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Kongresse
Hormone im Fokus
Heidelberger Herbstkongress liefert Tipps für die endokrinologische Beratung
Die Veranstaltung stand unter dem Motto „Hormongesteuert?!“. Dieses Thema lasse bei ihm die Assoziation an „Testosteron-geschwängerte junge Männer“ aufkommen, so Kammerpräsident Dr. Günther Hanke bei der Eröffnung des 41. Heidelberger Herbstkongresses. Und bei „jungen Männern“ falle ihm sogleich Herr Spahn ein, dessen Auftritt bei der ABDA-Mitgliederversammlung am 11. Dezember mit Spannung erwartet werde. Doch um Politik sollte es in Heidelberg nicht gehen, im Fokus der Fortbildungsveranstaltung stand die Stärkung der pharmazeutischen Kompetenz.
In diesem Sinne ging der diesjährige Preis für die beste Projektarbeit im Rahmen der Weiterbildung zum Fachapotheker für Allgemeinpharmazie an Philipp Böhmer. Ausgezeichnet wurde der in Stuttgart tätige Apotheker für seine Arbeit „Methadon zur Substitution – ein Plädoyer für die Herstellung in der Apotheke“, die aufzeigt, wie wichtig die individuelle Anfertigung von Rezeptur und Defektur in der Apotheke ist.
Nicht jeder braucht Thyroxin
Den Auftakt des wissenschaftlichen Programms machte Dr. med. Oswald Ploner, Endokrinologe am Diakonie-Klinikum in Stuttgart, mit dem Thema „Schilddrüse“. Er räumte mit der Annahme auf, dass bei jedem Patienten mit erhöhten Spiegeln des Thyreoidea-stimulierenden Hormons (TSH) eine latente Hypothyreose vorliege, die sofort behandelt werden müsse. „Laborwerte sind nur die halbe Wahrheit!“, so Ploner. In vielen Fällen seien vermeintlich hohe Werte – wenn keine Entzündung und somit eine Hashimoto-Thyreoiditis vorliege – nicht behandlungsbedürftig und normalisierten sich von alleine wieder. Oft reiche es aus, erst einmal abzuwarten.
Ist eine Therapie mit Thyroxin erforderlich, gibt es einiges zu beachten: Die Präparate müssen nüchtern mit Wasser eingenommen werden, am besten mindestens 30 Minuten vor dem Frühstück. Dann ist der Magen mit Sicherheit leer. Zudem vermindern zahlreiche Arzneimittel die Resorption. Ein Beispiel ist der Protonenpumpenhemmer Pantoprazol, da Thyroxin nur im sauren Milieu resorbiert wird. Aufgrund der geringen therapeutischen Breite stehen Thyroxin-Präparate auf der Substitutionsausschlussliste: Bei einem Wechsel sind die TSH-Spiegel unbedingt zu kontrollieren.
Vitamin D für die Knochen?
Wie man Patienten mit einem hohen Osteoporose-Risiko erkennt, erläuterte Apothekerin Dr. rer. nat. Verena Stahl. So lassen sich Osteoporose-Kandidaten mithilfe eines einfachen Fragebogens, dem „1-Minuten-Test“ der International Osteoporosis Foundation, leicht identifizieren. Wenn man sich mit dem Kunden kein Quiz-Duell liefern möchte, bräuchte man zwar ein wenig mehr Zeit, so Stahl, dafür könne man dem Patienten aber „Schwarz-auf-Weiß“ zeigen, wie es um sein Risiko steht. Die diagnostische Abklärung eines behandlungsbedürftigen Zustands erfolgt dann durch den Arzt anhand der Osteodensitometrie (Knochendichtemessung). Ob eine Therapie mit Vitamin D3 und ggf. Calcium – wie sie in der Osteoporose-Leitlinie empfohlen wird – sinnvoll ist oder nicht, ist aktuell wieder heiß umstritten. So hat eine neue Metaanalyse Zweifel am Nutzen einer Vitamin-D-Supplementation in Bezug auf eine Verbesserung der Knochendichte sowie einer Verringerung des Sturz- und Frakturrisikos aufkommen lassen. In jedem Fall, sollte eine Maximaldosis von 4000 IE Vitamin D3 pro Tag aufgrund des Risikos einer Hypercalciämie nicht überschritten werden. Eine Supplementation ist immer auch ärztlich zu begleiten.
Im Trend sind derzeit Kombinationspräparate mit Vitamin K2 wie Eunova® DuoProtect. Es stimme zwar, dass Vitamin K2 die Vitamin-D-induzierte Knochenmineralisation verstärke, allerdings ist die Zufuhr mit der Nahrung in der Regel völlig ausreichend und ein echter Mangel sehr selten. Die Studienlage ist zudem schlecht. Zu beachten sei insbesondere, dass Eunova® in verschiedenen Dosierungen zur Verfügung stehe: Die Packung mit 4000 IE Vitamin D3 ist dabei lediglich für die „Anschubfinanzierung“ über ein bis zwei Monate gedacht, danach sollte auf ein geringer dosiertes Präparat umgestellt werden.
