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Heidelberger Herbstkongress 2019
Erst Anamnese, dann Allergietest
Am vergangenen Wochenende hatte die Landesapothekerkammer Baden-Württemberg zum 42. Heidelberger Herbstkongress geladen, zum Thema Kinder und Jugendliche. Passend zum ersten Vortrag – bei dem es um Allergien und Asthma ging – wurde auch wieder der Preis für die beste Projektarbeit innerhalb der Weiterbildung zum Fachapotheker für Allgemeinpharmazie verliehen.
Insgesamt rund 1000 Teilnehmer waren es, die am vergangenen Wochenende nach Heidelberg strömten, um sich zum Thema „Kinder und Jugendliche“ fortzubilden. Auf der Warteliste sollen noch 200 weitere gestanden haben. Sie alle – ob im Hauptvorlesungssaal oder einem der beiden zusätzlichen mit Live-Übertragung – wurden von LAK-Präsident Dr. Günther Hanke begrüßt. Dieser verwies, einleitend in das Thema, auf die in diesem Jahr neu veröffentlichte Welle der KiGGS-Studie zur Kindergesundheit in Deutschland. Außerdem überreichte er den seit 2008 verliehenen Preis für herausragende Projektarbeiten innerhalb der Weiterbildung zum Fachapotheker für Allgemeinpharmazie an Sebastian David Dittus aus der Sonnen-Apotheke in Neuenbürg im Nordschwarzwald. Dotiert ist dieser Preis mit 750 Euro.
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Passend zum ersten Vortragsthema Allergie und Asthma drehte sich auch die Projektarbeit von Dittus um Asthma-Inhalatoren: „Verbesserte Patientenberatung zur Anwendung von portablen Arzneiformen zur bronchopulmonalen Anwendung“. Konkret hat er in seiner Apotheke ein System entwickelt, mit dem er Patienten direkt auf die Anwendungsvideos der Deutschen Atemwegsliga aufmerksam macht. Dazu werden in der Sonnen-Apotheke in Neuenbürg an die Patienten Zettel ausgegeben, die mit einem QR-Code versehen sind und direkt zum entsprechenden Video weiterleiten.
Bevor es im Eröffnungsvortrag von Dr. med. Thomas Spindler schließlich um Asthma ging, machte der Chefarzt für Kinder und Jugendliche von der Hochgebirgsklinik Davos (FMH Kinder- und Jugendmedizin, Kinderpneumologie, Allergologie, Sportmedizin) zunächst auf einige wichtige und grundlegende Aspekte in der Behandlung von Allergien aufmerksam.
„Begriff Allergietest ist per se falsch“
Spindler stellte klar, dass ein Allergietest – egal, ob die Messung über die Haut oder das Blut erfolgt – keinen Nachweis für eine Allergie liefert, sondern nur IgE-Antikörper nachweist. Das Vorliegen dieser Antikörper sei nur ein Beleg dafür, dass eine Sensibilisierung vorliegt. Diese könne jedoch ein Leben lang bestehen, ohne dass tatsächlich Symptome auftreten. „Allergietests müssten eigentlich Sensibilisierungstests heißen“, fasste er sein Anliegen zusammen.
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Der Nachweis einer Sensibilisierung rechtfertige schließlich keine Therapie oder Allergen-Karenz, erklärte Spindler. Denn die Sensibilisierung sei nur der erste Schritt in Richtung Allergie, welche man besser durch eine gute klinische Anamnese erfassen könne als durch einen Test: „Erst wenn die Zellen entscheiden, dass ein Katzen-Antigen tatsächlich gefährlich ist, entsteht auch eine Allergie.“ Der Test sei daher nur der zweite Schritt der Diagnose.
