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„Ich brauche etwas gegen niedrigen Blutdruck“

Stuttgart - 07.03.2019, 17:45 Uhr

Schwindelig? Liegt es am niedrigen Blutdruck? Kann man einen niedrigen Blutdruck in der Selbstmedikation behandeln? ( r / Foto: Robert Kneschke / stock.adobe.com)

Schwindelig? Liegt es am niedrigen Blutdruck? Kann man einen niedrigen Blutdruck in der Selbstmedikation behandeln? ( r / Foto: Robert Kneschke / stock.adobe.com)


Immer wieder kommen Patienten in die Apotheke, die über einen niedrigen Blutdruck oder „Kreislaufbeschwerden“ klagen. Sie mit der Information nach Hause zu schicken, dass eine Hypotonie an sich keinen Krankheitswert hat und ihnen zu mehr Ausdauersport zu raten, wird wohl nur wenige zufriedenstellen. Wie kann die Apotheke weiterhelfen?

Klagt in der Apotheke ein Patient über „Kreislaufstörungen“ und einen niedrigen Blutdruck, sollte zunächst sichergestellt werden, dass sich hinter den Beschwerden keine schwerwiegende Erkrankung versteckt. So sollte ein zu hoher Blutdruck (oder eine etwaige Hypertonie-Behandlung) als Ursache der Symptome ausgeschlossen werden. Auch wenn grundsätzlich der Verdacht auf eine Herzerkrankung besteht, sollte zunächst der Arzt konsultiert werden. Ebenso sollte ausgeschlossen werden, dass es sich bei den Beschwerden um unerwünschte Arzneimittelwirkungen handelt oder die Hypotonie anderweitig sekundär auftritt (Volumenmangel, neurogene, endokrine Ursachen usw.). Kehren die Beschwerden nach Lagewechsel oder bei längerem Stehen immer wieder, ist auch das eine Grenze der Selbstmedikation und sollte ärztlich untersucht werden. Genauso sollten erstmals auftretende Ohnmachtsanfälle nicht in Eigenregie behandelt werden. Unter der Extremform der Hypotonie versteht man übrigens ein akutes Kreislaufversagen, den Schock, der lebensbedrohlich ist.

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Liegt dagegen eine chronische Hypotonie vor, sind die Symptome oft milde und wenig spezifisch ausgeprägt ( z.B. rasche Ermüdbarkeit, Gedächtnis- und Konzentrationsschwäche, Kälteempfindlichkeit, Ohrensausen, Herzklopfen, Inappetenz, „Wetterfühligkeit“). Eine Hypotonie tritt am häufigsten ohne bekannte Ursache auf, sie ist dann in der Regel lageunabhängig. Vor allem jüngere schlanke Frauen sind davon betroffen. Lageabhängig ist dagegen die orthostatische Hypotonie. Sie tritt vor allem auf, wenn Patienten aus dem Liegen aufstehen. Hier scheint die natürliche Gegenreaktion, gegen das „Versacken“ von Blut in Becken und Beinen gestört zu sein. Ab wann sind diese Symptome aber so schwerwiegend, dass man sie behandeln sollte?

Wann ist der Blutdruck zu niedrig?

Es gibt keine verbindliche Definition für eine Untergrenze des normalen Blutdrucks. In der neuen europäischen Hypertonie-Leitlinie 2018 wurde aber erstmalig ein Blutdruckwert definiert, der – allerdings bei einer medikamentösen Behandlung der Hypertonie – nicht unterschritten werden sollte. Unabhängig von Alter und Begleiterkrankungen sei beim diastolischen Blutdruck neben dem primären Therapieziel von < 90 mmHg auch ein Blutdruckzielbereich von 80 bis 70 mmHg eine Option. In jedem Fall sollte der Blutdruck nicht unter den Wert von 120/70 mmHg gesenkt werden. Für den systolischen Blutdruck wurden in Abhängigkeit vom Alter verschiedene Zielbereiche festgelegt. Ab wann ist aber ein unbehandelter Blutdruck zu niedrig?

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Bei der chronischen, nicht sekundären Hypotonie wird oft der Wert 100/60 mmHg als Untergrenze für einen normalen Blutdruck genannt. Dieser Wert scheint jedoch willkürlich zu sein. Die orthostatische Hypotension ist dagegen durch einen anhaltenden systolischen Blutdruckabfall um ≥ 20 mmHg und/oder einen diastolischen Blutdruckabfall um ≥ 10 mmHg innerhalb von drei Minuten nach dem Aufstehen definiert.

