Suizid-BtM und Strafbare Sterbehilfe

BMG bleibt bei Sterbehilfe stur

Berlin - 13.01.2020, 17:14 Uhr

Das Bundesgesundheitsministerium hat Probleme mit einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu Suizid-Arzneimitteln. (Foto: imago images / Müller-Stauffenberg)

Das Bundesgesundheitsministerium hat Probleme mit einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu Suizid-Arzneimitteln. (Foto: imago images / Müller-Stauffenberg)


Mittlerweile hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte 102 Anträge von Schwerkranken, ihnen Zugang zu einem tödlichen Betäubungsmittel zu verschaffen, abgelehnt. Einige Anträge sind noch offen – doch wie die notwendige „Einzelfallprüfung“ ausgeht, ist angesichts der Vorgaben aus dem Bundesgesundheitsministerium absehbar. Beim Thema Sterbehilfe hält sich das Haus von Jens Spahn allerdings insgesamt sehr bedeckt. Ein Tagesspiegel-Journalist hat nun nicht zum ersten Mal versucht, über den Klageweg mehr zu erfahren.

Im Streit um Möglichkeiten für Schwerkranke, sich Betäubungsmittel (BtM) zur Selbsttötung selbst zu beschaffen, sind inzwischen 102 Anträge auf eine amtliche Erlaubnis abgelehnt worden. Insgesamt gingen mittlerweile 133 Anträge ein, wie das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) am Montag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa) mitteilte. 24 Antragsteller sind demnach gestorben, über die übrigen Anträge wurde noch nicht entschieden.

Zuerst hatte der „Tagesspiegel“ über den neuesten Stand der Dinge in Sachen Suizid-BtM berichtet. Hintergrund ist eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem März 2017. Danach hat ein schwer und unheilbar kranker Patient das Recht zu entscheiden, wie und wann er sein Leben beendet – denn dies gehöre zu seinem grundgesetzlich verankerten allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Im extremen Einzelfall kann das bedeuten, dass ihm der Staat – hier verkörpert durch das BfArM – nicht den Zugang zu einem tödlichen Betäubungsmittel zur schmerzlosen Selbsttötung verwehren darf. Das heißt: Die Behörde müsste stets im Einzelfall prüfen, ob das Anliegen möglicherweise berechtigt ist.

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Trotz dieses höchstrichterlichen Urteils wies das Bundesgesundheitsministerium 2018 das BfArM an, entsprechende Anträge von Bürgern abzulehnen. Zuvor hatte es den früheren Richter am Bundesverfassungsgericht, Udo di Fabio, mit einem Gutachten beauftragt, das zu dem Schluss kam, dass das Urteil der Bundesverwaltungsrichter verfassungsrechtlich nicht haltbar sei. Die schon von Spahns Vorgänger Hermann Gröhe (CDU) eingeschlagene Linie setzte sich also nach den Bundestagswahlen fort. Bislang folgte die Behörde den ministeriellen Anweisungen – ob dahinter wirklich eine dezidierte Einzelfallprüfung steht, bezweifelt unter anderem die Opposition, speziell die FDP. Das BfArM erklärt hingegen laut dpa, dass jeder eingehende Antrag geprüft werde. Antragsteller würden dafür auch um Unterlagen wie Gutachten gebeten.

Sterbehilfe-Paragraf vor dem Bundesverfassungsgericht

Indessen steht Ende Februar ein mit Spannung erwartetes Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Thema Sterbehilfe an, das auf Spahns weiteres Vorgehen Einfluss haben könnte. Es geht um sechs Verfassungsbeschwerden, die sich gegen § 217 des Strafgesetzbuchs richten. Diese Norm stellt seit gut vier Jahren die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe. Die neue Strafnorm verunsicherte nicht zuletzt Mediziner – machen sie sich strafbar, wenn sie im Einzelfall doch bei einem Suizid „helfen“?

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Wie weit darf Sterbehilfe gehen?

Im vergangenen April wurde in Karlsruhe mündlich verhandelt. Der Tagesspiegel-Journalist Jost Müller-Neuhof wollte vom BMG unter anderem wissen, was seine Beobachter bei der mündlichen Verhandlung als Botschaft an Spahn mitgebracht haben – und welche Bewertungen sie aus dem erlebten gezogen haben. Weil das BMG sich zugeknöpft zeigte, ging Müller-Neuhof – nicht das erste Mal – juristisch gegen das BMG vor. Er machte einen presserechtlichen Auskunftsanspruch geltend und tatsächlich sprach das Verwaltungsgericht Köln ihm im Eilverfahren einen solchen zu: Das BMG solle darüber Auskunft geben, wie die Regierungsdelegation die Verhandlung in Karlsruhe in Vermerken dargelegt und bewertet hat. Die Presse habe einen „verfassungsrechtlich gewährleisteten Vermittlungs- und Kontrollauftrag“, heißt es im Beschluss, der DAZ.online vorliegt. Dieser sei dazu bestimmt, eine den rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechende Ausübung der Regierungsfunktion sicherzustellen. Dies gelte „auch und erst recht für kritische Berichterstattung“. Presse und Regierung seien keine Gegenspieler, sondern ergänzten sich notwendigerweise. 

Laut Tagesspiegel hat Spahn bereits Beschwerde gegen die Entscheidung eingelegt, über die nun das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen entscheiden muss.



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