Antrag zur Apothekenversorgung

Grüne wollen höheres Packungshonorar für kleine Apotheken

Berlin - 16.04.2019, 11:40 Uhr

Kordula Schulz-Asche hält ihre Pläne für wirksamer als die von Jens Spahn. (c / Foto: L. Chaperon)

Kordula Schulz-Asche hält ihre Pläne für wirksamer als die von Jens Spahn. (c / Foto: L. Chaperon)


Die Grünen-Bundestagsfraktion hat andere Vorstellung von Reformen im Apothekenmarkt als der Bundesgesundheitsminister. Sie hat nun einen Antrag vorgelegt, mit dem sie fordert, die Höhe der packungsabhängigen Vergütung an den Umsatz der abgebenden Apotheke zu koppeln. Kleine Apotheken sollen also mehr pro Rx-Packung erhalten als große (Versand-)Apotheken. Weiterhin sollen deutschen Apotheken Rx-Boni in Höhe der Zuzahlung erlaubt und die Regelungen zum Mehrbesitz gelockert werden.

„Als Experten der Arzneimittelversorgung können Apothekerinnen und Apotheker ein Plus an medizinischer Behandlungsqualität, bessere Arzneimittelsicherheit und weniger Fehlmedikationen schaffen. Sie sind häufig erste Anlaufstellen im Krankheitsfall und gewährleisten die Arzneimittelversorgung am Tag und in der Nacht. Sinnvoll vernetzt mit Ärztinnen und Ärzten sowie weiteren Gesundheitsberufen, ist diese pharmazeutische Kompetenz vor Ort – egal, ob in Stadt-, Land- oder Randlagen, egal, ob mit oder ohne Versandhandel – unverzichtbar“.

Dies stellt die Bundestagsfraktion der Grünen in ihrem Antrag zur „Sicherung einer patientennahen und bedarfsgerechten  Arzneimittelversorgung durch Apotheken“ gleich zu Beginn fest. Doch die bedarfsgerechte Apothekenversorgung sei in Zukunft keinesfalls garantiert – dies zeigten verschiedene Gutachten. Konkret nennt die Fraktion das Gutachten des Bundeswirtschaftsministeriums zur Arzneimittelpreisverordnung von 2017 sowie das der Noweda in Kooperation mit dem Deutschen Apotheker Verlag aus dem gleichen Jahr. Beide sehen 7.600 oder mehr Apotheken in ihrer Existenz gefährdet. Um für künftige Herausforderungen gerüstet zu sein, seien die Vergütung und die Rahmenbedingungen der Apotheker schnellstmöglich zu reformieren, heißt es im Grünen-Antrag.

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Inspiration durch Basis-Apotheker

Und wie das geschehen soll, dafür haben Sie einige Ideen, die die Regierung in einen Gesetzentwurf einfließen lassen soll. Beim ersten Punkt von insgesamt sieben haben sie sich von den Basis-Apothekern um Gunnar Müller inspirieren lassen: Die Höhe der packungsabhängigen Vergütung für die Abgabe eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels soll an den Umsatz der abgebenden Apotheke koppelt werden, „um so einer der Versorgung nicht zuträglichen Konzentration auf wenige große (Versand-)Apotheken entgegenzuwirken“. Die Grünen-Arzneimittelexpertin Kordula Schulz-Asche erläutert: „Es leuchtet überhaupt nicht ein, warum Krankenkassen großen wie kleinen Apotheken und Apothekenunternehmen gleich hohe Vergütungen für ihre Leistungen zahlen, wenn deren Kostenstrukturen doch ganz unterschiedlich sind“. Große Apothekenunternehmen, etwa Versandapotheken, hätten beispielsweise viel geringere Lagerkosten pro Arzneimittelpackung. Auf diese Unterschiede wollen die Grünen mit einem neuen Vergütungsmechanismus eingehen. Im Antrag heißt es, schon eine Reduzierung der packungsabhängigen Vergütung von einem Euro für die umsatzstärksten 10 Prozent der Apotheken könnte ein Umverteilungspotenzial zugunsten kleinerer Apotheken im dreistelligen Millionenbereich bedeuten. Rund 60 Prozent der Apotheken, die einen durchschnittlichen Umsatz von derzeit bis zu 2,31 Millionen Euro haben, würden bei einer solchen Umstellung nicht belastet, so die Grünen weiter. Im Gegenteil: Sie könnten sogar begünstigt werden.