Die orthostatische Hypotonie lässt sich in vier Stufen einteilen, wovon die letzte Stufe insbesondere für ältere Patienten sehr belastend sein kann. Denn dann treten Synkopen auf: ein kurzzeitiges Aussetzen des Bewusstseins aufgrund einer globalen Minderdurchblutung des Gehirns. Das ist so gefährlich, weil es zu Stürzen und schweren Verletzungen kommen kann. Dann kann der Einsatz von Antihypotonika wie Etilefrin oder Phytopharmaka sinnvoll sein. Führt der niedrige Blutdruck aber nur gelegentlich zu subjektiven nicht stark ausgeprägten Beschwerden steht die nichtmedikamentöse Behandlung im Vordergrund:

  • Morgens langsam aufstehen, evtl. auf der Bettkante einen halben Liter Wasser trinken,
  • keine Hitze (wie Sauna oder Belastung im Sommer),
  • keine zu üppigen Mahlzeiten (kohlenhydratarm) und kein/wenig Alkohol,
  • prophylaktisch ausreichend trinken und Salz aufnehmen, mit erhöhtem Oberkörper schlafen,
  • Gut angepasste Stützstrümpfe tragen,
  • Ausdauersport.

Antihypotonika: sinnvoll oder sogar gefährlich?

In der Selbstmedikation sind in der Apotheke vor allem zwei Präparate bekannt: das α-Sympathomimetikum Etilefrin (Effortil® Topfen mit 7,5 mg/ml Etilefrin hydrochlorid oder Tabletten mit 5mg Etilefrin pro Tablette, oder Bioflutin® Tropfen mit 5 mg/ml Etilefrin hydrochlorid) sowie die pflanzlichen Korodin Herz-Kreislauf-Tropfen® (D-Campher und Weißdornfrüchte-Fluidextrakt). Die genaue Indikation für Etilefrin laut Lauer-Taxe lautet: „Kreislaufregulationsstörungen mit Hypotonie, die im Stehtest mit Beschwerden wie Schwindel, Schwächegefühl, Blässe, Schweißausbruch, Flimmern oder Schwarzwerden vor den Augen sowie mit einem deutlichen Blutdruckabfall ohne einen Anstieg der Herzschlagrate einhergehen.“ Etilefrin ist ein Agonist an adrenergen α- und β-Rezeptoren und führt so zu einer Steigerung der Kontraktilität und der Herzfrequenz sowie einer Zunahme des peripheren Widerstandes. In der Folge nehmen Schlagfrequenz- und Herzzeitvolumen sowie der systolische Blutdruck zu. Auf Rezept kann der Arzt auch das direkte Sympathomimetikum Midodrin (Gutron®) verordnen.

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Eine (selbst)medikamentöse Therapie sollte für den Patienten in Erwägung gezogen werden, wenn die Hypotonie den Patienten gefährlichen Situationen, wie Stürzen, aussetzt. Vor allem bei alten und herzkranken Menschen sollte der Nutzen von Antihypotonika aber kritisch betrachtet werden, weil durch ihre Wirkung auch der kardiale Sauerstoffbedarf steigt.

2014 wurde zudem in einem Rote-Hand-Brief darüber informiert, dass Arzneimittel mit dem Wirkstoff Dihydroergotamin bei den Indikationen Prophylaxe von Migränekopfschmerz, orthostatische Hypotonie sowie symptomatische Behandlung bei venös-lymphatischer Insuffizienz nicht mehr verschrieben werden sollen (Ergotismus!). Seit 2015 ruht ihre Zulassung. Für die Therapie von sonst therapieresistenten hypotonen Kreislaufstörungen stehen Ärzten Mineralocorticoide zur Verfügung (z.B. Fludrocortison). 

Pflanzliche Alternativen besser verträglich?

Für Phytopharmaka, die D-Campher und/oder Crataegus-Extrakte enthalten soll in mehreren Studien die Wirksamkeit bei orthostatischer Hypotonie nachgewiesen worden sein. Man sollte aber darauf hinweisen, dass Campher in höherer Dosierung Nebenwirkungen wie Nervosität, Angstreaktionen und Übelkeit hevorrufen kann. Korodin® Herz-Kreislauf-Tropfen sollen reflektorisch das Kreislaufzentrum stimulieren und die Herzleistung steigern. Sie sind aber bei Asthmatikern kontraindiziert. Ebenso ist der hohe Alkoholgehalt (60 Prozent) zu beachten. Korodin-Tropfen dürfen nur bei Erwachsenen angewendet werden, während Effortil-Tropfen auch für Kinder zugelassen sind. Dort sind aber zahlreiche Kontraindikationen zu beachten. 

Treten die Beschwerden durch niedrigen Blutdruck nur gelegentlich auf, können auch anregende Badezusätze (nicht zu warm!) wie Rosmarinöl helfen. Auch in der Anthroposophie und Homöopathie wird man bei Kreislaufbeschwerden fündig. Beispielsweise gibt es von Weleda Cardiodoron® Tropfen, „zur Stabilisierung des Kreislaufs“ oder von Wala „Skorodit Kreislauf Globuli velati“; nach Firmenangaben „stabilisieren [sie] den Blutdruck und regen Herz und Kreislauf an“.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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