Gastkommentar von Prof. Dr. Wolfgang Gaissmaier

„Eine Impfpflicht ist kein Allheilmittel!“

Konstanz - 25.11.2019, 09:00 Uhr

Löst eine Masernimpfpflicht alle Probleme? Mit dieser Frage befasst sich Prof. Dr. Wolfgang Gaissmaier in seinem Gastkommentar. (Foto: MG-Stockfotos/stock.adobe.com)

Löst eine Masernimpfpflicht alle Probleme? Mit dieser Frage befasst sich Prof. Dr. Wolfgang Gaissmaier in seinem Gastkommentar. (Foto: MG-Stockfotos/stock.adobe.com)


Wichtigste Maßnahme – vernünftige Aufklärung

Die wichtigste Maßnahme dabei ist eine vernünftige Aufklärung. Es gibt nur wenige Themen, bei denen sich die Wissenschaft so einig ist, wie in Bezug auf den überwältigenden Nutzen von Impfungen. Diese eindeutige Datenlage sollte zunächst unter Gewährleistung des Gesetzgebers transparent gemacht werden, indem wirklich alle verfügbaren Studiendaten veröffentlicht werden, unabhängig ob von öffentlichen Einrichtungen oder Industrie gewonnen. Dann muss sie den Menschen effektiver vermittelt werden, wozu auch Menschen im Gesundheitswesen wie Ärztinnen und Ärzte geschult werden sollten. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die Verdeutlichung des Krankheitsrisikos, das sich durch die Impfung senken lässt – gerade weil viele der Krankheiten, gegen die erfolgreich geimpft wird, nicht mehr sichtbar und damit vermeintlich nicht mehr bedrohlich sind.

Positive Aspekte betonen, Barrieren abbauen

Dabei sollte man positive Aspekte der Impfung betonen, anstatt negative Mythen über Impfungen zu widerlegen und dabei, zwangsläufig, zu wiederholen; in (falscher) Erinnerung bleibt dann häufig nur, dass es eine Debatte über diese Mythen gibt. Auch ist es sinnvoller, den sozialen Nutzen von Impfungen für Menschen hervorzuheben, die nicht geimpft werden können (z. B. Neugeborene), als nur den individuellen Nutzen zu diskutieren, da Letzteres die Attraktivität des Trittbrettfahrens nicht ausräumen kann. Aber selbst die beste Aufklärung wird alleine nicht reichen, es müssen auch Barrieren beim Zugang zu Impfungen abgebaut werden. Neben guten Erinnerungssystemen in Arztpraxen sowie einer angemessenen Vergütung des Impfens könnte man daher überlegen, ob es nicht andere Orte gibt, an denen breite Schichten der Bevölkerung leichter für Impfungen erreichbar sind. Für Kinder könnten dies zum Beispiel Schulen, für Erwachsene Apotheken sein.

Fazit

Impfungen retten Leben. Durch Impfskepsis nehmen jedoch vermeidbare Infektionskrankheiten wieder zu. Eine Impfpflicht kann grundsätzlich ein sinnvoller Baustein zur Erhöhung der Impfquoten sein.

Prof. Dr. Wolfgang Gaissmaier

Es mag auf den ersten Blick paradox klingen, aber wenn überhaupt sollte eine Impfpflicht nicht nur auf vereinzelte Krankheiten abzielen, sondern ein breites Spektrum an Krankheiten und Bevölkerungsgruppen umfassen. Ansonsten könnten die Nachteile die Vorteile überwiegen, da z. B. nicht verpflichtende Impfungen in Folge weniger in Anspruch genommen werden. Jedoch ist eine Impfpflicht alleine kein Allheilmittel gegen zu geringe Impfquoten. Aufklärung und ein leichterer Zugang zu Impfungen werden zusätzlich vonnöten sein und könnten daher, gerade auch im Hinblick auf ethische Fragen, sogar generell die bevorzugten Mittel der Wahl sein.



Prof. Dr. Wolfgang Gaissmaier, Fachbereich Psychologie, Sozialpsychologie und Entscheidungsforschung, Universität Konstanz
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Impfpflicht, oder doch eher Impfzwang?

von Nikolaj Ruppert am 26.11.2019 um 12:13 Uhr

Ist die Verwendung des Begriff Impfpflicht angebracht und ehrlich? Medien sprechen immer von dem Bußgeld von bis zu 2500€. Herr Spahn selbst und sein Gesetz (zumindest nach meinem Wissensstand) droht aber mit Zwangsgeld. Das Zwangsgeld kann beliebig oft verhängt werden und geht bis 25000€. Selbst Millionäre kann man damit in die Knie zwingen(!). Andererseits sagt Herr Spahn selbst, es wird keinen Impfzwang geben. Aber was ist das Anderes als ein Impfzwang, wenn man dir beim Nichterfüllen die Existenz nehmen kann?

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