Rx-Boni für alle und gelockerter Mehrbesitz ohne Ketten

Dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Oktober 2016 zur Rx-Preisbindung wollen die Grünen damit begegnen, dass die „Benachteiligung inländischer Apotheken“ aufgehoben wird. Sie sollen also auch Rx-Boni geben dürfen. Allerdings nur im begrenzten Rahmen, nach Vorstellung der Fraktion bis zur Höhe der Patientenzuzahlung. „Somit würde vermieden, dass Patienten für die Einreichung von Rezepten Geld als Gegenleistung erhalten“. Eine weitere Antwort auf das EuGH-Urteil sollte aus Grünen-Sicht eine grundlegende Reform der Besteuerung sein. Diese müsse sicherstellen, dass Unternehmen im Zeitalter einer sich digitalisierenden Wirtschaft dort einen angemessenen Beitrag zur Finanzierung der Infrastruktur und des Gemeinwohls leisten, wo sie wirtschaftlich aktiv sind.

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Honorar für heilberufliche Kompetenz, vor allem fürs Medikationsmanagement

Die weiteren Ideen der Grünen: Die heilberuflichen Kompetenzen der Apotheker sollen gezielter honoriert werden, indem insbesondere das Medikationsmanagement – nach dem Vorbild von ARMIN – aufgewertet wird. Zudem soll den besonderen Versorgungsbedürfnissen strukturschwacher und sozial benachteiligter Regionen dadurch Rechnung getragen werden, dass „flexiblere Versorgungsangebote“ ermöglicht werden. Es soll geprüft werden, von welchen der zahlreichen formalen Bedingungen für Apotheken abgewichen werden könne, um in dünn besiedelten Regionen den Betrieb zu erleichtern. Einfacher werden soll es auch im Hinblick auf die Besitzverhältnisse und das Bedürfnis jüngerer Pharmazeuten angestellt und flexibel arbeiten zu können. Daher sollten die Vorgaben zur erlaubten Anzahl von Filialapotheken  gelockert und der Betrieb von Apotheken auch von mehreren Pharmazeuten gemeinschaftlich erleichtert werden. Diese Lockerung dürfe aber nur unter bestimmten Bedingungen möglich sein, „um eine Ketten-Bildung zu vermeiden“, wie die Grünen betonen.

Botendienst ausgebaut und gezielt honoriert

Außerdem soll der Botendienst ausgebaut und gezielt honoriert werden, sodass für immobile Patientinnen und Patienten bei Bedarf eine Versorgung mit Arzneimitteln inklusive Beratung bis an die Haustür gewährleistet wird. Und auch für mehr Qualität im Botendienst und Versandhandel soll gesorgt werden. Unter anderem, indem insbesondere ab Temperaturen von 25° Celsius eine durchgehende Kühlung der Arzneimittel verbindlich vorgeschrieben wird.

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Schulz-Asche glaubt mit diesen Vorschlägen weit mehr für die Apotheken erreichen zu können: „Der Referentenentwurf von Jens Spahn löst dagegen kein einziges Problem. Er sieht Mehrausgaben von jährlich knapp 200 Millionen Euro für die Versichertengemeinschaft vor, die aber weiter nur per Gießkannensystem verteilt werden sollen. Damit erhalten die ohnehin schon wirtschaftlich stabilen Apotheken den größten Anteil der Ausgaben und den Kleinen ist weiterhin nicht geholfen. Das zeigt, dass es hier intelligentere Lösungen braucht, als einfach nur wieder das Portemonnaie anderer zu öffnen."



