Ein Überblick über das „Herzstück“ der Digitalgesetze (Teil 1)

Die ePA für alle kommt – was erwartet die Apotheken?

Stuttgart - 22.11.2024, 07:00 Uhr

(Foto: IMAGO/Ardan Fuessmann)

(Foto: IMAGO/Ardan Fuessmann)


2025 soll sie kommen: die neue elektronische Patientenakte, die „ePA für alle“. Ab dem 15. Januar wird sie für alle Versicherten angelegt, die bis dahin nicht widersprochen haben. Nach einem Monat Erprobung in Modellregionen soll der bundesweite Rollout erfolgen. Auch Apotheken werden sich mit der ePA befassen müssen. Wir geben einen Überblick, was anfänglich in der ePA steckt und was noch kommen wird.

Ab dem kommenden Jahr sollen die medizinischen Daten aller Versicherten, sofern sie nicht explizit widersprechen, an einer zentralen Stelle gespeichert werden – in der ePA. Das soll die Anamnese erleichtern, Doppeluntersuchungen vermeiden und letztendlich auch die Versorgung verbessern, weil Befunde, Röntgenbilder und Verordnungsdaten eben nicht mehr nur für die jeweils behandelnde Institution zugänglich sind, sondern für alle beteiligten Leistungserbringer. Außerdem soll nicht nur der einzelne Patient von den in der ePA gesammelten Daten profitieren, sondern auch die Allgemeinheit, indem sie zum Beispiel für Forschung, Verbesserung der Versorgungsqualität und -sicherheit, Prävention, aber auch statistische Zwecke der Gesundheitsberichterstattung genutzt werden. Die Daten werden dafür pseudonymisiert an das Forschungsdatenzentrum (FDZ) Gesundheit im Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) weitergeleitet. Sofern nicht wider­sprochen wird.

Wie bei Digitalisierungsvorhaben im deutschen Gesundheitswesen so üblich, hat auch die ePA eine lange Vorgeschichte. Sie reicht zurück bis in die Amtszeit von Ulla Schmidt (SPD). Mit dem GKV-Modernisierungsgesetz wurde die elektronische Akte erstmals gesetzlich verankert. Das war im Jahr 2004. Im Fünften Buch des Sozialgesetzbuches (SGB V) wurde damals festgeschrieben, dass „die Gesundheitskarte geeignet sein [muss], folgende Anwendungen zu unterstützen, insbesondere das Erheben, Verarbeiten und Nutzen von […] 4. Daten über Befunde, Diagnosen, Therapiemaßnahmen, Behandlungsberichte sowie Impfungen für eine fall- und einrichtungsübergreifende Dokumentation über den Patienten (elektronische Patientenakte)“.

Außerdem sollten die „Spitzenverbände der Krankenkassen, die Kassenärztliche Bundesvereinigung, die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung, die Bundesärztekammer, die Bundeszahnärztekammer, die Deutsche Krankenhausgesellschaft sowie die für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildete maßgebliche Spitzenorganisation der Apotheker auf Bundesebene die Schaffung der, insbesondere für die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte, des elektronischen Rezeptes und der elektronischen Patientenakte, erforderlichen Informations-, Kommunikations- und Sicherheitsinfrastruktur“, vereinbaren.

Seit 2021: Die „alte“ ePA

Passiert ist dann bekanntermaßen wenig, vor allem, weil der Fokus des Gesetzgebers zuvor auf den Grundfunktionen der Telematikinfrastruktur (TI) lag. Erst am 21. Dezember 2015 wurde der Gematik über das sogenannte E-Health-Gesetz der Auftrag zur Konzeption und Umsetzung der ePA gegeben. Die Gematik lieferte dann fristgerecht zum 31. Dezember 2018 die technischen Vorgaben zur ePA, die dann durch die Krankenkassen – erneut fristgerecht – zum 1. Januar 2021 umgesetzt wurden. Die ePA war im Feld.

Die Krankenkassen wurden gesetzlich verpflichtet, ihren Versicherten eine ePA anzubieten. Wer sie nutzen möchte, hat sie jedoch bei der jeweiligen Kasse aktiv zu beantragen und muss in die Nutzung explizit einwilligen. Dokumente, wie Befunde oder Bilder, können nur in die ePA hochgeladen werden, wenn dem Leistungserbringer Zugriff erteilt wurde – per Stecken der Versichertenkarte und PIN-Eingabe. Jedes Mal wieder aufs Neue. Besonders verbreitet ist die ePA daher nicht. Laut Gematik gibt es derzeit lediglich 1.741.821 ePAs (Stand 21.11.2024).

Das soll sich ab dem kommenden Jahr ändern, mit der ePA für alle, der mit dem Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung im Gesundheitswesen (Digital-Gesetz – DigiG) der Weg bereitet wurde. Ab 15. Januar 2025 wird sie für alle gesetzlich Versicherten angelegt. Automatisch, es sei denn, es wird widersprochen. Letzteres geht über direkten Kontakt zur jeweiligen Krankenkasse, die zuvor über die ePA aufklären muss. Dabei muss sie auch darstellen, dass und wie (niederschwellig) durch den Ver­sicherten widersprochen werden kann.

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Welche Informationen landen in der ePA?