Brustkrebsrisiko relativiert
Unterlegt von zahlreichen Comics, die im Auditorium für viel Erheiterung sorgten, erläuterte Prof. Dr. med. Martin Kolben, Gynäkologe aus Gräfelfing, welchen Tanz die Hormone in den Wechseljahren vollführen. Die typischen Beschwerden können bei Frauen, die durch Hitzewallungen und Co. stark in ihrer Lebensqualität eingeschränkt sind, durch eine Hormontherapie aus Estrogen und Gestagen gelindert werden. Falls eine Kundin immer nur Estrogen-Verordnungen einreiche, sollte man in der Apotheke hellhörig werden und nachfragen, ob die Gebärmutter entfernt worden sei. Ohne gleichzeitige Gestagen-Therapie besteht sonst die Gefahr einer Wucherung der Gebärmutterschleimhaut, im schlimmsten Fall entwickle sich ein Karzinom. Auch über mögliche Nebenwirkungen einer Hormontherapie sollten Patientinnen informiert werden. Im Zusammenhang mit dem leicht erhöhten Brustkrebsrisiko machte Kolben jedoch klar, dass Übergewicht das Risiko deutlich stärker erhöhe als eine Hormontherapie. Durch Sport wiederum kann das Risiko gesenkt werden. Diese Botschaften ließen sich jedoch nicht so medienwirksam verkaufen, wie die vermeintlich „tödlichen Gefahren“ einer Hormontherapie.
Adipositas ist nicht „harmlos“
Den Auftakt des zweiten Fortbildungstages machte Prof. Dr. med. Matthias Blüher, Leiter der Adipositasambulanz in Leipzig. Er räumte mit dem Vorurteil auf, dass Adipositas ein rein kosmetisches Problem sei: „Adipositas kostet Menschenleben!“ So hätten Menschen mit einem Body-Mass-Index (BMI) von 35 bis 40 kg/m2 eine um sieben Jahre geringere Lebenserwartung, bei einem BMI von 40 bis 50 kg/m2 gingen gar zwölf Jahre an Lebenszeit verloren. Bereits ein moderater Gewichtsverlust verbessert den Gesundheitszustand. Zwar können Diäten und Pharmakotherapien helfen, Gewicht zu verlieren, nach einer initialen Gewichtsabnahme wird in der Regel allerdings eine erneute Zunahme beobachtet. Warum? Hier kommen zahlreiche Hormone ins Spiel. „Abnehmen ist nichts, was die Natur vorgesehen hat“, so Blüher. So sinkt beispielsweise der Leptin-Spiegel während einer Diät, dem Körper wird „Hunger“ signalisiert. Eine Ernährungsumstellung reiche daher meist nicht aus, um eine anhaltende Gewichtsreduktion zu erzielen. Pharmakotherapien können zwar auch keine Wunder bewirken, mit neueren Medikamenten wie Liraglutid und Naltrexon/Bupropion kann aber zumindest eine Gewichtsreduktion von 5 bis 10% auf einem stabilen Plateau erreicht werden – solange die Therapie fortgeführt wird. Eine teure Angelegenheit: Die Patienten müssen die Kosten selbst tragen. Und auch Nebenwirkungen gilt es zu beachten. Bedenken hinsichtlich der kardiovaskulären Sicherheit von Naltrexon/Bupropion konnten zwar entkräftet werden, bei Patienten mit Krampfanfällen oder Suizidneigung ist jedoch Vorsicht geboten, und bei einer Opioid-Therapie bzw. im akuten Opioid-Entzug ist die Therapie kontraindiziert.
Fake News: die Cholesterin-Lüge
Einem weiteren Mythos sagte Prof. Dr. rer. nat. Dietmar Trenk, Klinischer Pharmakologe am Herz-Zentrum Bad Krozingen, den Kampf an: dem Ammenmärchen von der Cholesterin-Lüge. Daten aus Epidemiologie, Genetik und klinischen Studien mit Lipidsenkern belegen einen eindeutigen Zusammenhang zwischen erhöhten LDL-Cholesterol-Spiegeln und dem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Mit den Statinen, Ezetimib und den neuen PCSK-9-Hemmern stehen wirksame Therapieoptionen zur Verfügung, um den LDL-Cholesterol-Spiegel zu senken. Im Gegensatz dazu scheinen Omega-3-Fettsäuren keinen Einfluss auf schwere vaskuläre Ereignisse zu haben, wie zahlreiche Publikationen belegen. Oder vielleicht doch? Eine brandaktuelle Studie mit einem speziellen in den USA zugelassenen Präparat – einem Ethylester der Eicosapentaensäure – hat bei Hochrisikopatienten überraschende Effekte gezeigt. „Der Sarg für die Omega-3-Fettsäuren war zu, nun ist er wieder aufgemacht worden“, so Trenk. Aber: Handelsübliche Fischölkapseln haben vermutlich keinen Effekt.
Keine Angst vor Cortison
Den Abschluss des spannenden Programms bildete Apothekerin Christine Bender-Leitzig mit einem sehr praxisnahen Vortrag zur Therapie mit Glucocorticoiden. Wichtig sei hier, unbegründete Ängste in Bezug auf Cortison abzubauen. Aufgrund des hohen Beratungsbedarfs nahm Bender-Leitzig insbesondere die Problematik der Nebennierenrindeninsuffizienz ins Visier: Bei einer Dauermedikation kann die endogene Cortisol-Produktion durch die negative Rückkopplung zum Erliegen kommen. „Die Nebennierenrinde verschrumpelt wie die Haut eines alten Apfels“, so Bender-Leitzig. Beim Absetzen der Medikation besteht dann ein relativer Cortisol-Mangel, da die Produktion nicht so schnell wieder hochgefahren werden kann. Eine Glucocorticoid-Therapie muss daher immer vorsichtig ausgeschlichen werden. Und das kann lange dauern – unter Umständen mehrere Monate. Zudem sollten Patienten, die regelmäßig Cortison einnehmen, immer einen Cortison-Ausweis bei sich tragen. In Stresssituation, z. B. bei einem Autounfall, kann der Körper nicht mehr adäquat mit einer verstärkten Cortisol-Ausschüttung reagieren, eine Zusatzdosis Cortison muss appliziert werden. Eine wichtige Information für Ersthelfer. |
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