- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 44/2018
- Never change a running ...
Arzneimittel und Therapie
Never change a running system!
Überarbeitete Nationale Versorgungsleitlinie Asthma rät zu pharmazeutischen Bedenken
Nationale Versorgungsleitlinien haben zum Ziel, Empfehlungen zu versorgungsbereichsübergreifenden Vorgehensweisen bei Erkrankungen mit hoher Prävalenz zu geben. Neben Asthma sind dies die Indikationen chronisch-obstruktive Atemwegserkrankung (COPD), chronische Herzinsuffizienz, chronische koronare Herzkrankheit (KHK), nichtspezifischer Kreuzschmerz, unipolare Depression sowie Typ-2-Diabetes. Die Nationalen Versorgungsleitlinien stehen unter der Trägerschaft der Bundesärztekammer (BÄK), der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF).
Bei der nun veröffentlichten dritten Auflage der NVL Asthma steht – ebenso wie bei der Ende letzten Jahres veröffentlichten S2k-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit Asthma – die Asthmakontrolle im Mittelpunkt der Klassifizierung und Behandlung. Die bislang übliche Schweregradeinteilung hat keinen Bestand mehr. Dabei richtet sich die Asthmakontrolle nach der vorliegenden Symptomatik und dem Risiko für eine Verschlechterung. Es werden drei Grade der Asthmakontrolle unterschieden: kontrolliertes Asthma, teilweise kontrolliertes Asthma und unkontrolliertes Asthma (s. Tabelle).
Grade der Asthmakontrolle |
gut kontrolliert |
teilweise kontrolliert |
unkontrolliert |
|
---|---|---|---|---|
Symptomkontrolle |
Hatte der Patient in den letzten 4 Wochen:
◻ Symptome tagsüber (Kinder/Jugendliche) bzw. häufiger als zweimal in der Woche tagsüber Symptome (Erwachsene)
◻ Nächtliches Erwachen durch Asthma
◻ Gebrauch von Bedarfsmedikation (Kinder/Jugendliche) bzw. Gebrauch von Bedarfsmedikation für Symptome* häufiger als zweimal in der Woche (Erwachsene)
◻ Aktivitätseinschränkungen durch Asthma
|
Kein Kriterium erfüllt |
1 bis 2 Kriterien erfüllt |
3 bis 4 Kriterienerfüllt |
Beurteilung des Risikos für eine zukünftige Verschlechterung des Asthmas |
Erhebung von:
|
|||
* ausgeschlossen ist Bedarfsmedikation, die vor sportlicher Aktivität angewandt wurde |
Sechs Stufen für Kinder und Jugendliche
Darauf basierend erfolgt die Behandlung nach einem Stufenschema (s. Abbildungen 1 und 2). Als wichtiges Therapieziel und Kriterium für den Therapieerfolg gilt ein geringer Bedarf eines kurzwirksamen Beta-2-Sympathomimetikums (SABA). Wenn die Bedarfsmedikation nicht ausreicht, um die Beschwerden zu kontrollieren, sind inhalative Corticosteroide (ICS) angezeigt. Sie stellen sowohl bei Kindern und Jugendlichen als auch bei Erwachsenen die Basis der Langzeittherapie ab Stufe 2 dar und adressieren die zugrunde liegende Entzündung. Neu ist, dass das Stufenschema für Kinder und Jugendliche in der nun veröffentlichten Version der NVL sechs Therapiestufen umfasst. Hier stehen die Sicherheit und die Vermeidung von Nebenwirkungen im Vordergrund. In der dritten Stufe sind bei Kindern und Jugendlichen lediglich mitteldosierte ICS vorgesehen. Diese werden in der vierten Stufe mit anderen Wirkstoffen kombiniert. Erst ab der fünften Stufe wird eine Therapie mit hochdosierten ICS empfohlen.
Aufgrund der langanhaltenden bronchodilatativen Wirkung von inhalativen langwirkenden Beta-2-Sympathomimetika (LABA) sollen diese nicht als Monotherapie gegeben werden, sondern nur in Kombination mit entzündungshemmenden ICS – vorzugsweise als Fixkombination. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Asthmasymptome bei erhaltener Entzündung kaschiert werden. In der aktualisierten NVL werden nun auch langwirkende Anticholinergika (LAMA) als zusätzliche Option zu einer Therapie mit ICS und ggf. LABA genannt: bei Erwachsenen ab Stufe 3, bei Kindern und Jugendlichen ab Stufe 4. Derzeit ist aus der Gruppe der LAMA nur Tiotropium zur Behandlung des Asthma zugelassen. Von einer LAMA-Monotherapie rät die NVL ab.
