- DAZ.online
- News
- Debatte & Meinung
- „Eine Impfpflicht ist ...
Gastkommentar von Prof. Dr. Wolfgang Gaissmaier
„Eine Impfpflicht ist kein Allheilmittel!“
Impfpflicht = Körperverletzung?
Gegner einer Impfpflicht betonen individuelle Freiheit und das Recht auf körperliche Unversehrtheit, da eine Impfung trotz ihres unbestreitbaren Nutzens rechtlich eine Körperverletzung darstellt. Es stellt sich daher die Frage nach der Verhältnismäßigkeit, in Abwägung derer sich der Deutsche Ethikrat Ende Juni zumindest gegen eine allgemeine Impfpflicht ausgesprochen hat. Dennoch betrachtet er das Impfen grundsätzlich als moralische und zu fördernde Pflicht und kann sich dabei sogar eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen vorstellen.
Demselben Ziel verpflichtet
Dies verdeutlicht, dass sich sowohl Befürworter als auch die allermeisten Gegner einer Impfpflicht letztlich demselben Ziel verpflichtet fühlen (von einigen wenigen grundsätzlichen Impfkritikern abgesehen): einer möglichst hohen Durchimpfungsrate zum Schutz der Bevölkerung. Wie vom Deutschen Ethikrat vorbildlich geleistet wäre daher eine breitere Debatte, wie sich hohe Impfquoten erreichen lassen, zielführender, als eine Beschränkung auf die Frage „Masernimpfpflicht: ja oder nein?“.
Debatte evidenzbasiert führen
Neben ethischen Abwägungen sollte sich diese Debatte dabei auf die beste verfügbare wissenschaftliche Evidenz stützen. So zeigen wissenschaftliche Untersuchungen, dass eine Impfpflicht zur Erreichung höherer Impfquoten durchaus ein sinnvoller Baustein sein kann, jedoch auch Risiken birgt und kein Allheilmittel darstellt. Um wirksam zu sein, muss eine Impfpflicht einerseits streng genug durchgesetzt und kontrolliert werden, sie darf andererseits aber nicht zu streng sein, da sie dann zu viel Widerstand hervorrufen würde. Auch wird es stets Ausnahmeregeln geben müssen, durch die sich Menschen in begründeten Fällen von der Impfpflicht befreien lassen können, was wiederum ein Potenzial für Missbrauch birgt. Daher mag es nicht überraschen, dass die Datenlage heterogen ist und die Impfquote in Ländern mit Impfpflicht nicht notwendigerweise höher ist als in Ländern ohne Impfpflicht. So sind einerseits positive Auswirkungen einer Impfpflicht selbst auf andere Impfungen dokumentiert, die nicht verpflichtend sind. Andererseits zeigen genau gegenteilige Befunde, dass die Pflicht zu bestimmten Impfungen die Bereitschaft zu anderen, nicht verpflichtenden Impfungen sogar reduzieren kann, sei es aus Reaktanz oder weil diese anderen Impfungen dann im Vergleich weniger bedeutsam erscheinen.
Mehr Schaden als Nutzen?
Daher erscheint es zumindest fragwürdig, ob eine so punktuell auf eine Impfung abzielende Pflicht wie die derzeit diskutierte Masernimpfpflicht nicht letztlich tatsächlich mehr Schaden als Nutzen mit sich bringen könnte. Darüber hinaus zielt die Masernimpfpflicht im Wesentlichen auf die Gruppe der Kleinkinder ab, obwohl mangelnder Impfschutz von Erwachsenen vielleicht sogar das größere Problem darstellt. Wenn überhaupt wäre daher vermutlich eine umfassendere Impfpflicht angezeigt. Aus oben genannten Gründen würde jedoch selbst diese das Ziel eines vollständigen Impfschutzes der Bevölkerung wohl nicht erreichen. Daher bräuchte es ohnehin weitere Maßnahmen, die einerseits ethisch weniger umstritten sein dürften (Stichwort: Verhältnismäßigkeit) und andererseits eine Impfpflicht unter Umständen sogar verzichtbar machen könnten.
1 Kommentar
Impfpflicht, oder doch eher Impfzwang?
von Nikolaj Ruppert am 26.11.2019 um 12:13 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.