„Riesiger Diagnostik-Hype“
Spindler ging auch auf die Weiterentwicklung der Allergietests der letzten Jahre ein, denn: Ob eine Allergie gegen Biene oder beispielsweise Apfel besteht, bedeute natürlich nicht, dass man gegen die komplette Biene oder den kompletten Apfel allergisch sei, sondern gegen einzelne molekulare Komponenten davon. Relevant sei das zum Beispiel auch im Zusammenhang mit Kreuzallergien. Allerdings betonte Spindler, dass auch die neuen molekularen Allergietests am Ende nur (spezifisches) IgE messen – also auch nur die Frage nach der Sensibilisierung, nicht aber der Allergie, beantworten. Er riet (auch gegenüber Heilpraktikern) skeptisch zu sein: „Wer viel misst, misst viel Mist.“
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Auch wenn einmal eine Allergie im Kindesalter aufgetreten sei, müsse diese nicht ein Leben lang bestehen. Als Beispiele nannte er die Kuhmilchallergie oder Hühnereiweißallergie. Spindler betonte, wie stark eine solche Allergie die Lebensqualität der betroffenen Familien einschränken könne – es lohnt sich also, die Allergie immer wieder zu hinterfragen.
„Die Katze muss leider weg!“
Kurz ging Spindler auch auf die verschiedenen Theorien zur Entstehung von Allergien ein. Dabei ließ er den Risikofaktor allergischer Eltern nicht aus und erläuterte die Hygienehypothese. Dazu verwies er auf die sogenannten Bauernhofstudien, benannte aber auch manche industriell hergestellte Babynahrung als problematisch, die so gut wie steril sei. „Wenn dem Immunsystem langweilig wird, macht es Unsinn“, fasste Spindler die Hygienehypothese zusammen.
Bei der Therapie der Allergie setzte Spindler schließlich den Stopp bzw. die Begrenzung der Allergenzufuhr an die erste Stelle: „Die Katze muss leider weg!“ Die spezifische Immuntherapie (SIT) sei ansonsten die einzig mögliche kausale Therapie einer Allergie, weil sie die Balance zwischen TH1- und TH2-Lymphozyten wieder verschieben könne. Hier sind aber einige relative Kontraindikationen zu beachten.
Wann Apotheker genauer hinschauen sollten
Als schwerste Form der allergischen Reaktion ging Spindler außerdem auf die Anaphylaxie ein, auch wenn sie bei Kindern im Vergleich zu Erwachsenen eine eher kleine Rolle spiele – die Inzidenz soll insgesamt zunehmen. Er verwies auf die Wichtigkeit der Verordnung und Erläuterung eines Notfallsets. Denn sind die Symptome schwer beziehungsweise ist der Zusammenhang der Reaktion mit einer Allergenaufnahme gesichert, ist die Gabe von Adrenalin der erste Handlungsschritt. Und so solle man beim Kauf von Antiallergika ohne ärztliche Verordnung in der Apotheke immer nachfragen, warum der Kunde diese möchte. Eine Selbstmedikation verbiete sich, ohne vorherige Abklärung beim Allergologen, bei jedem Hinweis auf eine systemische Reaktion.
Asthma: Ärzte auf neue Leitlinie hinweisen
Beim Thema Asthma ging Spindler schließlich vor allem auf die neue Nationale Versorgungsleitlinie ein, bei deren Erstellung er beteiligt war. Er betonte, dass in der neuen Leitlinie die Einsparung von Kosten keine Rolle mehr spiele, was in der alten noch anders gewesen sei. Das betreffe vor allem die neuen teuren Medikamente, die bei Kindern aber eher eine Rarität darstellen sollen, weil bei ihnen kaum schwere Verlaufsformen des Asthmas auftreten.
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Insgesamt wird das Asthma nicht mehr in Schweregrade, sondern die Therapie in Stufen eingeteilt. Spindler betonte dabei, dass LABA (Langwirkende Beta-2-Sympathomimetika) nur noch in Kombination mit inhalativen Corticosteroiden (ICS) erlaubt sind. Sollte ein Apotheker eine LABA-Monotherapie bemerken, sei es durchaus seine Aufgabe, den Arzt auf die bestehende Leitlinienempfehlung hinzuweisen.
Grundsätzlich seien Arzneimittel in der Therapie nicht wichtiger als die Auslöser-Vermeidung. Allerdings ist damit nicht etwa Anstrengung oder Sport gemeint: „Es gibt kein Anstrengungsasthma mehr!“, betonte Spindler. Man spricht nur noch von anstrengungsinduzierten Symptomen.
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