Den Einsatz von monoklonalen Antikörpern sieht die aktuelle Leitlinie erst dann vor, wenn alle anderen medikamentösen Therapieoptionen ausgeschöpft wurden. So können Antikörper gegen Immunglobulin E (IgE) oder Interleukin-5 (IL-5) bzw. dessen Rezeptor in der letzten Therapiestufe sinnvoll sein, um eine Langzeittherapie mit oralen Corticosteroiden zu vermeiden. Bei Patienten mit schwerem IgE-vermittelten allergischen Asthma kommt hier Omalizumab (Xolair®) infrage, bei schwerem eosinophilem Asthma werden für Erwachsene die Antikörper Mepolizumab (Nucala®), Reslizumab (Cinqaero®) oder Benralizumab (Fasenra®) als Therapieoptionen genannt.
Leiden Patienten häufig unter Exazerbationen, kann eine Messung der Fraktion des exhalierten Stickstoffmonoxids (FeNO) hilfreich sein. Dadurch kann die Therapie optimiert werden und so die Häufigkeit von Exazerbationen gesenkt werden.
Um festzustellen, ob eine Therapieanpassung erforderlich ist, soll der Grad der Asthmakontrolle in regelmäßigen Abständen überprüft werden. Bei der Therapieeskalation ist gemäß NVL jedoch Zurückhaltung angebracht: Bei Patienten mit unzureichender Asthmakontrolle sollen zuerst die Inhalationstechnik (Vorführung durch den Patienten), der Schulungsbedarf, die Therapieadhärenz, Allergie- und Umweltfaktoren, Komorbiditäten, aggravierende Faktoren sowie die Diagnose Asthma überprüft werden und gegebenenfalls entsprechende Maßnahmen ergriffen werden.
Pharmazeutische Bedenken nutzen
Auch Apotheker können einiges dazu beitragen, dass Patienten von der Therapie profitieren: So betont die NVL – bei deren Erstellung im Übrigen auch die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker beteiligt war – die Bedeutung einer Einweisung in die korrekte Arzneimittelanwendung und Inhalationstechnik. Dabei soll sichergestellt werden, dass der Patient in der Lage ist, das Inhalationssystem korrekt zu bedienen. Bei der Auswahl des Inhalationssystems und der Einweisung in die richtige Handhabung sollten Ärzte und Apotheker zusammenarbeiten. Die Hauptverantwortung liegt zwar beim behandelnden Arzt, eine zusätzliche Schulung der Patienten durch Apotheker wird jedoch ggf. als sinnvoll erachtet. Auch die Problematik der Substitution wird in der aktuellen Version der NVL verstärkt thematisiert: So wird den Ärzten empfohlen, das „Aut-idem-Kreuz“ zu setzen, wenn sich Arzt und Patient gemeinsam für ein geeignetes Inhalationssystem entschieden haben. Das ist nicht neu. Neu ist jedoch, dass explizit dazu geraten wird, einen Wechsel auf ein anderes Inhalationssystem zu vermeiden, wenn der Patient mit dem bisherigen gut zurechtkommt. Neu ist auch die konkrete Empfehlung, dass Apotheker pharmazeutische Bedenken im Sinne des Rahmenvertrages erwägen sollen, wenn „aut-idem“ nicht angekreuzt wurde und gemäß Rabattvertrag ein Wechsel des Inhalationssystems vorgesehen wäre. Ist ein Wechsel nicht zu vermeiden, muss der Patient entsprechend geschult werden. Wenn eine Umstellung auf ein anderes Inhalationssystem nicht vom Arzt beabsichtigt war, soll die Einweisung durch den Apotheker erfolgen. Zudem sollte überprüft werden, ob die Dosis angepasst werden muss. In regelmäßigen Abständen soll auch die Inhalationstechnik des Patienten überprüft werden – insbesondere bei unzureichender Asthmakontrolle. |
Quelle
Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Nationale VersorgungsLeitlinie Asthma – Langfassung, 3. Auflage. Version 1; 2018; www.asthma.versorgungsleitlinien.de; Abruf am 15. Oktober 2018
Flyer NVL Asthma: Was ist wichtig? Was ist neu? Programm für Nationale VersorgungsLeitlinien in der Trägerschaft von Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) und Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). www.leitlinien.de/nvl/asthma; Abruf am 15. Oktober 2018
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.