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BtM zur Selbsttötung
Bericht: BMG sperrte sich schon frühzeitig gegen Suzid-Urteil
Das Bundesgesundheitsministerium hat sich offensichtlich schon früh auf den Standpunkt gestellt, dass das 2017 ergangene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu Suizid-Arzneimitteln nicht umgesetzt werden soll. Das geht aus Vermerken und internen Mails hervor, in die ein Tagesspiegel-Journalist nach einer erfolgreichen Informationsklage in dieser Causa Einblick nehmen konnte.
Im März 2017 entschied das Bundesverwaltungsgericht, dass ein schwer und unheilbar kranker Patient das Recht hat, zu entscheiden, wie und wann er sein Leben beendet. Im extremen Einzelfall kann das bedeuten, dass ihm der Staat – repräsentiert durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) – nicht den Zugang zu einem tödlichen Betäubungsmittel verwehren darf. Konkret ging es um Natrium-Pentobarbital.
Nach diesem Urteil stellten 109 Patienten beim BfArM einen Antrag, um eine solche tödliche Arzneimitteldosis genehmigt zu bekommen – 21 von ihnen sollen mittlerweile verstorben sein. Die Behörde beschied bis vor kurzem allerdings keinen einzigen dieser Anträge. Sie berief sich darauf, dass die Verfassungsmäßigkeit des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts noch nicht endgültig geklärt sei. Vielmehr befand der vom BfArM beauftragte Verfassungsrechtler und ehemalige Bundesverfassungsrichter Professor Udo Di Fabio in einem Rechtsgutachten, dass das besagte Urteil „verfassungsrechtlich nicht haltbar“ sei. Auch der damalige Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) stellte sich gegen das Urteil aus Leipzig.
Staatssekretär bittet BfArM um Ablehnung der Anträge
Die Anträge beim BfArM wurden derweil weiterhin nicht mit einem klaren Ja oder Nein beschieden. Ende Juni dieses Jahres schrieb dann Gesundheitsstaatssekretär Lutz Stroppe (CDU) einen Brief an BfArM-Präsident Karl Broich und nahm darin Bezug auf die dem BfArM vorliegenden Anträge. „Nach intensiver Beratung im Bundesministerium für Gesundheit möchten wir Sie hiermit bitten, solche Anträge zu versagen“, heißt es klar und deutlich in dem Brief. Die Ergebnisse des Di-Fabio-Gutachtens entsprächen der Einschätzung des Bundesgesundheitsministeriums (BMG), so Stroppe. Und weiter: „Nach unserer Überzeugung [darf] durch eine deutsche Verwaltungsbehörde auf Bundesebene keine Entscheidung dahingehend getroffen werden, die Tötung eines Menschen durch Erteilung einer Erlaubnis zum Erwerb des konkreten Suizidmittels zuzulassen und damit aktiv zu unterstützen.“
Jost Müller-Neuhof, Tagesspiegel-Redakteur und Jurist, wunderte sich mächtig, dass sich das BfArM fortgesetzt „weigerte“, das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts umzusetzen. Schließlich sind höchstrichterliche Entscheidungen grundsätzlich bindend. Er wollte wissen, was dahinter steckt und hat in der Folge gerichtlich einen presserechtlichen Auskunftsanspruch gegenüber dem Ministerium durchgesetzt. Seine Vermutung war, dass das BMG frühzeitig begonnen hat, das Urteil zu umgehen und dabei politisch motiviert ist.
Gutachter soll „fehlgehende Entscheidung“ des Gerichts bestätigen
Nun liegen dem Journalisten Vermerke und interne E-Mails aus dem BMG vor, wie er im Tagesspiegel berichtet. Und er sieht sich in seiner Einschätzung bestätigt: So heiße es in einem Vermerk vier Tage nach dem Urteil, Kriterien für eine Freigabe tödlich wirkender Medikamente zu entwickeln, „würde die bisherige ethisch-politische Linie von Herrn Minister [Gröhe] konterkarieren“. Eine Umsetzung sei „kaum vorstellbar“, auch die Leitung des für die Genehmigungen zuständigen BfArM könne dies „nicht mittragen“. Ebenfalls schon kurz nach der Entscheidung erwog das Ministerium, einen „renommierten Verfassungsrechtler“ einzuschalten: „Ziel sollte sein, für die öffentliche und politische Kommunikation anhand eines solchen Gutachtens klarstellen zu können, dass das Bundesverwaltungsgericht hier eine (...) fehlgehende Entscheidung getroffen hat“.
Nach dem Brief von Staatssekretär Stroppe hat das BfArM mittlerweile begonnen, die eingegangenen Anträge förmlich – und im Sinne des Ministerium – zu bescheiden. Sieben Versagungsbescheide hat die Behörde laut Tagesspiegel in diesem Monat bislang verschickt. Dies geschehe „nach sorgfältiger Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung der individuellen Umstände“.
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