Wird kein Widerspruch eingelegt, müssen bestimmte Inhalte künftig in die ePA hochgeladen werden. Das sind zum Beispiel Arztbriefe und Befunde. Außerdem wird automatisch die verordnete Medikation mit Dispensierdaten in Form einer Medikationsliste vom E-Rezept-Server übertragen. Später sollen weitere Daten folgen, zum Beispiel der Medikationsplan sowie die elektronische Patientenkurzakte. Auch diesen, vom Gesetzgeber „Anwendungsfälle“ genannten Datenbereichen in der ePA kann der Versicherte einzeln widersprechen.

Die Lage ändert sich allerdings, wenn in den hochzuladenden Dokumenten potenziell stigmatisierende Informationen enthalten sind. Der Gesetzgeber nennt hier beispielhaft psychische und sexuell übertragbare Erkrankungen oder Schwangerschaftsabbrüche. Dann muss die Ärztin oder der Arzt die betroffenen Personen darüber informieren, dass diese Dokumente in die ePA geladen werden, und auf die Widerspruchsrechte hinweisen. Was potenziell stigmatisierend ist und was nicht, liegt im Ermessen der behandelnden Ärzt*innen. Noch mal anders wird es, wenn es um Informationen geht, die unter das Gendiagnostikgesetz fallen. Hier braucht es die explizite schriftliche Einwilligung der Patient*innen, damit diese Dokumente in der ePA landen dürfen.

Zudem gibt es weitere Dokumente, die von der Arztpraxis auf Patientenwunsch hochgeladen werden müssen, allerdings, nur wenn diese elektronisch vorliegen und in der konkreten aktuellen Behandlung erhoben wurden.

Dokumente, die nur in Papierform vorliegen, können Patent*innen selbst in die ePA laden. Oder sie lassen dies ihre Krankenkasse tun. Die muss nämlich auf Patientenwunsch innerhalb von 24 Monaten zweimal jeweils zehn Seiten Papier digitalisieren und in der ePA speichern.

Möchten Patient*innen ihre ePA selbst einsehen oder aktiv verwenden, geht dies über die App der Krankenkasse. Um alle Funktionen nutzen zu können, zum Beispiel um selbst Dokumente hochzuladen, ist eine Registrierung erforderlich. Dazu benötigen Versicherte wie bei der E-Rezept-App eine Gesundheitskarte mit NFC-Schnittstelle und eine persönliche PIN, die bei der Kasse beantragt werden müssen. Alternativ gibt es auch die Möglichkeit, die GesundheitsID (siehe Kasten) zu nutzen.

GesundheitsID aus der Apotheke

Seit Januar 2024 sind die gesetzlichen Krankenkassen verpflichtet, auf Wunsch eine GesundheitsID auszustellen. Mit ihr können sich Patient*innen im Gesundheitswesen digital ausweisen, zum Beispiel um die eigene ePA zu nutzen. Ab 2026 soll sie außerdem als Versicherungsnachweis in den Arztpraxen gelten, statt der Versichertenkarte.

Wer so eine ID möchte, muss diese bei der Kasse be­antragen. Der Identitätsnachweis kann zum Beispiel erfolgen derzeit mittels

  • elektronischer Gesundheitskarte und dazu­gehöriger PIN
  • PostIdent-Verfahren 
  • der Online-Ausweisfunktion des Personalausweises

Künftig soll dieser Nachweis auch in der Apotheke durchgeführt werden können (Apo-Ident-Verfahren), auf freiwilliger Basis. Dieses Verfahren wird allerdings so schnell nicht zur Verfügung stehen – wenn es überhaupt noch realisiert wird. Es hat sich gezeigt, dass die nötige Hardware nicht ausreichend verfügbar ist. Zudem müsste das BMG per Rechtsverordnung noch einige Details, auch die Vergütung, regeln.

Bilddateien erst ab 2025

Anfangs wird neben TXT- und XML-Dateien allerdings nur ein einziges Dateiformat unterstützt: PDF-Dokumente im Format PDF/A. Das ist ein spezielles PDF-Format zur Archivierung, das zum Beispiel keine ausführbaren Dateien (.exe) enthalten darf. Damit lässt sich potenzielle Schadsoftware weniger leicht in Systeme einschleusen. Die Größe je Dokument ist auf 25 MB begrenzt. Bilddateien, die in der heutigen ePA erlaubt sind, sollen ab Juli 2025 erneut in die ePA eingespielt werden können. Viele Softwaresysteme generieren bislang jedoch PDF nicht im Format PDF/A, das heißt, es muss konvertiert werden. Dabei gehen aber Elemente, die im Format PDF/A nicht abbildbar sind, verloren. Theoretisch ist also ein Abgleich des ursprünglichen mit dem neuen Dokument erforderlich.

Überlegt es sich die Person, der die jeweilige ePA gehört, doch anders, kann sie Dokumente wieder löschen oder verbergen, sodass sie kein anderer mehr einsehen kann. Es kann entweder der gesamte Inhalt verborgen werden oder nur bestimmte Dokumentengruppen, zum Beispiel alle Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. Was im Gegensatz zur alten ePA aber nicht mehr geht ist, einzelne Dokumente für einen bestimmten Leistungserbringer zu verbergen. Mit dem nächsten Update (3.1) lassen sich dann immerhin bestimmte Gruppen für einen einzelnen Leistungserbringer verbergen, also beispielsweise, dass die Rathaus Apotheke keine Arztbriefe sehen kann. Zudem kann auch jederzeit der ePA als solches widersprochen werden.

 

Hier finden Sie Teil 2 dieses Berichts, dann geht es in die Apothekenpraxis. Welche Zugriffsrechte hat das Apotheken-Team auf die ePA und welche Infos kann es dort erwarten?


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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