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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8 Kommentare

Boni

von Alexander Zeitler am 17.04.2019 um 1:24 Uhr

Einfach Frage: was ist denn eine kleine Apotheke?
Bitte um einfache Antwort.
Und bei allem , was von Spahn kommt. Sein Mann hat irgendwas mit Doc Morris zu tun.
und nun?

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Rabatte bitte

von Stefan Haydn am 16.04.2019 um 19:59 Uhr

Jawohl, Rabatte bitte aber sofort!
Auf die Diäten aller Grünen Mandatsträger im Bundestag.
Mindestens in Höhe der aktuellen Diäten, gerne auch mit zusätzlichen Abzügen darüberhinaus, wie die angestrebten Zuzahlungsboni bei den Apotheken.
Also bitte Geld in den Bundestag hineintragen, statt heraus!

Um auf den Durchschnittsumsatz von 2,31 zu kommen gibt es eine klare Strategie für die darüberliegenden Apotheken. Ablehnung von Hochpreisern!
Nur schade um die armen Trottel die dann vermehrt Hochpreise abgeben müssen und dafür dann noch mit Honorarkürzung leben dürfen.
Oder die 10% machen dann einfach Quartalsferien wie die Ärzte bei Überschreitung der 2,31 Mio Umsatz.

Diese Partei und ihre Mandatsträger sind nicht nur überflüssig, sondern immens schädlich und mehr als weltfremd! In so einem Wolkenkuckucksheim würde ich auch gerne leben.

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Haben die Grünen auch BWL'er

von Heiko Zimny am 16.04.2019 um 19:21 Uhr

Es gibt so viele BWL'er. Wieso verweigert sich diese Berufsgruppe komplett den Grünen. Erkläre doch mal einer der Dame,
1.) dass Umsatz nicht mit Gewinn gleich zu setzen ist (kleine und große Apotheken nach Umsatz zu beurteilen ist schlichtweg blanker Unsinn)
2.) dass bei Wegfall von ca 3/4 des ROHERTRAGS durch Bonusgewährung der GEWINN deutlich mehr leidet oder komplett verschwunden ist. Überleben unmöglich. Aber solch planwirtschaftliches Gedankengut ist bei den Grünen ja weit verbreitet (siehe Habeck und Enteignungen von Wohnungen in Berlin).

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Boni

von Conny am 16.04.2019 um 14:15 Uhr

@ Redaktion : es war halt meine Lieblingsserie und nicht Raumschiff Enterpreis

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RX-Boni

von Kleiner Apotheker am 16.04.2019 um 13:37 Uhr

"nach Vorstellung der Fraktion bis zur Höhe der Patientenzuzahlung"

Die Zuzahlung ist kein zusätzlicher Verdienst, sondern wird komplett an die Krankenkasse bezahlt.
Es bleibt also 8,35 - 1,77 Kassenrabatt = 6,58 Euro Rohgewinn.
Wie soll ich da noch einen Bonus von bis zu 10 Euro abziehen?
Achja der 3% Gewinn auf dem EK. Davon bleibt so gut wie nichts übrig, das holen sich Steuerberater, Versicherung, Verband, Kammer und diverse andere, deren Rechnungen nach Umsatzhöhe auch höher werden. Teure Packungen bedeuten lediglich höheres Risiko bei gleichem Gewinn.

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..

von Jan Kusterer am 16.04.2019 um 12:18 Uhr

Ich bekomme einen Bonus von einem Euro pro Packung, muss aber um den Kunden nicht in DxxMoxxxx Arme zu jagen den maximalen Boni (vielleicht 5 €?) abdrücken. Doch das macht Sinn. Nur leider nicht für uns Apotheker.

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.

von Anita Peter am 16.04.2019 um 12:06 Uhr

Wenn Sie den kleineren Apotheken was zukommen lassen will ginge das ganz einfach. 30 cent pro Packung in einen Strukturfonds, Ausschüttung zu gleichen Teilen an alle Vor Ort Apotheken.
Boni Vergabe? Ich dachte sie will die kleinen Apotheken stärken?

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