Schon vor seinem Erscheinen führte das Gutachten, das von der Noweda und dem Deutschen Apotheker
Verlag in Auftrag gegeben worden war, zu
regen Debatten. Beigetragen hatte dazu insbesondere ein Beitrag im
Handelsblatt, in dem Peter Thelen, ein ausgewiesener Freund von Apothekenfremdbesitz
und Versandhandel, einen Pressetext der grünen Gesundheitspolitikerin Kordula
Schulz-Asche aufgriff. Schon vor Fertigstellung der finalen Fassung des
Gutachtens hatte Schulz-Asche auf ihrer Homepage zur Attacke gegen das Gutachten geblasen, ohne
sich freilich mit den Kernaussagen der Expertise auseinander zu setzen.
Stattdessen nahm (und nimmt) die Grünen-Politikerin die Ausführungen von
May/Bauer/Dettling zum Anlass, die klaffende Schere zwischen „armen“ und
„reichen“ Apotheken zu thematisieren, sich über – ihr bislang wohl unbekannte –
umsatzbezogene „Betriebsergebnisse von einzelnen Apothekengruppen“ zu
echauffieren für eine
Umverteilungspolitik zwischen „großen“ und „kleinen“ Apotheken zu plädieren
(„Es ist genug Geld da“) – nicht ohne nebenbei die gezielte Entlastung von Apotheken, die viele
Rezepturen herstellen, „fast als
Veruntreuung von Versichertengeldern“ zu bezeichnen. Offensichtlich passen Schulz-Asche,
die den Rx-Versandhandel beharrlich befürwortet, die Ergebnisse der Expertise
nicht so recht ins politische Konzept. Insbesondere auf ihrer Grünen-Facebook-Seite
sieht sie sich deshalb inzwischen in mehr als 60 Kommentaren geharnischter
Kritik ausgesetzt.
Konkrete Daten zur Gefährdung von Solitär-Apotheken
Ausgangspunkt der Expertise von May/Bauer/Dettling ist das
Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Oktober 2016. Darin hatten die
Luxemburger Richter entschieden, dass für Versandapotheken mit Sitz im
EU-Ausland das für deutsche Apotheken geltende Preisbindungsrecht gemäß
Arzneimittelpreisverordnung nicht zur Anwendung kommt. In ihrem Gutachten belegen
May/Bauer/Dettling jetzt erstmals detailliert, welche zum Teil dramatischen
Auswirkungen die Verschiebung von Marktanteilen zugunsten von
EU-Versandapotheken (und zulasten der hiesigen öffentlichen Apotheken) auf das
engmaschige Apothekennetz in Deutschland haben wird. Konkret gefährdet ist durch
die Verlagerung von Arzneimittelumsätzen in Richtung preisprivilegierter
ausländischer Versandapotheken die Existenz von ca. 10 Prozent der öffentlichen
Apotheken. Besonders schmerzlich ist dies für die Versorgungslage in kleineren
Orten, in denen es im Umkreis von fünf Kilometern nur eine Apotheke gibt. Nach
der Expertise sind davon über 1.700 Orte mit „Solitär-Apotheken“ betroffen.
Sackgasse „1 Euro-Deckel“
Schnell und wirkungsvoll kann dieser Entwicklung, so das
Resümee des Gutachtens, nur mit einer Beschränkung des Versandhandels auf nicht
verschreibungspflichtige Arzneimittel entgegengewirkt werden. Europarechtliche
oder verfassungsrechtliche Probleme bestehen bei einer solchen Regelung, die in
den allermeisten EU-Ländern gilt, nicht. Kritisch setzt sich das Gutachten mit
dem von den (Bundes-)Grünen favorisierten Weg eines „sanften Wettbewerbs“ nebst
„1 Euro-Deckel“ auseinander. Auch eine solche Regelung hätte für viele
Apotheken in Deutschland weitreichende existentielle Konsequenzen. Vor allem
aber fragen die Gutachter: Warum sollten
sich ausländische Versandapotheken, denen vom EuGH gerade das Recht eingeräumt
wurde, das deutsche
Arzneimittelpreisrecht ignorieren zu können, an einen solchen „Deckel“ halten?
Das Buch „May/Bauer/Dettling: Versandverbot für
verschreibungspflichtige Arzneimittel – Wettbewerbsökonomische und
gesundheitspolitische Begründetheit“ ist im Deutschen Apotheker Verlag
erschienen und kann über jede Buchhandlung oder direkt über den Verlag bezogen
werden. Weiter Informationen zum Gutachten auf der Homepage von DAZ.online oder
unter
www.apothekennetz.info.
6 Kommentare
Faktenresistenz
von Christian Rotta am 18.08.2017 um 16:47 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Warum nur?
von Dominik Müller am 18.08.2017 um 9:56 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Wichtige Nachweise
von G. Wagner am 17.08.2017 um 20:39 Uhr
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54 €
von Christian Becker am 17.08.2017 um 17:19 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten
AW: Zu teuer?
von Christian Rotta am 17.08.2017 um 18:39 Uhr
AW: 54
von Stefan Haydn am 21.08.2017 um 9:59 Uhr
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