wir geben alles her, was wir haben. Die Gesundheit geht vor, wir stellen die Produktion für gewisse Produkte ein“. Und die Nachfrage ist groß: Auch Claudia Liebl von der Destillerie Liebl in Bad Kötzting sagte: „Apotheken im Umkreis von 100 Kilometern fragen an“.

Mittlerweile sind immer mehr Brennereien im „Desinfektionsmittelgeschäft“: 100.000 Liter Alkohol erhält etwa das Klinikum Braunschweig derzeit von niedersächsischen Unternehmen zur Herstellung von Desinfektionsmittel. Eine Hälfte davon stelle der Spirituosenhersteller Jägermeister aus Wolfenbüttel zur Verfügung, teilte die Klinik mit. Darüber hinaus werde eine weitere Lieferung mit 50.000 Litern vom Chemieunternehmen KWST aus Hannover erwartet. 

Die Braunschweiger Krankenhausapotheke stellt mit dem Alkohol Desinfektionsmittel für die Kliniken der Region her. „Die Produktion ist eine Premiere und der aktuellen Notlage geschuldet“, erklärte Geschäftsführer Andreas Goepfert. Die Klinik betonte, dass eine Abgabe des Mittels an Externe oder Privatpersonen nicht möglich sei.

Zuckerfabriken geben Bioethanol aus

Der Zuckerhersteller Nordzucker kündigte an, aufgrund des erhöhten Bedarfs sämtliches noch verfügbares Bioethanol ausschließlich für weiterverarbeitende Betriebe zur Desinfektionsmittelherstellung bereitzustellen. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Braunschweig produziert am Standort Klein Wanzleben nach eigenen Angaben bis zu 130.000 Kubikmeter Bioethanol im Jahr.

Auch in Anklam (Landkreis Vorpommern-Greifswald) gibt die Zuckerfabrik bereits Alkohol an Apotheken aus. Am gestrigen Mittwoch standen dort Apotheker Schlange, die teilweise weite Anreisen hatten. Laut Deutscher Presse-Agentur wurden rund 13.000 Liter Ethanol in etwa fünf Stunden verkauft. Die Zuckerfabrik hatte bereits in der vergangenen Woche die Apotheker mit Ethanol unterstützt – da waren es aber erst etwa 5000 Liter, die ausgegeben wurden. Die Aktion sei in der kommenden Woche erneut geplant, heißt es.



Kirsten Sucker-Sket / dpa
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

biozidverordnung

von norbert brand am 27.03.2020 um 7:48 Uhr

richtig lieber Kollege Küsgens, diese Verordnung muß weg. Es gibt keinen besseren Beleg als die aktuelle Situation für eine flächendeckende kleinzellige Desinfektionsmittelproduktion, wie sie nur die Apotheken leisten können. Mir ist noch heute schleierhaft, wie es zu dieser Verordnung kommen konnte. Wahrscheinlich war damals gerade mal wieder etwas anderes viel wichtiger. Als erstes müssen wir darauf drängen, die Befristung weiter hinauszuschieben. Als Argument dient die zu erwartende Zweite Welle der Pandemie nach erstmaliger Besserung.

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Allgemeinverfügung

von Bernd Küsgens am 26.03.2020 um 22:20 Uhr

Die Apotheker brauchen keine Allgemeinverfügung sondern eine Aufhebung der Biozidverordnung.

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